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BEN KWELLER
 
Der Entscheidungs-Blues
Ben Kweller
Wenn man etwas verheimlichen will, geht das meistens nach hinten los und irgendwann kommt die Wahrheit sowieso ans Licht. Genau aus diesem Grunde versucht Ben Kweller erst gar nicht, sich hinter einem aufpolierten Image zu verbergen oder sich zu verbiegen, sondern zieht nach einer kurzen Anzugphase nun wieder jeden Morgen artig das karierte Hemd an, schnallt sich die Boots an die Füße und die Gitarre um die Schultern - wie es sich für einen in Texas groß gewordenen Typen mit Songwriter-Ambitionen eben gehört. Die Zigarette lässig im Mundwinkel und gut aufgelegt, erzählt er Gaesteliste.de warum seine Wurzeln ihn wieder eingeholt haben und wieso seine Musik sich auf seinem neuen Album "Changing Horses" ebenfalls schwer in Richtung Heimat bewegt hat. Außerdem berichtet er von seiner Jagd nach flüchtig gewordenen Ideen und begibt sich gedankenversunken auf die Spur, die es ihm laut eigener Aussage so schwer macht Entscheidungen zu treffen. Mit uns darüber zu reden, fiel ihm zum Glück gar nicht schwer.
GL.de: Du hast vor gar nicht so langer Zeit erst in Berlin gespielt. Was für Erinnerungen werden an deinen letzten Besuch wach?

Kweller: Oh, ich erinnere mich ganz gut an die Räume hier im Lido und die Leute, die hier arbeiten. Es ist schön wieder zurückzukommen. Letztes Mal bin ich nicht rausgegangen und habe zum Beispiel Sightseeing gemacht, sondern war die ganze Zeit über drinnen.

GL.de: Momentan bist du mit deinem neuen Album "Changing Horses" unterwegs. Sind die Songs darauf eine Hommage an deine musikalischen Wurzeln?

Kweller: Ich glaube, es wirkt nach außen hin so, weil ich nie ein ganzes Album mit dieser Art von Songs gemacht habe. Es hat sich über die Zeit einfach summiert, als ich Songs geschrieben habe. Irgendwann war mein Notizbuch voll davon und ich habe ein Album daraus gemacht. Es ist vielleicht eher eine Hommage ans Leben selbst, an verschiedene Geschichten und die Leute, die darin vorkommen. Der Sound der Platte ist aber definitiv prägend für meine Jugend gewesen. Ich bin einfach damit aufgewachsen.

GL.de: Ist deine Verbundenheit zur Country Musik über die Jahre stärker geworden und "Changing Horses" ist einfach eine natürliche Entwicklung dieser gesamten Erfahrung?

Kweller: Ja, meine Neigung zu dieser Art von Musik ist wirklich immer größer geworden. Ich habe so lange in New York gelebt und habe das Landleben und Texas während dieser Zeit sehr vermisst. Also wurde Country Musik ein immer größerer Anziehungspunkt für mich... vielleicht ist das nun alles förmlich explodiert!

GL.de: Im Song "Things I Like To Do" hast du eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was du magst und was nicht. Bist du auch im wahren Leben so entscheidungsfreudig und weißt, was du willst?

Kweller: Ich mag einfache Dinge. Als Künstler bin ich schon sehr entschlossen, was meine Entscheidungen angeht. In meinem Privatleben dagegen gar nicht. Da kann ich überhaupt keine Entscheidungen fällen! Ich weiß nicht genau woran das liegt, aber nur als Musiker kann ich mich wirklich schnell entscheiden. Nicht mal im Restaurant fällt es mir leicht, mich zwischen all den verschiedenen Gerichten zu entscheiden (lacht)... Gebt mir einfach, was ich essen soll! Ich nehme das dann.

GL.de: Das Songwriting geht dir also leicht von der Hand und du hast immer einen Plan?

Kweller: Ja, den habe ich wirklich immer. Selbst wenn ich mal eine Schreibblockade hätte, wüsste ich trotzdem genau, was ich letztendlich machen will und hätte eine gewisse Vorstellung vor Augen. Das Musik machen ist schließlich meine Leidenschaft. Es ist das Einzige, worin ich wirklich gut bin. In allen anderen Sachen bin ich nicht so toll... ja, immerhin gibt es diese eine Sache! (lacht) Aber das ist schon okay so... es reicht auch, um mich zu erfüllen.

GL.de: Wie viel Kraft hat es dich gekostet, einen Song wie "Ballad Of Wendy Baker" zu veröffentlichen, ein Lied, das mit so viel Emotionen behaftet ist? (Kweller hat den Song für eine ehemalige Freundin geschrieben, die ums Leben gekommen ist.)

Kweller: Es hat schon Kraft gekostet, aber vielmehr hat es eigentlich Zeit gebraucht, um das Stück am Ende aufzunehmen. Ich war sechzehn, als ich das Lied geschrieben habe... es sind also elf Jahre vergangen, bis ich es wirklich aufgenommen habe. Nun habe ich einen gewissen Abstand zu der Sache. Als der Unfall passierte und sie starb, war das sehr schwer für mich. Jetzt sind so viele Jahre vergangen und jeder ist seinen Lebensweg weiter gegangen... ihre Familie mag den Song sehr. Ich habe sie erst vor kurzem getroffen. Natürlich hat all das viele Erinnerungen wachgerufen, aber jetzt kann ich emotional viel besser mit der Sache umgehen. Ich habe den Song noch nie live gespielt, fällt mir ein (Pause). Das werde ich irgendwann tun...

GL.de: Brauchst du diesen zeitlichen Abstand generell, um bestimmte Dinge in deinen Liedern verarbeiten zu können?

Kweller: Manchmal muss ich Sachen sofort aus mir herauslassen. Es kommt ganz darauf an... je nachdem, um was es geht. Für "Ballad Of Wendy Baker" brauchte ich diese Zeit.

GL.de: Deine musikalische Laufbahn hat schon sehr früh begonnen. Gibt es bezüglich der Musik noch etwas Bestimmtes, was du unbedingt ausprobieren oder an dem du arbeiten willst?

Kweller: Hmm, es gibt da noch so einige Songs, an denen ich arbeiten will. Ich habe viel unvollendetes Material, in meinem Notizbuch oder auch im Kopf... es sind zwei, drei Bücher voll (lacht). Wenn also die Zeit gekommen ist und ich mit der Arbeit am nächsten Album beginne, was um die Winterzeit herum passieren wird, dann werde ich einfach durch meine Notizbücher blättern und Songs heraussuchen, die sich in dem Moment richtig anfühlen und zu meiner Stimmung passen (Pause). Ja... weißt du was? Ich will immer noch ein richtig elektrisches Album machen! Mal sehen...

GL.de: Wie gehst du mit den Song-Ideen um, die du erst nach einer Weile wieder aufgreifst?

Kweller: Das ist eigentlich das Schwierigste. Wenn ein Song zu lange herumsitzt und nicht beendet wird, dann wird es echt hart ihn zu Ende zu bringen. Die besten Songs schreibt man mit einem Mal... Boom, sind sie fertig! Manchmal kann man aber gerade einem alten Song wieder Leben einhauchen, wenn man ihn später wieder vor sich hat... zum Beispiel bei "Ballad Of Wendy Baker" habe ich den Rest erst im Studio vollendet. Jedes Stück ist da aber anders. Sie sind wie kleine Kinder, die verschieden aufwachsen. Manche werden genau so, wie du sie dir vorgestellt hast und du bist einfach glücklich.

GL.de: Kommt es vor, dass du dich an gewisse Einfälle zu Song-Fragmenten später nicht mehr erinnerst und dich ärgerst, wenn eine gute Idee verloren gegangen ist?

Kweller: Oh ganz bestimmt, es kommt einfach vor, dass man Sachen vergisst und man darüber grübelt wie diese oder jene Stelle klingen sollte... oder eine gute Textzeile ist plötzlich weg. Gerade vor ein paar Tagen saß ich in einem Taxi und war auf dem Weg zu einem Radiosender. Meine Tasche war hinten im Kofferraum und normalerweise, wenn ich eine Idee habe, nehme ich sie sofort mit meinem Diktiergerät auf oder spreche sie auf mein Handy... oder ich rufe mich selbst an und hinterlasse mir eine Nachricht (lacht): Lalalalala... nur zur Erinnerung! Jedenfalls arbeite ich gerade an einem neuen Lied und ich hatte die perfekte Textzeile dafür und sang sie vor mich hin... dann war sie plötzlich weg und ich konnte sie nicht mal aufnehmen, weil meine Tasche ja im Kofferraum steckte - zu spät! Erst viel später im Hotel habe ich angestrengt darüber nachgedacht und es kam sogar noch eine bessere Version dabei heraus... hoffe ich zumindest (lacht).

GL.de: Du scheinst dich nicht unbedingt aus der Fassung bringen zu lassen, wenn so etwas mal passiert...

Kweller: Naja, es macht mich schon verrückt, wenn eine so gute Idee auf einmal weg ist. Wenn man erst einmal einen guten Einfall hat, dann will man ihn natürlich festhalten... wer weiß schon, wann die nächste Eingebung kommt? Stell dir vor, du schreibst einen Song... das ist schon ein bisschen unheimlich, weil du nicht weißt, wo die Ideen herkommen und wenn sie dann auf einmal weg sind, könnte das dein letzter Song gewesen sein!

Ben Kweller
GL.de: Du hast vorhin schon einmal deinen Umzug von New York zurück nach Texas angesprochen. Was hat dieser Weggang aus dem pulsierenden New York für dich persönlich bedeutet?

Kweller: Ich denke, es war einfach an der Zeit... meine Frau und ich haben einen Sohn bekommen. Das war vor drei Jahren... als er ein Jahr alt wurde und begann herumzulaufen, wollten wir einfach, dass er das auf Gras und inmitten von Bäumen machen kann. Der Zeitpunkt war gekommen, um die Stadt zu verlassen. Ich war wieder bereit, draußen in der Natur zu schreiben. Als ich jünger war, habe ich oft unter Bäumen gesessen und geschrieben. In meiner Zeit in New York habe ich fast nur in meinem Apartment geschrieben... oder auf der Feuerleiter (lacht). Man kann also sagen, dass ich bereit war, um wieder zur Natur zurückzukehren.

GL.de: Apropos Schreiben, du bist auch bei Twitter recht aktiv. Sei ehrlich, wie schimm ist der Abhängigkeitsgrad bis jetzt?

Kweller: Jaaa... ich gebe es zu, ich war recht abhängig, aber es ist besser geworden. Ich habe ja keinen wirklichen Druck, was das Schreiben dort angeht. Ich kenne den Typen, der Twitter ins Leben gerufen hat und verfolge das Ganze schon eine Weile. Jetzt kommen immer mehr Leute auf den Geschmack... auch Bands. Zuerst habe ich gedacht, dass das alles niemals so beliebt werden würde. Das Gute an der Sache war, dass ich für mich den Druck umgehen konnte, als wenn man zum Beispiel einen richtigen Blog schreibt. Bei Twitter ist es einfacher, weil man nur kurze Mitteilungen verfassen kann. Das mag ich so daran.

GL.de: Und was für einen Ersatz suchst du dir, um von Twitter loszukommen?

Kweller: Ach, da habe ich ja noch das Nikotin! Das macht leider auch süchtig, aber ich mag Tabak. Auf Tour oder im Studio rauche ich ständig. Ich kaue sogar manchmal Tabak... wie ein richtiger Cowboy (lacht)! Es ist schon ein bisschen eklig, das gebe ich zu. Oh, und dann gibt es noch diesen Mate Tee aus Argentinien, den trinke ich sehr gerne und oft, wenn ich zu Hause bin. Ansonsten steht wohl die Musik auf Nummer eins meiner Sucht-Liste.

Weitere Infos:
www.kweller.net
www.myspace.com/benkweller
Interview: -Annett Bonkowski-
Fotos: -Pressefreigaben-
Ben Kweller
Aktueller Tonträger:
Changing Horses
(ATO/Rough Trade)
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