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ELBOW
 
Von Druck keine Spur
Elbow
Wenn der Erfolg wächst, nimmt der Druck von außen meist gleichermaßen zu. Elbows Siegeszug in der Musiklandschaft hat mit ihrem letzten Album "The Seldom Seen Kid" neue Dimensionen erreicht und wird dieser Tage sogar mit einer Special Edition samt Bonustracks gekrönt. Man könnte meinen, die Band hätte gerade ein unheimliches Gewicht auf ihren Schultern zu tragen, aber davon wollen Elbow aus Manchester nichts wissen. Ausgesprochen befreit und den Blick immer auf das Wesentliche, die Musik, gerichtet, so präsentieren sich drei der fünf Mitglieder vor ihrem Konzert im Berliner Astra Kulturhaus. Mit einer großen Portion Erfahrung im Rücken und in heiterer Erzähllaune stellen sich Mark und Craig Potter sowie Richard Jupp unseren Fragen.
GL.de: Seit der Veröffentlichung eures letzten Albums "The Seldom Seen Kid" habt ihr so einige renommierte Preise für euer Songwriting gewonnen. Vor kurzem sogar den Ivor Novello Award, herzlichen Glückwunsch! Wie sieht eure Einstellung zu solchen Preisen und dieser Form von Anerkennung aus?

Elbow: Danke! Es ist unglaublich. Es hat alles mit dem Mercury Prize angefangen und es fühlt sich wahnsinnig gut an. Es ist wirklich eine große Ehre für uns, vor allem, weil es das erste Mal war, dass wir alles selbst gemacht haben. Craig hat das Album produziert, wir haben ein wenig technische Hilfe geleistet. Alles in allem also unser erster Versuch von den Demos, über die Aufnahmen und letztendlich das Produzieren alles selbst zu machen. Deswegen bedeutet es uns, also Elbow als Band, so viel.

GL.de: Eure Musik wird in der Presse schon seit Jahren hochgelobt, aber erst jetzt scheint ihr, zumindest was Awards angeht, die Bestätigung dafür zu bekommen. Warum sticht "The Seldom Seen Kid" heraus? Was hat das Album an sich, dass ihr nun einen Preis nach dem anderen dafür bekommt?

Elbow: Wir finden, dass es ein großartiges Album ist. "Leaders Of The Free World" war aber ebenso gut. Es ist wahrscheinlich eine Vielzahl an Dingen, die uns so eine Aufmerksamkeit mit der neuen Platte verschafft hat und viele Leute aufhorchen lässt. Kleine Dinge, wie die Tatsache, dass man positiv über unsere Auftritte spricht, unsere neue Plattefirma, die mehr Geld in die Werbung gesteckt hat... das alles summiert sich irgendwann und reicht offensichtlich aus, um für solche Preise nominiert zu werden. Außerdem gibt es uns schon so viele Jahre!

GL.de: Mit so viel Anerkennung und Lob im Rücken, wird es euch schwer fallen, wenn ihr das nächste mal das Studio betretet? Werdet ihr euch, was das Songwriting angeht, vom Druck befreien können?

Elbow: Druck machen wir uns eigentlich nur selber, wenn wir an die Arbeit zu einem neuen Album gehen. Von außen lassen wir uns nicht so sehr einengen. Wir haben schon damit angefangen, an neuen Songs zu arbeiten. Wir hatten ein paar freie Wochen in Schottland, die wir dafür genutzt haben. Und dann noch eine Woche in einem Haus etwas außerhalb von Manchester... Wir hören eigentlich nie wirklich auf mit dem Schreiben. Dadurch baut sich nicht so ein Druck für uns selbst auf, weil wir konstant an Songs arbeiten. Der einzige Druck ist, dass wir eine noch bessere Platte machen wollen als beim letzten Mal und etwas anders an die Sache herangehen. Wir wenden neue Techniken an und versuchen den Prozess einfach für uns selbst interessant und spannend zu gestalten. Es ist nicht so, dass wir nun denken, wir müssen ein Album voller Hits herausbringen. Was die Musik angeht, machen wir von unserer Seite aus keine Kompromisse. Genau darum ist es auch so schön, dass wir gerade so viel Anerkennung für das bekommen, was wir für gute Musik halten.

Elbow
GL.de: Es gibt dennoch genügend Künstler, die nach so einem Erfolg aber genau den entgegengesetzten Weg einschlagen und krampfhaft versuchen, ihr Publikum und die Kritiker zufrieden zu stellen.

Elbow: Das ist wahr, aber es ist wohl eine Frage des Selbstbewusstseins. Wir bleiben bei unseren Vorstellungen. Vielleicht standen wir uns in der Vergangenheit ein wenig selbst im Weg, weil es manchmal länger gedauert hat als geplant, aber es ist ja alles gut ausgegangen. Wir hatten nie einen großen Radiohit und sind trotzdem dort angelangt, wo wir nun stehen. Das ist vielleicht auch für jüngere Bands eine Bestätigung, dass man sich nicht hinsetzen und etwas schreiben muss, was andere von einem verlangen. Man kann es auch so schaffen, wenn man sich auf das besinnt, was man für gut und richtig hält.

GL.de: Ihr bleibt euren Prinzipien also immer treu, wenn ihr Songs schreibt. Ihr habt einmal gesagt, dass eure Inspirationsquelle das Leben und eure Erfahrungen sind. Wie sieht es im Nachhinein mit eurer Haltung zu eurer Musik aus - Meinungen ändern sich ja bekanntlich. Schaut ihr manchmal zurück und seht bestimmte Songs in einem ganz anderen Licht?

Elbow: Das ist mit jedem Song ganz individuell. Wir haben mit Guy den besten Songtexter des ganzen Landes. Er nimmt sich meist lange Zeit für seine Texte und geht mit einem gewissen Stolz an sie heran. Am Ende hat dann jeder eine etwas andere Interpretation von dem, was er sagen will. Er kommt manchmal zu uns und fragt, wie diese oder jene Texte klingen. Wir sind alle verschieden, was das angeht. Guys Aussagen können teilweise eine völlig andere Bedeutung für den Rest der Band haben. Wenn wir zurückschauen, ist uns vor allem wichtig, dass eine Form von Entwicklung hinsichtlich der Musik und der Texte erkennbar ist. Es passiert auch, dass wir einige Songs vergessen, wenn wir sie zum Beispiel nicht live spielen. Dann gibt es Momente, an denen wir zurückblicken und uns wieder besinnen, dass auch dieses Material gut ist. Beim Schreiben der Songs ist es einfach ihren Charakter zu sehen, wenn etwas Zeit vergangen ist, ändert sich dieser manchmal.

GL.de: Im Laufe eurer Bandgeschichte ist es auffällig, dass Plattenfirmen keine beständige Konstante darstellen. Dennoch scheint eure musikalische Entwicklung und eure Kreativität ungebrochen zu sein. Wie schwer ist es für euch, all die Wechsel der Plattenfirmen hinter euch zu lassen und eure Energie bei all dem auf die Musik zu lenken?

Elbow: Ja, wir hatten schon eine Menge Labels... im Großen und Ganzen haben uns die Wechsel und Veränderungen aber nur noch weiter vorwärts geschoben und uns angetrieben. Diese Business-Sache, dafür ist unser Manager zuständig, wir gehen derweil lieber ins Studio. Heutzutage braucht man eigentlich gar keine Plattenfirma mehr, um Musik herauszubringen. Deswegen haben wir uns auch nie besonders große Sorgen darum gemacht, wie wir unsere Musik letztendlich veröffentlichen werden. Wir haben immer an uns geglaubt. Selbst ganz am Anfang als wir noch sehr schlecht waren... ok, irgendetwas war zumindest da (lachen). Als wir uns an die Arbeit zu "The Seldom Seen Kid" machten, hatten wir die meiste Zeit über gar kein Label, was sich sogar positiv auf das Ergebnis ausgewirkt hat. Die ganze Frage des Plattenvertrags war also nie vordergründig für uns, wenn wir Songs geschrieben haben. Unser Manager hat das Blatt auch jedes Mal gut gewendet, wenn eine schlechte Nachricht ins Haus flatterte. Er hat uns sofort aufgezeigt, welchen Weg wir gehen können, was unsere Möglichkeiten sind und uns Mut gemacht, dass es weitergeht. Die Energie innerhalb der Band war also stets ungebrochen und wir haben den Kopf oben behalten. Wir wollten immer nur Musik machen, keiner von uns wollte plötzlich einen normalen Job haben. Das war unsere wahre Inspiration (lachen)! Wir spielen übrigens auch kein Frisbee mehr... schon zwei Mal kam unser Manager zu uns und hat uns gesagt, dass wir keinen Plattenvertrag mehr hätten, als wir mitten im Spiel waren. Wir lassen das in Zukunft lieber... nur zur Sicherheit (lachen).

GL.de: Vor nicht allzu langer Zeit habt ihr die Songs von "The Seldom Seen Kid" zusammen mit dem BBC Orchester und einem Chor live vor einem Publikum vorgetragen. Was war das für ein Gefühl, mit so einer Vielzahl von Musikern auf der Bühne zu stehen und gemeinsam zu interagieren?

Elbow: Wir hatten vor dem Konzert sehr viel zu tun, dadurch haben wir nur 2-3 Mal miteinander geprobt. Es war ein großer Druck, weil es im Vorfeld eigentlich so viel zu tun gab. Schließlich hat alles ziemlich gut funktioniert. Wir kamen uns etwas klein vor neben dem Orchester, aber es war eine wunderbare Erfahrung für uns diesem ganzen Prozess beizuwohnen. Wir waren so nervös wie noch nie, als der Tag des Konzerts vor der Tür stand. Die Proben waren zwar recht locker, aber wir haben erst einen Tag vorher den zuständigen Herren getroffen, der alle Instrumente arrangiert hat. Wir hatten bis dahin noch keine Ahnung, wie die Arrangements aussehen würden. Also setzten wir uns hin, fingen an zu spielen und plötzlich setzte das Orchester ein... wir mussten automatisch lachen, weil wir so vom Klang überwältigt waren. Es war wundervoll und wir konnten es kaum glauben.

GL.de: Ihr habt also nicht versucht eigene Ideen für die Arrangements einzubringen?

Elbow: Nein, wir haben das völlig Nick Ingham überlassen und ihm vertraut. Er hat unglaubliche Arbeit geleistet. Wir haben am Anfang kurz über allgemeine Fragen diskutiert, aber alles Weitere hat er gemacht. Es war großartig, überhaupt die Möglichkeit zu haben, das gesamte Album von vorne bis hinten live zu spielen. Wir hatten vorher schon einmal darüber geredet, so etwas ähnliches zu machen. Nicht unbedingt in normalen Hallen, sondern eher in Theatern. Es war für uns alle unheimlich spannend das dann wirklich umzusetzen... und dann auch noch in der Abbey Road, großartig.

GL.de: War es eine einmalige Sache oder würdet ihr etwas ähnliches in der Zukunft nicht ausschließen, egal ob die Zusammenarbeit im Studio oder live zustande kommt?

Elbow: Wir haben schon konkrete Pläne und werden Anfang Juli mit dem in Manchester ansässigen Hallé Orchester spielen. Das Konzert wird so ablaufen, dass es eine wirkliche Kollaboration zwischen Band und Orchester geben wird und das Orchester nicht einfach nur unsere Songs begleitet. Beide Seiten werden aufeinander eingehen, Parts verändern und so weiter. Wir sind immer ein bisschen vorsichtig mit solchen Projekten... immerhin sind wir keine Band, die so etwas ständig macht und wollen auch nicht in eine Ecke gedrängt werden... "Elbow, die Orchesterband" oder so ähnlich (lachen).

GL.de: Was wäre so schlimm daran?

Elbow: Wir könnten es uns gar nicht leisten, immerzu mit einem so großen Ensemble aufzutreten. Die Kosten wären immens... riesig!

Elbow
GL.de: Neben all euren eigenen Songs habt ihr euch für den War Child Sampler an U2s "Running To Stand Still" gewagt und diesen Song aufgenommen. Wie kann man sich eure Herangehensweise vorstellen, wenn ihr einen Song covert?

Elbow: Das ist eine gute Frage... Der Song begleitet uns schon lange. Er war einer der ersten Songs, die wir gecovert haben, als wir als Band zusammenkamen. Die Version damals ist aber nicht mit der jetzigen zu vergleichen. Da gibt es erhebliche Unterschiede. Als U2 uns gefragt haben, ob wir den Song aufnehmen wollen, haben wir sofort Gefallen daran gefunden. Wir haben zunächst einfach drauf losgespielt, aber uns daraufhin ein wenig zurückgenommen und uns wieder näher am Original und seinem Charakter orientiert. Es ist eine Art Hommage dabei herausgekommen, die schon deutliche Bezüge zum Ausgangsmaterial herstellt, aber genügend Raum für unsere eigenen Ideen lässt.

GL.de: Gibt es Cover-Versionen von euren Songs, die euch im positiven Sinne aufgefallen sind?

Elbow: (Allgemeines Nachdenken) Ja doch, Snow Patrol haben mal in der Radioshow von Jo Whiley "One Day Like This" gecovert... das war sehr schön. Besonders, weil es das erste Mal war, dass wir gehört haben, dass andere Bands einen unserer Songs covern. Peter Gabriel will sich auch noch einen unserer Songs vornehmen. Er plant "Mirrorball" zu covern, das wird bestimmt interessant! Bei youtube gibt es auch viele Cover von uns... einige sind so schlecht (haha).

GL.de: Ihr wart nicht das erste Mal an einer Aktion für die Organisation War Child beteiligt. Ist Musik ein effektiverer Weg auf so ernste Themen aufmerksam zu machen als vielleicht andere Formen der Information?

Elbow: Wenn es eine universale Wirkung haben soll, ist Musik ein wunderbarer Weg sich vielen Leuten mitzuteilen und oftmals ist es auch ein sehr erfolgreicher. Wir arbeiten viel mit der "MAG" Organisation (Mines Advisory Group) und der "National Autistic Society" zusammen. Durch unsere Konzerte können wir in Form von Spenden helfen und es ist schön, mit Musik etwas erreichen zu können. Sie verbindet nun einmal Menschen und kann vieles bewirken.

GL.de: Bevor euch der Sommer auf viele Festivals führen wird und ihr als Support von Coldplay und U2 unterwegs sein werdet, seid ihr heute Abend im relativ kleinen Rahmen in Berlin zu sehen. Was werdet ihr in eurer Wundertüte für die heutige Show und das Publikum bereithalten?

Elbow: Wundertüte (lachen)! Ja, wir haben so einiges, worauf wir uns freuen. Wir haben ein paar zusätzliche Blechbläser bei uns auf der Bühne. Sie sind Teil eines berühmten Orchesters... welches war das nochmal? (Pause) Nein, den Namen sagen wir nicht (lachen). Wir haben in letzter Zeit viele kleine Radio Sessions und derartiges gemacht, das Konzert in Berlin ist dagegen eine richtige Show und wir sind alle gut aufgelegt und freuen uns darauf. Das Astra Kulturhaus ist doch noch ganz neu und wurde erst eröffnet oder?

GL.de: Ja, die Eröffnung ist noch nicht lange her...

Elbow: Ach, wir werden schon unseren Spaß haben. Morgen haben wir noch einen Tag frei und werden mal die Gegend erkunden. Dafür bleibt sonst nicht allzu viel Zeit.

GL.de: Dann wünschen wir euch viel Erfolg für das Konzert heute Abend und bedanken uns ganz herzlich für das Gespräch.

Weitere Infos:
www.elbow.co.uk
www.myspace.com/elbowmusic
Interview: -Annett Bonkowski-
Fotos: -Hella Wittenberg-
Elbow
Aktueller Tonträger:
The Seldom Seen Kid
(Fiction/Universal)
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