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Interview-Archiv

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BRENDAN PERRY
 
Synthese
Brendan Perry
Vor fünf Jahren sah es kurzfristig so aus, als würde die legendäre 4AD-Band Dead Can Dance wieder zusammenfinden, doch das Comeback war lediglich von kurzer Dauer. Nach nur einer gemeinsamen Tournee gingen Brendan Perry und Lisa Gerrard wieder getrennte Wege, noch bevor das angedachte Comeback-Album in Angriff genommen werden konnte. "Die Musik, die Lisa für die Tour geschrieben hatte, hielt ich für nicht kompatibel mit meiner", erinnert sich Brendan Perry im Interview mit Gaesteliste.de in Köln, "also wurde nichts daraus." Die beiden Songs, die Perry 2005 für die Dead Can Dance-Konzertreise geschrieben hatte, finden sich nun auf "Ark", seinem ersten Soloalbum seit elf Jahren, und mehr noch: "Die Stücke waren der Katalysator, der auslösende Impuls für mein neues Album!", verrät er.
Zwar möchte Perry sein neues Album explizit nicht als Konzeptalbum verstanden wissen, dennoch gibt er zu, gerne auf klar abgesteckte Parameter bei seiner Arbeit zurückzugreifen. Um die Texte über Entfremdung und Krieg klanglich angemessen darzustellen, arbeitete Perry fast mit ausschließlich Samplern und Synthesizern. "Das Ganze war ein Lernprozess, der sich lange hingezogen hat", gesteht er. "Allerdings war das auch etwas, was unumgänglich war, genauso wie das Erstellen eigener Sounds, denn natürlich wollte ich nicht auf Presets zurückgreifen. Schließlich wollte ich, dass das Ergebnis einzigartig klingt. So sind zum Beispiel einige der synthetischen Basslines so tief, dass man sie auf einem herkömmlichen Bass gar nicht mehr spielen kann."
Wie schon bei früheren Produktionen ließ sich Perry beim Songwriting von seinen Instinkten leiten, anstatt sich ihm mit starren Ideen zu nähern. "Ich sehe das Ganze als Dialog", sagt er über den Prozess, den er als Destillation seiner Gedanken beschreibt. "Manchmal gibt die Musik die Form vor, manchmal passieren aber auch glückliche Unfälle, Dinge, die du nie hättest planen können. Das ist das Wundervolle an der Musik. Sie stellt eine Synthese dar. Gerade im Frühstadium passieren viele ungeplante Dinge. Zumeist beginne ich mit einem Rhythmus oder einer Bassline. Das mag wie eine ziemlich moderne Herangehensweise anmuten, aber man findet sie bereits in der Barockmusik. Wenn ich dann darauf aufbaue, improvisiere ich viel und lasse mich überraschen, was die Musik mir vorschlägt. Wenn sich dann die ersten Worte ergeben, sich ein Text herausschält und damit die Absicht des Songs für mich sichtbar wird, arrangiere ich ihn so, dass sich eine runde, philosophische Erzählweise ergibt." Bei dieser Herangehensweise ist es kein Wunder, dass in Perrys Texten immer wieder durchscheint, dass er Bildung für den wohl wichtigsten Faktor hält, um eine Brücke des gegenseitigen Verständnisses zu bauen und Ignoranz in jeglicher Form - sei es auf religiösem Hintergrund oder im politischen Machtgefüge - auszumerzen. "Nur weil ich nicht in einem Kriegsgebiet wohne oder mir keine Sorgen darum machen muss, dass ich morgen etwas zu essen auf dem Tisch habe, heißt das ja nicht, dass ich mich nicht dennoch irgendwo zwischen den Stinkreichen und den Ärmsten der Armen einsortieren kann", sagt er. "Ich bin irgendwo in der Mitte. Manche Menschen halten das für einen düsteren Ort, für mich spiegelt er eher die Realität dessen wider, was die meisten Menschen tatsächlich erleben." So steht die titelgebende Arche der melancholischen Grundstimmung des Albums zum Trotz nicht nur für einen Zufluchtspunkt, sondern mag auch als Beginn einer neuen, besseren Gesellschaft gelten.
Mit "Ark" im Gepäck brach Perry Mitte März auf eine ausgiebige Welttournee auf. Nachdem er das Album völlig im Alleingang produziert hatte, stand er vor der Herausforderung, eine Band zusammenzustellen, die seine neuesten Kreationen ebenso wie die Stücke von "Eye Of The Hunter" und die alten Dead Can Dance-Songs, die unweigerlich ihren Weg ins Programm fanden, auf der Bühne würde umsetzen können. Dazu sagt er: "Ein Musiker stammt aus meiner Gegend, ein junger Bursche namens Peter Sheridan, er ist gerade 26. Er spielt Keyboards und elektrische Gitarre. Er ist wirklich talentiert und hat in Paris Jazz studiert. Ich kenne ihn, weil er meiner Tochter Klavierstunden gegeben hat - ich bin nämlich kein besonders guter Keyboardspieler (grinst). Für die Band suchte ich nach jemandem, der sowohl Keyboard als auch Gitarre spielen könnte, um die Band - nicht zuletzt wegen des Budgets - so klein wie möglich zu halten. Meine Frau schlug dann Peter vor. Du weißt ja, wie das oft ist, da denkst du an berühmte Musiker, die du kontaktieren könntest, dabei sitzt die Antwort direkt vor deiner Nase! Rachel Haden wurde von Ivo Watts-Russell, dem ehemaligen Macher von 4AD, ins Spiel gebracht. Ich bin ständig mit Ivo Kontakt, er ist fantastisch und macht ständig tolle Vorschläge. Er ist so etwas wie mein guter Geist, wir stehen uns sehr nahe. Er ist mit Rachel befreundet und deshalb schlug er sie vor. Der Keyboarder Jules Maxwell ist einer der besten Freunde eines meiner besten Freunde. Er kommt vom Theater und arbeitet für gewöhnlich bei den Musikproduktionen im Londoner West End. Dan Gresson, der Schlagzeuger, wurde mir von meinem Manager empfohlen. Auch er arbeitet viel am Theater und ist ein klassisch ausgebildeter Percussionist. Außerdem spielt er auch Keyboards und ist sehr vielseitig. Das gefiel mir, denn ich suchte nach Musikern, die mehr als nur ein Instrument beherrschen."

Bei der Ernsthaftigkeit, die Perry als Person und mit seiner Musik ausstrahlt, könnte man meinen, dass er bei seinen Konzerten klassische Konzertatmosphäre bevorzugt, doch das stimmt nicht. "Wir sind gestern von Brüssel nach Paris gefahren. Brüssel hatte eher Theateratmosphäre, es gab keine Bar im Saal, das hatte fast schon etwas von einer Bibliothek - es war auch zwischen den Songs sehr ruhig. In Paris sind wir in einem verrauchten Club mit einer großen Bar aufgetreten, in dem sich die Zuschauer viel ungezwungener verhalten haben. Unter dem Strich fällt aber schon auf, wie respektvoll die Menschen meiner Musik begegnen. Dazu muss ich sagen, dass die Leute zwischen den Songs ruhig aus sich herausgehen sollen. Es ist mir schon wichtig, ein bisschen Wärme und Atmosphäre aus dem Publikum zu spüren. Unsere Konzerte sind ja keine Aufführung, bei der man seine Zustimmung am Ende kundtut, wenn sich das Orchester verbeugt. Wir brauchen das Feedback zwischen den Songs. Anders als 'klassische' Musiker funktionieren wir unterwegs eher wie eine Familie von Zigeunern - und die Familie braucht Nahrung!"

Weitere Infos:
www.brendan-perry.com
www.myspace.com/brendanperry
Interview: -Simon Mahler-
Foto: -Pressefreigabe-
Brendan Perry
Aktueller Tonträger:
Ark
(Cooking Vinyl/Indigo)

 
 

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