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THE VON BONDIES
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Alte Seelen in jungen Körpern
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Jeden Tag eine neue Stadt, zum Teil ein neues Land. The Von Bondies lehnen sich während ihrer Tour mal für ein paar Minuten auf der gemütlichen Couch zurück, um entspannt und aufgeweckt vor ihrem Konzert im Berliner Magnet unter anderem über ihr letztes Album, Labelwechsel und das Tourleben zu plaudern. Dabei bleibt es aber nicht beim Oberflächlichen und Sänger Jason Stollsteimer gewährt uns Einblicke in seine Seele, erzählt uns von seinen Ängsten und gibt Auskunft über seine Zukunftspläne.
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Gaesteliste.de: Der Titel eures neuen Albums lautet "Love, Hate And Then There's You". Gibt es ein spezielles "You", auf das sich der Titel bezieht?
Jason: Kennst du diese Dankessagung am Ende der CD-Booklets? Normalerweise gibt es das in jedem Album. Unseres hat aber keine Liste in dieser Form. Es ist alles praktisch schon im Albumtitel vorhanden. "Love, Hate And Then There's You" bezieht sich sozusagen auf alles und jeden einzelnen. Du könntest damit gemeint sein! Jeder darf sich angesprochen fühlen.
Gaesteliste.de: Im Gegensatz zu vielen anderen Bands, die eine erfolgreiche Platte gemacht haben, habt ihr aber nicht sofort ein neues Album nachgelegt und seid erst einmal ein wenig von der Bildfläche verschwunden. Wie kam es dazu?
Jason: Ich habe nach der letzten Veröffentlichung unser altes Label verklagt und das hat dreieinhalb Jahre gedauert. Es war nicht so, dass wir nicht sofort wieder ins Studio gegangen sind. Wir wollten sofort ein neues Album aufnehmen, aber eben nicht mehr bei einem Major Label. Viele Bands werden schnell wieder fallen gelassen sobald sie bei einem Major Label sind. Bei uns war es umgekehrt. Wir wollten nicht mehr unter diesen Bedingungen Musik veröffentlichen und ich habe viel Geld bezahlt, um aus dem Vertrag rauszukommen. Es wäre einfacher gewesen, wenn wir gefeuert worden wären.
Gaesteliste.de: Jetzt seid ihr also bei einem Independent Label unter Vertrag. Bedauerst du deine Entscheidung oder fühlst du dich bestätigt, dass der Wechsel richtig war?
Jason: Oh absolut. Wir haben mehr Kontrolle und ich bin sehr glücklich mit der Entscheidung. Alles ist gut. Wie heisst das auf Deutsch? Good? Better? Gut? Ja? Ich hab's! Das hat etwas gedauert. (lacht)
Gaesteliste.de: Die Songs auf der neuen Platte sind sehr geradlinig und preschen geradezu vorwärts. Es scheint fast so, als ob sie die Dringlichkeit einfangen wollen, die es nach der längeren Pause gab wieder neues Material zu veröffentlichen.
Jason: Es mag vielleicht so rüberkommen, aber wir haben bereits 2006 angefangen, diese Songs zu schreiben. Es gab also keinen Druck uns zu beeilen. Zwei der Songs wurden 2006 aufgenommen, 2007 folgten weitere fünf bis sechs Stücke und dann kam der Rest. Da kam keine wirkliche Eile auf, wie du siehst. Wir hatten auch keine genaue Vorstellung, wann das Album rauskommen würde. Folglich mussten wir uns nicht beeilen. Wir waren noch an unser altes Label gebunden und konnten nicht wissen, wie es weitergeht. Also gab es auch keinen Grund für uns, die Songs unbedingt sofort am Stück aufzunehmen. Die auf der CD erschienenen Songs sind die besten von insgesamt achtundsechzig Liedern. Wir hatten also genügend Material und mussten uns darum keine Gedanken machen. Es gibt auch kein durchgängiges Thema oder Konzept. Wir haben einfach unsere LIeblingsstücke ausgewählt und diese auf das Album gepackt.
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Gaesteliste.de: Inwiefern haben die Line Up-Veränderungen innerhalb der Band eure Auftritte oder eure allgemeine Arbeitsweise beeinflusst?
Jason: Unsere Shows sind viel besser geworden. Als wir 2004 / 2005 getourt sind, wurde uns oft gesagt, dass die Jungs in der Band so viel Energie auf der Bühne hätten, während die Mädchen eher wie Puppen wirken würden, die niemals lächeln oder sich bewegen. Seit wir zwei neue Mädchen, Chrystie und Leann, in der Band haben, ist das nicht mehr so. Die Energie ist gleichmäßiger verteilt und alle haben mehr Spaß. Im Studio sieht es ein wenig anders aus, da Don (Drums) und ich fast alles alleine einspielen. Leann hat bei zwei Songs mitgewirkt. Bei den älteren Alben haben die Mädchen nicht an den Aufnahmen teilgenommen. Überwiegend sind wir aber zu zweit im Studio, weil es so schneller geht und wir genau wissen, was wir wollen. Egal wer neu in die Band kommt, am Ende nehmen Don und ich alleine auf. Selbst die hohen Backing Vocals, die live von den Mädchen gesungen werden, kommen von mir.
Gaesteliste.de: Euer neues Album wurde erst einige Tage vor dem Beginn eurer Tour durch Deutschland veröffentlicht. Viele Konzertgänger werden vielleicht noch nicht mit den neuen Songs vertraut sein. Was ist eure Strategie, um den ersten Live Eindruck so gut wie möglich zu gestalten?
Jason: Das wusste ich gar nicht. Viele Leute laden sich die Platte wahrscheinlich illegal runter. In Hamburg, zum Beispiel, konnten die Zuschauer bereits fünf oder sechs der Songs auswendig! Ich mache mir keine Sorgen darum, dass wir auf allzu viele fragende Gesichter stoßen werden. Die meisten neuen Lieder sind viel dynamischer als die alten Sachen und das Publikum schien bisher augenblicklich darauf zu reagieren und hat super mitgemacht. Es funktioniert wohl!
Gaesteliste.de: Jason, du hast Songwriting mal mit dem Erzählen von Geschichten verglichen. Was für Geschichten erzählen die Songs demnach auf eurer neuen Platte?
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Jason: Sie handeln von Leuten, die im Koma liegen. Der Song "Pale Bride", zum Beispiel, erzählt die Geschichte von einem Typen, der im Koma liegt und sich in seine Krankenschwester verliebt. Ernsthaft. Ironischerweise, habe ich den Song drei Jahre nach meiner Scheidung geschrieben, aber es hatte nichts damit zu tun. Schon komisch. Ganz allgemein betrachtet, singe ich viel über meine Ängste, alleine alt zu werden. Ich war schon verheiratet, wurde dann geschieden, bin viel umgezogen und habe viel erlebt für mein Alter. Meine Eltern sagen mir oft, dass ich in meinem Leben bereits viel mehr durchgemacht habe als sie, aber ich bin erst halb so alt! Es fühlt sich manchmal so an, als ob ich schon sechzig wäre, aber die Band hält mich jung. Don ausgenommen, weil ich ihn am längsten kenne und er mich daran erinnert, wie alt ich wirklich bin. Ich habe eine alte Seele! Ich habe schon so ziemlich alles gemacht, deshalb nehme ich nur bestimmte Dinge ernst und der Rest ist Unterhaltung.
Gaesteliste.de: Nochmal zurück zu guten Geschichten, was ist die beste Geschichte, die ein Song dir jemals erzählt hat?
Jason: Kennst du Lionel Richie? Der spielt doch heute abend hier in Berlin! (Fängt an dramatisch "Hello" zu singen) Nein, jetzt mal im Ernst. Ich glaube, mir fällt gerade keine wirklich gute Geschichte ein. Bob Dylan gilt als großer Geschichtenerzähler, aber ich habe keine Ahnung, was er mit den meisten seiner Songs meint. Er nuschelt so viel. Ziggy Stardust erzählt gute Geschichten. Bowies Songs sind manchmal unglaublich witzig. Komm schon, der Weltraum, die Zeit, Sex-Eskapaden. All die Sachen, über die die Kids in den Siebzigern so geredet haben (lacht).
Gaesteliste.de: Vor kurzem wurde weltweit der "Record Store Day" zelebriert, an dem Künstler auf die Schließung von einer Unmenge von Plattenläden aufmerksam gemacht haben. Hast du auch einen Lieblingsplattenladen, für den du dich aufopfern würdest?
Jason: In Michigan sind alle drei meiner Lieblingsplattenläden geschlossen worden. Der letzte wurde 2008 zugemacht. Um ehrlich zu sein, ich habe seit 2005 keine einzige Platte mehr gekauft. Ich bekomme hier und da noch welche von Bands, mit denen wir touren, aber sonst kaufe ich mir nichts dergleichen. Das hat den Grund, dass meine gesamte Plattensammlung auf einen Schlag vernichtet wurde. 2002, als wir gerade in Deutschland unterwegs waren, bekam ich einen Anruf von zu Hause, dass ein Teil des Dachs bei mir zu Hause vom vielen Schnee eingestürzt war. Meine ganzen Boxen voller Platten, mein Fernseher, mein Bett und vieles andere war einfach so weg und begraben. Seitdem habe ich mir keine Platte mehr gekauft. Das hat mein Herz gebrochen. Wenn du so viel Zeit und Geld in deine Sammlung steckst, dann tut das weh, wenn von einer Sekunde auf die nächste alles vernichtet wird.
Gaesteliste.de: Ihr seid mittlerweile oft auf Tour gewesen. Hat sich deine Haltung gegenüber dem Touren nach all den Jahren in irgendeiner Form geändert?
Jason: Ja! Ich trinke nicht mehr so viel auf Tour wie damals. Das habe ich hinter mir gelassen. Ich bin viel unterhaltsamer ohne Alkohol. Außerdem versuche ich mehr von der Umgebung um mich herum mitzubekommen. Wir spielen bald in Paris. Mittlerweile sind wir zum fünften oder sechsten Mal dort und dieses Mal möchte ich unbedingt den Eiffelturm sehen. Solche Dinge eben. Ich war auch zum ersten Mal beim Kölner Dom und mochte es sehr. Ich bin aber nicht religiös. Das musst du auch so übersetzen. Ich rede so schnell und du hast sowieso schon eine Menge Übersetzungsarbeit vor dir. Viel Glück! Du könntest aber auch ein paar Bilder von Ponys und Dinosauriern dazu malen. Vielleicht auch ein Bild von mir. Ganz am Anfang der Entwicklungskette. Danach dann die Höhlenmenschen. Ungefähr da sehe ich mich vom Verhalten her. Ich fühle mich erwachsen, aber ich benehme mich nicht immer so. Ich will irgendwann mal Kinder. Dafür würde ich sogar mit dem Touren aufhören. Hoffentlich wären es meine eigenen Kinder. Ich könnte vielleicht auch adoptieren. (An den Rest der Band) Die würden mich doch Kinder adoptieren lassen oder? Oh Gott, vielleicht auch nicht, wenn sie sich das Album anhören (lacht).
Gaesteliste.de: Wie realistisch ist der Gedanke, dass ihr nach der jetzigen Tour gleich wieder ins Studio gehen werdet?
Jason: Wir touren noch bis Oktober. Ich werde danach ungefähr einen Monat in Irland leben und anschließend noch einen Monat in Australien. Danach werde ich sicherlich wieder etwas aufnehmen. Wir gehen eh kaum in richtige Studios und nehmen die Songs lieber zu Hause auf. Das aktuelle Album haben wir auch in Wohnungen von Bekannten aufgenommen. Das macht mehr Spaß und ist billiger. Niemand sagt uns, was wir machen sollen. Die Chancen stehen also gut, dass es kurz nach der Tour weitergeht.
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Weitere Infos:
www.myspace.com/vonbondies
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Interview: -Annett Bonkowski- Fotos: -Pressefreigaben-
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Aktueller Tonträger: Love, Hate And Then There's You (Fierce Panda/Cargo)
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