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BEN LEE
 
Gestatten, Ben Lee.
Ben Lee
Da sitzt er nun, der Herr Lee und blinzelt unter lockigem Haupthaar verschmitzt aus seinen Kayal-betonten Knopfaugen. Ganze 19 ist der Mann alt und hat bereits jetzt eine Karriere hinter sich, die manchem Mittvierziger gut zu Gesicht stünde: Mit 14 spielte Lee mit seiner Band Noise Addict im australischen Heimatland erfolgreiche Platten ein, die auch in den USA gut abgingen. Eine Tour dortselbst mußte wegen Schulpflicht hinten angestellt werden. Es folgte dann '95 eine erste Solo-Platte, "Grandpaw Would", dem eine weitere (und letzte) Noise Addict-Platte folgte. '97 folgte dann ein weiteres Solo-Album, "Something To Remember", diesmal auf den Pfaden großer songwriterischer Vorbilder. Von Bob Dylan u.ä. liest man z.B. in Rezensionen. Man warf Lee auch vor, daß er zu sehr nach diesen Vorbildern schielte, attestierte ihm aber, daß er "wise beyond his years" klänge.
Was stimmt, denn bei dieser Gesangs-Stimme (die Sprech-Stimme entspricht eher seinem Typus) dachte niemand an einen Jüngling mit lockigem Haar. Als sich die Fachpresse bereits darauf einrichtete, das neue Album entsprechend der Erwartungen zu verreißen, überraschte Lee mit einer weiteren Kehrtwende und produzierte - jetzt in New York ansässig - ein erstaunlich poppiges Album. Dieses alleine im Stübchen mit sich und seinem Computer. Dennoch klingt "Breathing Tornadoes" keineswegs steril, sondern warm, luftig und streckenweise innovativ (was den Mix von natürlichen, aber verfremdeten Instrumenten, Gesang, Keyboards und Samplings betrifft). All das hat weniger mit Anspruchsdenken, sondern mit monetären Aspekten zu tun und dem Willen, sich weiterzuentwickeln. Die Songs - konventionell auf Gitarre geschrieben - spielte Lee hierbei in den Computer ein, um sie dann, wie er sagt, "gründlich zu zerstören", um sie dann wieder aufzubauen. Er wollte experimentieren und Neuland betreten.

Lee betrachtet sich nämlich als "Artist in Motion", seine Musik als Portrait desselben. Er ist jemand, der es geradzu darauf anlegt, sich zu verändern. Dazu war es auch notwendig, alleine zu arbeiten, denn mit einer kompletten Band hätte Lee dieses Album, welches immerhin 4 Monate Tüftelei bedeutete, nicht finanzieren können. Jetzt hat er wieder eine Band, ein Quintett aus 5 gleichaltrigen Jungs, die z.T. noch nie in Bands gespielt haben. Wie gesagt: Veränderung ist wichtig für Ben. Warum eigentlich?

"All meine Idole sind solche, die sich ständig weiterentwickeln - Lou Reed, Björk, Brian Wilson. Es ist undenkbar, daß Du eine lange Karriere hast, und dich nicht veränderst und weiterentwicklest.

Ben Lee
Zur Weiterentwicklung gehört auch das Herumreisen. Das begann 1984, als er im Alter von 6 Jahren zum ersten Mal die USA besuchte.

"Ist das nicht ein bedeutungsschwangerer Zufall?" fragt er, auf das symbolbeladene Datum anspielend - und nonchalant auf sein eher sparsames Alter verweisend.

Für Lee ist die Reise allerdings weniger ein Mittel der Inspriration, denn ein Instrument sich zu isolieren, zu sich zu finden, zu meditieren - gar eine "Reaktion gegen Australien". Er sieht sich hierbei als "Wanderarbeiter". Was er in seiner Musik sucht ist: "Lebendigkeit, Herausforderung, Aktivität." Dieses spiegelt sich auch im Titel des neuen Albums, "Breathing Tornadoes" wieder. Auf die Frage, was das denn bedeuten solle, antwortet er kurz und knapp: "Spirituelle Gewalt". Überhaupt antwortet Lee - auch auf überraschende Fragen - wie aus der Pistole geschossen mit philosophischen Bonmots und Anekdötchen. Lee ist tatsächlich jemand, der mit seiner Intelligenz hausieren kann, ohne Gefahr laufen zu müssen, als Worthülsen-Jongleur entlarvt zu werden. Die Probe aufs Exempel muß natürlich sein: Auf die Bemerkung hin, "Spiritual Violence" sei doch lediglich ein weiterer Aphorismus, aber weniger eine Erklärung des Begriffes "Breathing Tornadoes" folgt ein ganzer Sermon an Überbau, Background und Begründung:

"Es geht um den Zustand, wenn Du rastlos, rücksichtslos und dennoch ruhig bist, wenn Du unter Strom stehst, aber flach atmest. Es geht darum, Kontrolle zu erlangen. Tornados sind ziemlich unkontrolliert, nicht wahr? Wenn Du also einen atmest, dann ergreifst Du doch ziemlich die Kontrolle, oder? Du gerätst in eine Art Trance. Das muß nicht unbedingt religöser Natur sein, jeder kann sich in Trance versetzten. Darum geht's."

Schon gut. Sympathisch dabei, daß der Mann uns gar keine Botschaften vermitteln will. Da gibt es Zeilen, wie "Es geschieht eine Menge, aber es passiert gar nichts" - Zeilen denen man mit genügend Interpretationswillen Bände an Bedeutung zuweisen könnte. Doch davon will Lee nichts wissen:

"Ich sage und meine gar nichts", erklärt er, "ich präsentiere lediglich die Fakten." Wie gesagt, sind banale Beweggründe für Lee nicht der Motor des Antriebes Musik zu machen. Musik ist für ihn ein "Act of creation" und kommt dem Meditieren, dem er eine große Bedeutung beimißt, ziemlich nahe.

Insofern kommen seine "Gästelistenwünsche" denn auch nicht sonderlich überraschend. Auf die übliche Frage, wen er denn gerne auf seiner Gästeliste sähe, nennt er:

"Dostojewski - weil das sicherlich ein interessanter Charakter wäre, Muhammed Ali, zur Unterhaltung und Kylie - weil sie einfach toll ist." Nun, ein wenig Lokalpatriotismus sei ihm gegönnt.

Auch wenn er musikalisch sicherlich ein wenig aus dem Rahmen fällt, dürfte Lee das nächste große Zugpferd des Beastie Boys-Labels (Mike D. nennt er beinahe zärtlich "meinen Manager") Grand Royal werden. Lee ist im Frühling auf Tour.

Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Ben Lee
Aktueller Tonträger:
Breathing Tornados
(Grand Royal/Zomba)

 
 

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