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DIRK DARMSTAEDTER & BERND BEGEMANN
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Unterwegs auf der endlosen Straße der Sehnsucht
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"So geht das jede Nacht" ist der Titel des zweiten gemeinsamen Albums von Dirk Darmstaedter und Bernd Begemann, doch mit dem countryesken Erstling "This Road Doesn't Lead To My House Anymore" hat das Album nur sehr wenig gemein. Zwar sind die hochkarätigen Mistreiter fast identisch - neben den "Rückkehrern" Lars Plogschties am Schlagzeug und Folke Jensen an der Leadgitarre ist Bassist Ben Schadow neu dabei -, doch das Konzept ist ein völlig anderes, denn nun tauchen die beiden Hamburger Musiker in die Subkultur des deutschsprachigen Rock'n'Roll der 50er-Jahre ein. Noch im Oktober 2010 werden die zwei die am 1. Oktober auf Darmstaedters Label Tapete Records erscheinende Platte auch livehaftig vorstellen.
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Während Bernd Begemanns Schlager-Affinität seit vielen Jahren bekannt ist, wissen höchstens Insider, dass Dirk Darmstaedter als Teenager in seiner ersten Band Jay Bee And His Jupitors auf den Spuren von Gus Backus, Freddy Quinn, Conny Froboess oder Ralf Bendix wandelte. Das ist vor allem deshalb interessant, weil Darmstaedter einen Teil seiner Kindheit in New Jersey verbrachte und damit doch eigentlich (noch) weiter entfernt von deutschsprachiger 50er-Jahre-Musik gewesen ist, als es die meisten deutschen Teenies Ende der 70er eh schon gewesen sein dürften. Woher rührt also sein Interesse für diese Musik? "Zum einen hatte das persönliche Gründe, weil es mich sofort in meine früheste Jugend zurückgebracht hat, zum anderen hat eben meine erste Band wirklich diese Musik gespielt", erklärt Darmstaedter beim Treffen mit Gaesteliste.de nach seinem Auftritt in Bochum Anfang September. "Der letzte Track auf der Platte ist ja ein altes Demo von mir - so einen Scheiß hab ich aufgenommen, als ich 14 war (lacht). Während andere Kids Kiss und so etwas gehört habe, habe ich Caterina Valente gehört. Aus Amerika kommend, war das für mich die schrägste Musik, die ich je gehört hatte (lacht)! Das war eh eine etwas seltsame Zeit für mich, denn ich war 12, als ich nach Deutschland kam. Das ist kein gutes Alter, um von einer Stadt in die nächste umzuziehen, aber ein ganz beschissenes Alter, um Kontinente zu wechseln. Ich war nicht unbedingt glücklich. Es hat dann einiges gebraucht, um mich mit diesem Land vertrauter zu machen. Ich habe nach etwas gesucht, an dem ich mich festhalten konnte. Das war nicht die ZDF-Hitparade, das waren auch nicht Slade, sondern eben dieses komische Zeug aus den 50ern. Ich kann es mir selbst nicht so richtig erklären. Ich hatte einfach diese Freunde, Jan und Kai, mit denen bin ich über die Flohmärkte gezogen, und die Platten, die wir dort gefunden haben, haben mir immer viel bedeutet. Das waren ja auch nicht nur deutschsprachige Sachen, da gab es auch alte Beatles-Platten oder Bill Haley - eben alles, was man fand. Der Schwerpunkt lag allerdings auf der Subkultur der deutschen Rock'n'Roll-Sachen."
In den 70ern waren diese Lieder also eine Art Integrationsschleuse für Darmstaedter, trotzdem dauerte es mehr als 30 Jahre, bis daraus eine richtige Platte wurde. Erste Anzeichen dafür gab es allerdings schon auf der "Country"-Tournee mit Begemann vor sieben Jahren, denn Songs wie das Titelstück oder "Little Linda" waren damals schon bei den Zugaben zu hören. Wurde die Idee zum neuen Album also wirklich schon damals geboren? "Nein! Bernd und ich, wir kennen uns ja schon seit Ewigkeiten. Allerdings machen wir immer noch gemeinsam etwas - wie damals die Country-Platte -, wenn wir irgendeine Idee haben und es wirklich Spaß bringt. 'So geht das jede Nacht' haben wir damals für eine EP aufgenommen, die zur allerersten Tapete-Tournee erschienen ist, auf der Bernd und ich die Conférenciers waren. Aufgenommen haben wir das Stück während der Aufnahmen zu meiner Platte 'Between Wake And Sleep'. Ich habe einfach meinem Trommler Lars gesagt, dass wir schnell noch etwas aufnehmen müssen. Ich habe ihm den Song vorgespielt, und innerhalb von zehn Minuten war die Nummer fertig. Dann ist Bernd dazugekommen und hat darauf gesungen. Wir haben uns nicht viel dabei gedacht. Das Stück erschien auf der EP und dann vergingen sieben Jahre. Dann rief vor ungefähr einem Dreivierteljahr der Musikexpress bei Tapete an. Sie würden ein Special über 50 Jahre deutsche Popmusik machen und fragten sich, ob wir nicht Songs unserer Künstler hätten, die andere deutsche Künstler covern. Da habe ich ein bisschen überlegt, und dann dachte ich: Warte mal, da gab's doch... Dann haben wir denen 'So geht das jede Nacht' geschickt, sie fanden's super und haben es genommen. Auf jeden Fall lief der Song dann bei uns im Büro, und unser neuer Mitarbeiter beim Booking, Carsten Friedrichs von Superpunk, kam rüber und sagte: 'Das ist ja total geil! Da müsst ihr mehr von machen!' Daraus ist das Album dann entstanden."
Trotz der Vielzahl von Songs, die für das Projekt infrage kamen, fiel den beiden die Songauswahl vergleichsweise leicht, wie Darmstaedter verrät: "Ein paar Sachen waren für mich von Anfang an klar. Zum Beispiel, dass wir auf jeden Fall 'Ich bin kein schöner Mann' von Billy Sanders nehmen, weil ich einmal in meinem Leben eine Platte machen wollte, auf der Bernd Begemann diesen Text singt. Das hab ich nun erreicht! Ich hatte so 30 oder 40 Stücke zur Auswahl, Bernd kam dann auch noch mit einigen, denn er meinte, wir brauchen die große Ballade. Das wurde dann 'Jeder Traum hat ein Ende', und so kam das alles relativ zügig zusammen. Von den Musikern kannte zwar keiner die Stücke, aber das war relativ easy, denn das sind ja gute Leute. Wir sind es bewusst so angegangen, dass wir uns nicht viel Zeit gelassen haben. Wir haben zwei Tage geprobt und dann gleich aufgenommen. Es ging ja nicht darum, dass alles unglaublich Hi-Fi-mäßig klingt, es ging eher um eine Grundhaltung, und das hat unglaublich viel Spaß gemacht."
Doch Spaß war nicht der einzige Faktor, schließlich hat das Ganze auch eine gewissermaßen politische Komponente, denn in den 50er-Jahren waren diese Songs, die man heute kaum mehr völlig ernst nehmen kann, schließlich Teil einer echten Jugend-Subkultur. "Diese Platte funktioniert für mich auf diversen Ebenen", sagt auch Darmstaedter, "einmal auf eine etwas skurrile, leichte Art, die dich einfach zum Lachen bringt, auch wenn du merkst, das das schon etwas sehr Seltsames hat. Sie funktioniert für mich aber auch als echtes Zeitdokument, denn nach dem zweiten Weltkrieg wollte man in Deutschland rocken, aber man wusste noch gar nicht richtig, wie es geht. Das merkt man sowohl der Musik als auch den Texten an. Die Originalversionen sind ja letzten Endes von Schlager- und Musicalmusikern eingespielt worden, die gemerkt haben: Oh, wir müssen jetzt rocken, aber was bedeutet das eigentlich? Das ist schon eine interessante kleine Reise, die wir da veranstalten."
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Nachdem der Freddy Quinn-Titel "So geht das jede Nacht" 1956 als deutscher Vertreter beim Eurovision Song Contest am Start war, sind Darmstaedter und Begemann anno 2010 mit ihrer Version des Songs bei Stefan Raabs Bundesvision Song Contest mit von der Partie. Während die Feuertaufe in der großen Max Schmelig-Halle in Berlin am 1. Oktober 2010 stattfindet, geht das Duo anschließend auf Tour durch die kleinen Clubs der Republik. Gespielt werden dann übrigens ausschließlich die deutschen Schlager, Rückgriffe auf das gemeinsame englischsprachige Album aus dem Jahre 2003 planen Darmstaedter und Begemann nicht. "Bernd hat sein Veto eingelegt", erklärt Darmstaedter lachend. "Er meint, wir müssen bei den deutschen Stücken bleiben. Das ist auch so, schließlich ist das Album, wenn man so will, eine Konzept-Platte. 'Thank God I'm A Country Boy' wäre da ein wenig seltsam. Genaueres weiß ich allerdings auch noch nicht. Wir werden uns schon was einfallen lassen!"
Keine Frage, denn schließlich ist vielen die gemeinsame Tournee des Duos vor sieben Jahren noch in guter Erinnerung, bei dem sich die beiden immer wieder gegenseitig zu Höchstleistungen anstachelten - bei den Songs ebenso wie bei den Ansagen dazwischen! "Ich bin ja nicht unbedingt ein stiller Typ auf der Bühne, aber mit Bernd zusammen bin ich eher der schweigsame, nerdige Typ in der Ecke, denn gegen Mr. Entertainment komme ich einfach nicht an!" Dass die beiden (trotzdem) ganz ausgezeichnet harmonieren, ist sicherlich vor allem ihrer langen Freundschaft geschuldet, die bis zu frühen Jeremy Days- und Die Antwort-Tagen zurückreicht. Dass sie sich auch musikalisch so gut ergänzen, war dagegen zunächst nicht so klar. "Es war schon eine gewisse Ahnung da, weil wir seit 1985 immer mal wieder gegenseitig bei unseren Konzerten gastiert haben. Wir wussten also, wenn wir gemeinsam auf der Bühne stehen, dann passiert irgendetwas. Wie gut es aber wirklich ist, haben wir dann bei der Tour zur ersten Platte gemerkt. Das sind Sachen, die macht man dann nicht ständig, sondern nur alle paar Jahre, wenn man wieder eine Idee oder ein Konzept hat. Wer weiß, was es als Nächstes sein wird?"
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Weitere Infos:
www.tapeterecords.de/artists/dirk-darmstaedter-bernd-begemann
www.dirkdarmstaedter.com www.bernd-begemann.de
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Interview: -Simon Mahler- Foto: -Stefan Dürr-
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Aktueller Tonträger: So geht das jede Nacht (Tapete Records/Indigo)
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