GL.de: Das Songwriting geht dir also leicht von der Hand und du hast immer einen Plan?
Kweller: Ja, den habe ich wirklich immer. Selbst wenn ich mal eine Schreibblockade hätte, wüsste ich trotzdem genau, was ich letztendlich machen will und hätte eine gewisse Vorstellung vor Augen. Das Musik machen ist schließlich meine Leidenschaft. Es ist das Einzige, worin ich wirklich gut bin. In allen anderen Sachen bin ich nicht so toll... ja, immerhin gibt es diese eine Sache! (lacht) Aber das ist schon okay so... es reicht auch, um mich zu erfüllen.
GL.de: Wie viel Kraft hat es dich gekostet, einen Song wie "Ballad Of Wendy Baker" zu veröffentlichen, ein Lied, das mit so viel Emotionen behaftet ist? (Kweller hat den Song für eine ehemalige Freundin geschrieben, die ums Leben gekommen ist.)
Kweller: Es hat schon Kraft gekostet, aber vielmehr hat es eigentlich Zeit gebraucht, um das Stück am Ende aufzunehmen. Ich war sechzehn, als ich das Lied geschrieben habe... es sind also elf Jahre vergangen, bis ich es wirklich aufgenommen habe. Nun habe ich einen gewissen Abstand zu der Sache. Als der Unfall passierte und sie starb, war das sehr schwer für mich. Jetzt sind so viele Jahre vergangen und jeder ist seinen Lebensweg weiter gegangen... ihre Familie mag den Song sehr. Ich habe sie erst vor kurzem getroffen. Natürlich hat all das viele Erinnerungen wachgerufen, aber jetzt kann ich emotional viel besser mit der Sache umgehen. Ich habe den Song noch nie live gespielt, fällt mir ein (Pause). Das werde ich irgendwann tun...
GL.de: Brauchst du diesen zeitlichen Abstand generell, um bestimmte Dinge in deinen Liedern verarbeiten zu können?
Kweller: Manchmal muss ich Sachen sofort aus mir herauslassen. Es kommt ganz darauf an... je nachdem, um was es geht. Für "Ballad Of Wendy Baker" brauchte ich diese Zeit.
GL.de: Deine musikalische Laufbahn hat schon sehr früh begonnen. Gibt es bezüglich der Musik noch etwas Bestimmtes, was du unbedingt ausprobieren oder an dem du arbeiten willst?
Kweller: Hmm, es gibt da noch so einige Songs, an denen ich arbeiten will. Ich habe viel unvollendetes Material, in meinem Notizbuch oder auch im Kopf... es sind zwei, drei Bücher voll (lacht). Wenn also die Zeit gekommen ist und ich mit der Arbeit am nächsten Album beginne, was um die Winterzeit herum passieren wird, dann werde ich einfach durch meine Notizbücher blättern und Songs heraussuchen, die sich in dem Moment richtig anfühlen und zu meiner Stimmung passen (Pause). Ja... weißt du was? Ich will immer noch ein richtig elektrisches Album machen! Mal sehen...
GL.de: Wie gehst du mit den Song-Ideen um, die du erst nach einer Weile wieder aufgreifst?
Kweller: Das ist eigentlich das Schwierigste. Wenn ein Song zu lange herumsitzt und nicht beendet wird, dann wird es echt hart ihn zu Ende zu bringen. Die besten Songs schreibt man mit einem Mal... Boom, sind sie fertig! Manchmal kann man aber gerade einem alten Song wieder Leben einhauchen, wenn man ihn später wieder vor sich hat... zum Beispiel bei "Ballad Of Wendy Baker" habe ich den Rest erst im Studio vollendet. Jedes Stück ist da aber anders. Sie sind wie kleine Kinder, die verschieden aufwachsen. Manche werden genau so, wie du sie dir vorgestellt hast und du bist einfach glücklich.
GL.de: Kommt es vor, dass du dich an gewisse Einfälle zu Song-Fragmenten später nicht mehr erinnerst und dich ärgerst, wenn eine gute Idee verloren gegangen ist?
Kweller: Oh ganz bestimmt, es kommt einfach vor, dass man Sachen vergisst und man darüber grübelt wie diese oder jene Stelle klingen sollte... oder eine gute Textzeile ist plötzlich weg. Gerade vor ein paar Tagen saß ich in einem Taxi und war auf dem Weg zu einem Radiosender. Meine Tasche war hinten im Kofferraum und normalerweise, wenn ich eine Idee habe, nehme ich sie sofort mit meinem Diktiergerät auf oder spreche sie auf mein Handy... oder ich rufe mich selbst an und hinterlasse mir eine Nachricht (lacht): Lalalalala... nur zur Erinnerung! Jedenfalls arbeite ich gerade an einem neuen Lied und ich hatte die perfekte Textzeile dafür und sang sie vor mich hin... dann war sie plötzlich weg und ich konnte sie nicht mal aufnehmen, weil meine Tasche ja im Kofferraum steckte - zu spät! Erst viel später im Hotel habe ich angestrengt darüber nachgedacht und es kam sogar noch eine bessere Version dabei heraus... hoffe ich zumindest (lacht).
GL.de: Du scheinst dich nicht unbedingt aus der Fassung bringen zu lassen, wenn so etwas mal passiert...
Kweller: Naja, es macht mich schon verrückt, wenn eine so gute Idee auf einmal weg ist. Wenn man erst einmal einen guten Einfall hat, dann will man ihn natürlich festhalten... wer weiß schon, wann die nächste Eingebung kommt? Stell dir vor, du schreibst einen Song... das ist schon ein bisschen unheimlich, weil du nicht weißt, wo die Ideen herkommen und wenn sie dann auf einmal weg sind, könnte das dein letzter Song gewesen sein!