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SOLOMON BURKE
 
Am Hofe König Solomons
Solomon Burke
Das hat man ja auch nicht so oft, dass sich ein Bischof und König in Personalunion dazu herablässt, dem gemeinen Volk seine Arbeit zu erläutern. Nun ist Solomon Burke aber auch kein gewöhnlicher Bischof und König. Der erst kürzlich in die Hall Of Fame aufgenommene, Grammy-ausgezeichnete Vater von 21 Kindern, der selbst Schwergewichte wie Robert Fisher und Jackie Leven bei der Konkurrenz der mächtigsten Sänger der Welt lässig auf die Plätze verweist, ist vielmehr eine lebende Legende und hat sich seinen Ruf (besonders jenen als König) in seiner 50-jährigen Karriere hart erarbeitet. Und ganz nebenbei ist er eine gutgelaunte Plaudertasche vor dem Herrn, der - wie sich zeigt - in erster Linie ein regelrecht besessener Musikfan ist und dem Starallüren und ähnliches Gehabe suspekt sind. Nun, im zarten Alter von 66 Jahren, hat Solomon, der für gewöhnlich in einem Atemzug mit den Größen des Soul genannt wird und der mit "A Change Is Gonna Come" selbst Soul-Geschichte schrieb, seine erste reinrassige Country-Scheibe eingespielt. Und zwar nicht irgend eine Country-Scheibe, sondern mit Sicherheit eine der besten des Jahres überhaupt.
Zusammen mit dem Produzenten, Songwriter und Musiker Buddy Miller zog er sich für eine Woche in dessen Haus in Nashville zurück und sang dort eine stramme Sammlung von 14 ausgewählten Stücken ein, die ihm - neben einigen Cover-Versionen - größtenteils von befreundeten Musikern auf den Leib geschneidert wurden. Und das sind in dem Fall, neben Miller und dessen Ehefrau Julie, vor allen Dingen seine Duettpartnerinnen Dolly Parton, Emmylou Harris, Gillian Welch, Patty Loveless und Patty Griffin. Erstaunlich ist dann noch die Wahl Millers als Partner. Denn Miller steht als Outlaw außerhalb der kommerziellen Nashville Szene und bietet alles andere als den hochglanzpolierten Mainstream-Sound, mittels dessen sich in den USA Millionen scheffeln ließen. Doch lassen wir Solomon einmal selber erzählen, wie es zu dieser Scheibe kam. Immerhin hatte er am Anfang seiner Karriere ja bereits schon mal einige Country-Stücke eingespielt, bevor er als Rhythm'n'Blues-Künstler für Furore sorgte. "Also weißt du, ich mache diesen Job jetzt schon seit 51 Jahren", meint Solomon beiläufig, "das Spannende für mich ist dabei, eben nicht ein weiteres R'n'B-Album oder eine weitere Soul-Scheibe zu machen. Stattdessen möchte ich fortfahren, meine Stärken und meinen Glauben auszuweiten und dabei eine weitere Phase, eine weitere Facette des Musikbusiness zu ergründen. Dieses Prinzip lag mir immer am Herzen und hat mich schon seit meiner Kindheit geleitet. Ich hatte aber nicht die Möglichkeit, als jugendlicher eine ganze CD in dieser Art aufzunehmen." Warum war es Solomon denn nicht möglich, früher eine Country-CD aufzunehmen? "Nun, begonnen habe ich 1954 für Apollo Records", erinnert er sich, "als ich 1962 drei Country-Sachen für Atlantic aufnahm, waren die Umstände aber einfach anders. Es brauchte z.B. ein ganzes Jahr, bis sich jemand fand, die Country-Stücke zu spielen. Es gab einfach keinen Markt für diese Art von Musik in Amerika. Es war einem schwarzen Künstler nicht möglich, Country-Musik zu machen. In diesem Sinn waren wir damals Pioniere. Und danach erschienen dann ja einige der größten Alben dieser Art - denke nur an Ray Charles' Country-Alben oder an Charlie Pride. Viele schwarze Künstler fanden dann langsam zu dieser Art von Musik. Der Pionier aber war Herb Jeffries, der erste Schwarze, der in den 30ern und 40ern Country-Stücke aufnahm. Aber den kannten die Leute einfach nicht - wegen der Rassentrennung. Es war ihm aufgrund der Farbgrenze nicht möglich, den weißen Markt zu erreichen. Er war nur bei Schwarzen bekannt. Das ist so schade, denn er war ein toller Künstler und er lebt auch heute noch. Er hat seine eigenen Filme gemacht und natürlich auch seine Schallplatten. Das haben die meisten aber verpasst. Schaut mal im Internet nach, wie viel der Mann erreicht hat, von dem ihr noch nie etwas gehört habt. Da kannst du dir also vorstellen, wie aufregend das für mich heutzutage ist, so etwas machen zu können - ohne Bedenken dabei haben zu müssen. Ich kann praktisch beenden, was ich damals begann. Und dann noch mit fünf von Nashvilles größten Sängerinnen - den Königinnen der Country-Musik. Mal ehrlich, solch eine Gelegenheit erhält doch nun wirklich nicht jeder, oder?"
Solomon Burke
Interessant an dem ganzen Projekt ist vor allen, dass Solomon hier nicht einfach den einfachen Weg ging, und sich einen Hit-Produzenten aussuchte, der ihm ein kommerzielles Nashville-Album produzierte, sondern mit Buddy Miller zusammenarbeitete, der für seine musikalische Offenheit, sein spieltechnisches Vermögen und seine bodenständige Einstellung links von der Mitte bekannt ist - und somit zweifelsohne zu den Country-Outlaws gezählt werden darf. "Das ist das Erfolgsgeheimnis", verrät Solomon, "weißt du, ich denke, dass das eine der besten Entscheidungen war, die ich in meiner Karriere getroffen habe - nämlich Buddy auszuwählen anstelle nach einem High-Profile-Produzenten zu suchen. Es ging mir darum, jemanden zu finden, der bodenständig und real ist. Und was soll ich sagen: Buddy und seine Frau Julie haben mich mit offenen Armen aufgenommen. Wir haben in seinem Haus aufgenommen. Und damit meine ich sein Haus und nicht irgendein Studio. Wir haben im Wohnzimmer aufgenommen, auf der Terrasse, in der Küche. 'How I Got To Memphis' wurde in der Diele aufgenommen - nur ich und eine Gitarre, kannst du dir das vorstellen?" Solomon lacht sich halb tot. "Ich kann dir sagen, das war wirklich eine Heimarbeit!" Und so klingt es auch - im besten Sinne. "Wir haben alles live eingespielt", fährt Solomon fort, "jeden einzelnen Ton. Es gibt da ein Stück, der Bruce Springsteen-Song 'Ain't Got You', wo alles ein wenig verrückt wurde. Ursprünglich sollten nur drei Musiker mitspielen. Aber dann kamen immer mehr Leute rein, griffen sich die Instrumente und begannen einfach mitzuspielen und herumzutanzen. Mann, ich habe meinen Text vergessen und habe mir einfach etwas einfallen lassen. Das war ein richtiges Hootenanny. Am Ende hörst du mich sagen, wie verrückt das doch alles war. Es war aber toll. Es gibt nur diesen einen Take von der Aufnahme - es war live und verrückt. Sogar das Gelächter ist auf der Aufnahme zu hören. Weißt du, in dem Augenblick kam das Barbecue herein und alle meinten 'Mmmh, wie lecker' und die Spare-Ribs dufteten und ich hatte meinen Text vergessen - ha, ha, ha, haaa." Es gibt also auch Dinge, die ein Veteran wie Solomon Burke noch nicht erlebt hat. Wie kam Solomon denn überhaupt mit Buddy Miller zusammen? "Ich habe Buddy getroffen, als ich einen Gastauftritt in der Grand Ole Opry hatte. Buddy war der Bandleader der Hausband. Wir sollten eigentlich nur einen Song zusammen spielen, aber es war so toll, dass wir einfach weiter gemacht haben. Wir hatten einfach eine tolle Zeit und ich habe mir gleich gesagt, dass ich mit denen zusammen ein Album einspielen müsste."

Solomon sagte zum neuen Album: "Nashville ist ein Revival meiner Seele". Was meinte er genau damit? "Es geht darum, dass ich schon als Kind so etwas machen wollte", erklärt er, "es ist etwas, was ich 1962 begann und nie zu Ende führte. Es ist also so zu verstehen, dass ich mir diese Momente aus meiner Jugend wieder vor Augen führe. Weißt du, dieses Album fühlt sich so toll an, dass ich den ganzen Tag lachen möchte. Ich fühle mich wirklich großartig." Was hat Solomon denn am meisten Spaß gemacht? "Da gibt es vieles", erinnert er sich, "ich hatte viel Spaß mit Dolly Parton. Der Song, der mich am meisten berührte war aber der letzte, ''Til I Get It Right'. Dieser Song bedeutet mir sehr viel. Es gab einige Songs, die mir deswegen viel bedeuten, weil sie eine Botschaft haben. Da wird sicher für fast jeden etwas dabei sein. Ich hoffe, dass so viele Menschen wie möglich diese Scheibe hören, weil ich mich immer verzweifelt bemühe, so viele Menschen zu erreichen wie möglich und so ein weiteres Quäntchen Zuversicht in diesem Business, das sie Show-Business nennen, zu verbreiten." Wonach sucht Solomon die Songs, die er interpretiert, aus, was muss ein guter Song haben? "Der Song muss eine Geschichte haben und diese muss eine Bedeutung haben", meint Solomon wie aus der Pistole geschossen, "und es muss zusammenpassen. All diese Songs haben wir ausgesucht, weil sie zusammenpassen und eine Verbindung haben. Sie stehen nicht für sich. Sie passen. Weißt du, manchmal weiß man einfach, dass gewisse Dinge im Leben zusammenpassen - und bei diesen Songs war das so. Wir hatten überlegt, nur 12 Songs auf die CD zu packen, aber wir haben am Ende doch alle 14 genommen - einfach weil da nichts Überflüssiges dabei war. Das zeigt dir doch, wo unsere Herzen und Gedanken waren und auch heute noch sind." Wie wichtig ist Humor für Solomon? Wer ihn schon einmal live erlebt hat, weiß, dass er kein Kind von Traurigkeit ist. "Ach Humor ist schon sehr wichtig für mich", führt Solomon aus, "jeder muss lachen, wir alle müssen lachen. Tränen gibt es ja schließlich genug im Leben. Wir müssen alle ein wenig lächeln. Unser Land zum Beispiel gerät ja langsam außer Kontrolle und das sorgt für Verzweiflung, die sich im Herzen festsetzt. Wenn es uns da gelingt, die Leute ein wenig zum Lächeln zu bringen, dann haben wir doch schon viel erreicht - auch wenn dadurch die Probleme nicht verschwinden und wir sie nicht vergessen machen können. Wir können aber einen kleinen Umweg anbieten." Was ist dann andererseits die Funktion trauriger Songs, die ja kaum jemand so schön darbieten kann, wie Solomon Burke? "Also die dienen dazu, uns daran zu erinnern, dass auch die Traurigkeit am Ende vergehen wird", philosophiert Solomon, "der Schmerz kann nicht von Dauer sein. Vielleicht können wir ihn vergessen, wenn wir lernen zu vergeben. Und wenn das nicht möglich ist, dann können wir vielleicht die positiven Aspekte sehen und erkennen, dass es eine Konsequenz jeder Tat gibt und jede Lehrstunde ein Segen ist."

Solomon Burke
Solomon legt also nach wie vor immer noch viel Wert darauf, Erfahrungsprozesse durchzumachen. Und er brennt darauf, noch mehr zu erleben. "Nun, ich hoffe, dass ich noch eine Scheibe mit Buddy machen kann", deutet er z.B. an, "aber was ich auf jeden Fall machen möchte, ist eine CD zusammen mit Willie Nelson. Ich habe mich mit ihm unterhalten und erfahren, dass sein Lieblings-Song 'Just Out Of Reach' ist und er hat mir vorgeschlagen, auch ein Gospel-Album zusammen zu machen. Das finde ich sehr spannend." Gibt es denn irgendetwas, das Solomon nicht machen würde? "Ja, ich würde nicht fluchen und mich auf der Bühne nackig ausziehen", lacht er. Aber musikalisch gibt es keine Grenzen. "Ich würde gerne ein Klassik-Album machen - am liebsten mit einem Symphonie-Orchester - und ein Jazz-Album mit einer Big Band; weil ich so etwas noch nie gemacht habe. Und ich würde gerne mal Hardrock machen. Am besten mit Kiss oder anderen Hardrock-Bands. Ich möchte mal ein unglaubliches Hardrock-Album machen, das ich dann auch in meine Soul-Terrine füllen möchte. Ich denke, dass für uns Künstler heutzutage sehr wichtig ist, dass wir uns untereinander austauschen und unsere Talente vereinen, dass wir zusammen der Welt etwas zurückgeben, damit andere erkennen, dass nichts unmöglich ist. Das Geschenk des Lebens ist das Heilen, und ein Teil des Heilens ist Musik." Welchen Ratschlag würde Solomon Burke denn jungen Künstlern geben, die gerade am Anfang ihrer Laufbahn stehen? "Für jeden Sänger, jeden Songwriter, jeden Peformer, Tänzer, Komödianten, aber auch Dichter, Doktor, Anwalt oder Studenten habe ich einen Ratschlag", erklärt Solomon, "vergesse niemals deinen Traum, setze deine Träume höher an, glaube an dich. Lass' dich nicht unterkriegen, halte bis zum Ende durch, und du wirst erfolgreich sein." Und dann gibt es noch ein Thema, das Solomon am Herzen liegt. Auf seiner Website ruft er dazu auf, dass seine Fans doch möglichst karitativen Einrichtungen spenden mögen. "Oh ja, da wäre mir das Programm 'Feed The Children' wichtig", meint er, "es gibt ja nun wahrlich genügend hungrige und obdachlose Kinder auf dieser Welt. Der Bedarf ist also da. Wir leben in einem der reichsten Länder der Erde, und doch gibt es viel zu viel Arme bei uns. Wir geben Milliarden von Dollars für Bomben und Kriege aus, dabei wäre es doch viel einfacher, einen Teil davon für Ausbildung und gegen den Hunger auszugeben. Ausbildung ist schließlich das Wichtigste überhaupt. Was mich immer ärgert, ist, dass wir die falschen Ursachen bekämpfen und nicht jene, die wirklich bekämpft werden müssten. Wir terrorisieren uns ja selber, weil keiner mehr weiß, was wann getan werden muss. Aber wer bin ich zu sagen, wer hier Recht hat? Ich weiß aber, wie weit ich mit meinem Glauben gekommen bin und ich glaube, dass viele von meinen Fehlern lernen können." Kommen wir abschließend zu der Frage, was Solomon Burke am meisten Spaß macht. "Was mir am meisten Spaß macht ist, die Leute glücklich zu sehen - und dafür tue ich alles, was ich kann." Mit "Nashville" überrascht Solomon Burke all diejenigen, die ihn in der Soul-Ecke gut aufgehoben glaubten. Es wäre wünschenswert, wenn mehr etablierte Künstler eine dermaßene Offenheit - und das gleiche Interesse an der Musik - an den Tag legten, wie König Solomon...
Weitere Infos:
www.thekingsolomonburke.com
de.wikipedia.org/wiki/Solomon_Burke
en.wikipedia.org/wiki/Solomon_Burke
www.rockhall.com/hof/inductee.asp?id=1139
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Solomon Burke
Aktueller Tonträger:
Nashville
(Snapper/SPV)
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