GL.de: Die Zusammenarbeit mit Michael J. Sheehy funktioniert also bestens, wobei Gemma schon die eindeutige Richtung vorgibt, aber Michael durchaus auch seinen Teil zum Gelingen eines Songs beiträgt - so hat z.B. der Song "Tough Love" erst durch Michaels Bass zu seiner endgültigen Form gefunden. Im Gegenzug ist Gemma auch auf Michaels neuem Album "With These Hands" als Gast zu hören. Das ist noch nicht alles...
Gemma Ray: Stimmt, denn wir denken darüber nach, ein heavy psychedelic Gospel-Projekt ins Leben zu rufen - wir, das sind Michael, sein Bruder, meine Background-Sängerin Alex und ich. Aber bisher haben wir nur die Idee, noch keine Songs.
GL.de: Was während einer Tour im Tourbus an Musik läuft, spiegelt ja auch teilweise die eigene Musik wider - was lief denn z.B. während der Deutschland-Tour Ende Mai?
Gemma Ray: Obwohl meine wundervolle Band und ich doch teilweise einen recht verschiedenen Musikgeschmack haben, können wir uns auf irgendwelche Girl Groups einigen und wir haben eine große Sammlung an ungewöhnlichen B-Seiten - und wir lernen übrigens einen Song pro Tag, den wir dann beim Soundcheck versuchen zu spielen, das ist immer sehr spaßig. Dann hören wir auch oft die Beatles, denn unser Bassist ist ein Beatles-Fanatic. Und auf jeden Fall auch "Exotic Creatures Of The Deep" von den Sparks, wobei "Let The Monkey Drive" mein Lieblingssong ist. Bo Diddleys "Black Gladiator" lief auch, aber da sind auch einige nicht so tolle Songs dabei.
GL.de: Und was kann man über die sonstige Beschäftigung während der Tour sagen, wenn man nicht gerade auf der Bühne steht?
Gemma Ray: Momentan schreibe ich sehr viel, ich versuche, verschiedene unvollständige Texte und Songs fertigzustellen und das Herumfahren bringt natürlich auch neue Perspektiven mit sich - ich versuche sogar, jetzt schon das nächste Album zu schreiben. Ich bin in letzter Zeit auch nicht unbedingt viel auf Tour gewesen, von daher ist der Ortswechsel, weg von meiner Wohnung, auch mal eine sehr willkommene Abwechslung. Wir testen immer wieder neue Songs beim Soundcheck und teilweise auch beim Konzert. Ich bin derzeit sehr kreativ, und es ist eigentlich immer viel Kaffee dabei und es kommt natürlich auch schonmal zu Koffein-Freakouts...
GL.de: Kann man schon etwas über die neuen Songs verraten?
Gemma Ray: Ich versuche vor allem textlich einiges zu verändern - bisher sind die Texte immer zeitgleich mit den Songs entstanden, diesmal möchte ich gerne meinen textlichen Horizont erweitern, mehr mit den Worten spielen und eher Geschichten zu erzählen anstatt nur Gefühle und abstrakte Worte zu verwenden. Das wird in erster Linie die Herausforderung bei der neuen Platte sein. Ich schreibe ja eher atmosphärische Texte, die eine bestimmte Stimmung heraufbeschwören, und Nick Cave hat es geschafft, dort dann auch noch eine Geschichte unterzubringen. Das bewundere ich vor allem an ihm, wie er mit Worten und den dazugehörigen Geschichten umgeht. Ich werde nicht versuchen, wie er zu sein, das wird mir nicht gelingen, aber seine Art gefällt mir schon sehr. Auf der anderen Seite liebe ich auch die Einfachheit vieler Schreiber und Produzenten der 60s - das waren klassische Einzeiler, ohne lange Sätze und mit einfachen Worten, die aber im Song-Kontext perfekt funktionierten.
GL.de: Ist Perfektionismus ein großes Thema?
Gemma Ray: Ja, ich treibe die Leute regelmäßig in den Wahnsinn! Aber inzwischen habe ich Leute um mich herum, die das ertragen können - natürlich kommt es auch zu endlosen Diskussionen, aber letztendlich funktioniert es doch. Michael als Produzent und Ben als Mixer - das passt sehr gut!
GL.de: Momentan scheint ja alles bestens zu laufen - kann man das eigentlich erklären oder in Worte fassen?
Gemma Ray: Nach zehn Jahren scheine ich endlich genug musikalisches Handwerk gelernt zu haben, um endlich diese ganzen Ideen, die in meinem Kopf herumschwirren, in die Realität umzusetzen. Ich war sehr, sehr lange auf meinem eigenen Training-Kurs bzw. meiner eigenen Universität unterwegs, und ich will jetzt nicht behaupten, dass ich absolut toll bin, aber ich bin jetzt sehr mit mir und meiner Persönlichkeit zufrieden, ich habe mich sozusagen musikalisch gefunden. Und ich liebe meine Live-Band. Ich bin einfach glücklich darüber, endlich das produzieren zu können, was ich schon immer machen wollte, und diese Begeisterung, die sich dabei einstellt, wenn man an neuen Songs arbeitet oder Songfragmente, die schon Monate oder Jahre irgendwo wiederfindet und etwas Tolles daraus machen kann.