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STUART A. STAPLES
 
Der nachdenkliche Träumer
Stuart A. Staples
Bereits als der Tindersticks-Sänger Stuart A. Staples sein erstes Solo-Album, "Lucky Dog Recordings 03-04" veröffentlichte, das er zusammen mit Yann Tiersen einspielte, kündigte er an, dass es noch einen Nachschlag geben würde. Die Tindersticks befinden sich nach wie vor in einer "kreativen Auszeit", die mit Solo-Projekten gefüllt werden. (Geiger Dickon arbeitet z.B. an Soundtracks). Mit "Leaving Songs" - Liedern über das Verlassen - liefert Stuart nun allerdings ein Album ab, das sich weniger an seinem ersten Werk, sondern eher an dem der Mutterband orientiert. Zwar ist es in Nashville zusammen mit Mark Nevers und der Lambchop-Crew entstanden, aber schon alleine aufgrund Stuarts unverwechselbarem Gesang und der charakteristischen, melancholisch-depressiven Aura, die sich so ergibt, ist es so eher etwas wie ein würdiger Nachfolger der letzten Tindersticks-Alben geworden.
Was hat Stuart überhaupt getan, um die neue Scheibe anders zu machen? "Genau genommen gar nichts", meint er mit entwaffnender Ehrlichkeit, "ich habe gar nicht erst versucht, es nicht wie die Tindersticks klingen zu lassen. Der ganze Prozess hat sich nämlich verselbstständigt. Ich hatte mir vorgestellt, dass es eine ganz einfache Scheibe werden sollte, die ich mit ein paar Freunden in ein paar Wochen aufnehmen wollte. Das, was ich dann zurückbrachte, war viel Material, was mich dann doch ziemlich verwirrte. Ich brauchte ziemlich lange, um da meine Songs zu finden. Mir war es während der Arbeit mit der Band niemals so richtig bewusst gewesen, was es alles braucht, um einen zufriedenstellenden Song zu erschaffen. Und die Arbeit mit Streichern und Bläsern war dann auch nicht so einfach, wie ich es mir vorgestellt hatte. Das Ergebnis klingt dann eben so, wie es klingt." Die neuen Stücke sind alle ziemlich persönlich und stellen vor allen Dingen Stuart A. Staples, den Songwriter in den Vordergrund. Einmal abgesehen davon, dass er hier mit anderen Leuten zusammen arbeitete: War es für ihn eine grundsätzlich andere Erfahrung als bei den Tindersticks? "Ich habe einfach angefangen, Songs auf der akustischen Gitarre zu schreiben und muss gestehen, dass ich dann keine Kontrolle mehr darüber hatte. Es ist nämlich so, dass ich mir niemals etwas aufschreibe, was mir während des Tages einfällt. Meine Verantwortung lag dieses Mal eher darin, alleine zu arbeiten und die Songs zu finden." Was mag denn die Inspiration für diese Songs gewesen sein? "Wenn ich mir das im Rückblick betrachte, dann fällt mir auf, dass alle Stücke zu einem Zeitpunkt geschrieben wurden, zu dem ich eine Veränderung anstrebte. Alle verschiedenen Aspekte dieser Phase - wie man damit fertig wird, die Suche nach Gründen und Lösungen - wurden in den Songs beleuchtet. Es ging um eine Zeit in meinem Leben, in denen es für mich darum ging, Veränderungen wahrzunehmen und entweder zu versuchen, mit den Umständen klarzukommen oder nach neuen Wegen zu suchen. Es ging aber nicht nur um die Musik, sondern auch um die allgemeine innere Einstellung."
Wenn man mit Stuart oder auch den anderen Tindersticks redet, bestehen sie ja für gewöhnlich darauf, dass ihre Musik keineswegs depressiv ist. Wie sieht Stuart das nach der neuen Scheibe selber? "Das ist eine schwierige Frage für mich", überlegt er, "es ist ja kein allzu großer Unterschied zwischen Melancholie und Depression. Ich tendiere zur Melancholie - aber nicht immer. Zusammen mit der Melancholie gibt es auch immer ein Humorverständnis - auch mit der Band. Es ist die Art mit Worten, Musik und Experimenten umzugehen - was auch eine bestimmte Art von Freude mit sich bringt. Unsere Musik ist nicht einfach nur eine Sache. Und wenn man ein bestimmendes Gefühl hat, muss man es eben ausdrücken. Für mich erscheint das aber öfter verträumt und nachdenklich als direkt traurig." Und was war die musikalische Inspiration für das neue Material? "Es ging mir darum, alleine zu arbeiten und herauszufinden, was passiert. Wie gesagt, ging es mir bei der ersten Scheibe um Sounds und Strukturen, während es mir bei der neuen CD um mein Songwriting ging. Es schließt sich hier ein Kreis für mich. Als ich jung war, und begann Songs zu schreiben, zeigte mit die Country-Musik eine Methode auf, wie man Songs schreiben kann. Nicht als musikalische Inspiration, sondern als Prozess. Das hat sich über die Jahre gehalten. Auch als ich alleine arbeitete, bin ich nicht nach Nashville gegangen, um eine Country-Scheibe einzuspielen, z.B. sind alle Musiker auf der Scheibe Europäer - aus England, der Tschechei, Deutschland - das wurde mir abends klar, als wir alle zusammen mit dem Taxi nach Hause fuhren. Ich wollte aber auch etwas von Nashville für mich mitnehmen und damit schließt sich für mich der Kreis und ich fühle mich befreit. Ich weiß zwar noch nicht, was als Nächstes passieren wird, aber ich weiß, dass es etwas anderes sein wird, als das, was ich bislang machte." Wie passen denn die Damen zu der neuen Scheibe? Es finden sich gleich zwei Duette auf dem Album und auch einige Harmony Vocals. "Nun, die Stücke waren von vorneherein als Duette konzipiert, aber gerade mit 'The Road Is Long', das ich schließlich mit Maria McKee aufnahm, war es sehr schwierig für mich, herauszufinden, wer meine Partnerin sein sollte. Es wurde zu einer größeren Aufgabe für mich. Die Lösung kam, als ich zufällig in einem Plattenladen Marias Gesicht sah und die ganze Geschichte, die mich mit ihr und ihrer Musik verband, auf mich einwirkte. Ich war immer ein großer Fan gewesen. Ich habe ihre Adresse ermittelt, ihr den Song zugeschickt, und sie hat zugesagt. darauf zu singen. Sie ist ein ziemliches Original und hat sofort verstanden, was der Song benötigte. Was das Duett mit Lhasa de Sela betraf, mit der ich 'That Sinking Feeling' aufnahm: Die kannte ich ja bereits von der letzten Scheibe her und ich freute mich darauf, unsere Zusammenarbeit fortsetzen zu können. Es war ein ganz natürlicher Prozess." Das klingt alles so, als sei das Songwriting eine sehr instinktive, intuitive Sache für Stuart. "Was die Grundideen betrifft, so kommen diese immer auf mich zu", überlegt Stuart, "wenn sie dann in meinem Kopf sind, bearbeite ich sie und vervollständige sie. Ich habe dabei kein klares Ziel. Es entsteht immer alles aus irgendwelchen Grundideen - einer Melodie, einer Zeile - die, meiner Meinung nach, ein bestimmtes Gefühl ausdrücken. Ich lasse mich dann immer eher zum Ziel leiten." Was ist dabei die größte Herausforderung als Songwriter? "Ich glaube die Stücke kommen von intensiven Gefühlen, die man versucht einzufangen. Das ist jedenfalls das, was ich mache. Man lernt dabei Dinge, man kann aber auch Sachen verlieren während man sich dem Ziel nähert - dem ursprünglichen Moment, dem ursprünglichen Gefühl. Diesen Moment einzufangen, das ist die größte Herausforderung." Und was ist das Wichtigste an der neuen Scheibe? "Ich fühlte mich frei, nachdem ich damit fertig war", meint Stuart, "wie gesagt, weiß ich noch nicht, was ich als nächstes machen werde - es wird nur nichts sein, das ich gewöhnt bin. Das ist aufregend für mich." Das klingt, als sei die neue CD unbedingt notwendig gewesen? "Ich glaube, beide waren es", setzt Stuart noch eins drauf, "es ist eine Übergangsphase in meinem Leben."
Stuart A. Staples
Was hat sich für Stuart im Laufe der Jahre verändert und was ist gleich geblieben? "Zu Beginn meiner Karriere hatte ich einfach noch nicht die Werkzeuge zur Verfügung, die ich heute habe. Am Anfang war nur ein seltsames Gefühl, das uns alle ergriff und das uns dazu brachte, gemeinsam Musik zu machen und diese verschiedenen Charaktere unter einen Hut zu bekommen. Die ersten beiden Tindersticks-Alben waren sehr wichtig - besonders für uns selber. Dann entwickelten wir ein Bewusstsein für unsere Kunst und arbeiteten an unserer Technik. Was nun die beiden neuen Scheiben betrifft: Hier ging es mir darum, zunächst alles aufzubrechen und herauszufinden, wie die Stücke zusammen passen und die zweite Scheibe hat mich an meine Grenzen als Songwriter gebracht." Haben die Tindersticks als Band überhaupt eine Zukunft? Als sie zuletzt live spielten, schienen sich doch alle sehr selbstbewusst und wohl auf der Bühne zu finden, War das vielleicht sogar zuviel des Guten? "Nun, so richtig selbstbewusst sind wir alle nicht", gibt Stuart zu bedenken, "aber wir richten uns gegenseitig auf, wenn du weißt, was ich meine. Aber ich denke schon, dass daran, was du sagst, ein wenig Wahrheit ist. Ich hoffe, dass die Tindersticks als Band eine Zukunft haben. Zunächst aber werde ich mit einer eigenen Band mit den neuen Stücken auf Tour gehen." Nachdem das also geklärt ist, kommen wir zu der zur Zeit wichtigsten Frage. Wie die Tindersticks im Allgemeinen, so ist auch Stuart A. Staples ein großer Fußball Fan: Wer wird denn - seiner Meinung nach - die Weltmeisterschaft gewinnen? "Ich weiß nicht. Ich glaube, es wird interessant werden. Ich bin natürlich ein Engländer und ich denke, dass wir seit längerer Zeit mal wieder eine gute Mannschaft haben. Wenn sie sich dazu aufraffen können, ordentlich zu spielen, dann denke ich, dass wir versuchen sollten, das Ding zu gewinnen." Hm. Das hört sich aber auch irgendwie eher nachdenklich und verträumt an...
Weitere Infos:
www.tindersticks.co.uk
www.indigo.de/unser_programm/6231/
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Richard Dumas-
Stuart A. Staples
Aktueller Tonträger:
Leaving Songs
(Beggars Banquet/Beggars Group/Indigo)
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