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Interview-Archiv

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SCOTT MATTHEW
 
Der Sohn des Dramas
Scott Matthew
Der aus Australien stammende aber in New York lebende Scott Matthew wurde bei uns bekannt durch seine Beiträge zu dem Indie-Film "Shortbus" - noch bevor sein selbst betiteltes Debüt-Album erschien. Hier wie da verfolgte Matthew eine ganz eigene musikalische Ästhetik, die etwa darin besteht, dass alle Songs akustisch instrumentiert sind und ohne Schlagzeug auskommen müssen. Nun ja, fast: Auf seinem neuen, dritten Album "Gallantry's Favorite Son" hat sich auf einem Stück tatsächlich eines eingeschlichen und in seinem zweiten Projekt, Elva Snow, arbeitete er mit dem Ex-Morrissey-Schlagzeuger Spencer Corbin zusammen. Wenn das aber überhaupt etwas aussagt, dann das, dass Scott nicht vorhersehbar ist und sich als Künstler permanent weiter entwickelt.
Dazu gehört auch, dass sein neues Werk weit weniger melancholisch und lamentös ausfiel als die beiden Vorgänger-Alben und dass der Titel desselben auch weniger elefantös ausfiel als jener, der zweiten CD, die da hieß "There Is An Ocean That Divides And With My Longing I Can Change It With A Voltage That's So Violent To Cross It Could Mean Death". Welche Relevanz haben Titel im Allgemeinen für Scott Matthew? "Nun, der Titel des neuen Albums, 'Gallantry's Favorite Son', ist eine Zeile aus meinem Song 'Sweet Kiss In The Afterlife'", erklärt Scott - übrigens mit einer Sprechstimme, die genauso melodisch moduliert, wie seine Gesangsstimme, "der Titel des letzten Albums, war ein wenig selbstverliebt - aber so bin ich nun mal, wenn ich Musik mache. Aber natürlich kann man einen solchen Gag nicht wiederholen. Das Wort 'Galan' ist ein altmodisches Wort und ich mag die Zielrichtung des Wortes, weil es heutzutage nicht mehr in jedermanns Vokabular enthalten ist und es assoziiert eine gewisse romantische Vergangenheit. Und es spiegelt auch irgendwie die Art wieder, auf die ich Musik mache, die ziemlich traditionalistisch und altmodisch ist. Ich verwende nie angesagte Technologien, sondern stattdessen traditionelle Instrumente und ich bin auch ein Traditionalist in Sachen Songwriting. Mir geht es nicht darum, experimentell oder avantgardistisch zu sein, sondern ich möchte einen netten, guten Song schreiben." In dem besagten Song, "Sweet Kiss In The Afterlife", singt Scott davon, dass er darauf wartet und hofft, der Galanterie bevorzugter Sohn zu sein. Sieht er sich selbst denn als ein solcher? "Das wäre doch nett, oder?", schmunzelt er, "aber tatsächlich warte ich noch darauf. Es geht um den Wunsch, den ich verfolge. Wer weiß - vielleicht klappt es ja irgendwann."

Das "Warten" ist ja eines der Lieblings-Themen von Scott. Wie ging Scott denn das Album thematisch und musikalisch an? "Es gibt leider keinen roten Faden erzählerischer Natur", räumt er ein, "es wäre nett, wenn ich klug genug wäre, um so etwas hinzubekommen, aber der Prozess des Songwriting ist für mich ziemlich spontan und wenig planbar. Das ist ziemlich sporadisch und das Thema eines jeden Stückes basiert darauf, wie ich mich zu genau jenem kreativen Moment fühle. Und musikalisch wollte ich das Ganze - zumindest teilweise - weniger orchestriert und leichter ausführen, als auf dem letzten Werk. Es gibt hier weniger Piano und die Streicher sind weniger intensiv. Obwohl das Cello nach wie vor mein absolutes Lieblingsinstrument ist. Und dann wollte ich mehr Stimmen auf dem neuen Album verwenden und habe mehr Back-Up- und Harmonie-Vokal-Parts geschrieben. Dazu habe ich auch Gospel-Elemente und einen Chor verwendet. Sogar einen Opernsänger habe ich eingeladen. Ich denke, die menschliche Stimme ist hier mein bevorzugtes Werkzeug gewesen." Die Vokal-Arrangements sind auch für den Zuhörer das, was das Album von Scotts bisherigen Werken erkennbar absetzt. War das auch Teil des Songwriting-Prozesses? "Nicht notwendigerweise", überlegt Scott, "denn ich kann soweit gar nicht vorausplanen, weil es für mich schon schwierig genug ist, überhaupt einen Song zu schreiben. Aber nachdem alles fertig ist, kommen mir die Ideen zu den Arrangements dann schon." Was mag Scott denn so sehr an einem Cello? Kristin Hersh meinte zum Beispiel ein Mal, man müsse mit einem Cello vorsichtig umgehen, weil es dazu tendiere, zu dramatisch zu klingen. "Zu dramatisch?", wundert sich Scott, "wie kann etwas zu dramatisch klingen? Ich kann nie genug vom Drama haben. Damit fühle ich mich wohl - so seltsam sich das anhören mag. Melancholie und Drama inspirieren mich - und das nutze ich für mein Songwriting. Das, was ich am Cello am meisten mag, ist, dass sich damit eine tiefe Emotionalität ausdrücken lässt. Das Timbre ist der menschlichen Stimme sehr ähnlich." Das neue Album ist insgesamt aber schon weniger melancholisch und dramatisch, oder? "Ja, genau, das wollte ich ja auch", bestätigt Scott, "ich wollte ein wenig vom eingeschlagenen Weg abweichen, um mal zu sehen, wie sich das anfühlt - und ich muss sagen, dass sich das ganz gut anfühlte. Wie ich schon sagte, plane ich das Songwriting nicht wirklich und so bin ich auch ganz glücklich über die Art, wie die Songs dieses Mal ihre Gestalt fanden. Ich wollte das neue Album ja sowieso etwas leichtfüßiger erscheinen lassen."

Welche Art von Musik hört sich der Musikfan Scott Matthew selber gerne an? "Ich höre mir verschiedene Sachen an", meint Scott nicht ganz unerwartet, "zu Hause tendie ich dazu, mir alte Vinyl-Scheiben anzuhören. Doris Day, Billie Holiday - ich bin ein großer Fan von John Denver - mag aber natürlich auch Bob Dylan. Aber natürlich mag ich auch kontemporäre Künstler. Ich mag zum Beispiel Antony Hagerty und meine Freundin Holly Miranda." Nun ja - weil Scott ja nun mal eher melancholische Musik macht, erwartet man irgendwo, dass er solche auch ausschließlich hört... "Und dass das die einzige Facette meiner Persönlichkeit ist, nicht wahr?", fragt er eher rhetorisch, "und das ist natürlich überhaupt nicht der Fall." So, wie Scott seine Arbeit darstellt, bezieht er seine Inspirationen wahrscheinlich eher aus seinem Umfeld, oder? "Ja, erfunden habe ich nicht wirklich etwas", bestätigt er, "es gibt wohl einige Ausschmückungen, aber generell kann man sagen, dass alles ziemlich autobiographisch ist. Das beste Beispiel ist wohl 'Felicity". Felicity ist eine Jugendfreundin, mit der ich aufwuchs. Meine Mutter rief mich an und schlug mir vor, Felicity einen Song für ihren Geburtstag zu schreiben, weil Felicity meine Musik mag und vielleicht sogar mein größter Fan ist. Das sollte eine ganz persönliche Sache sein. Aber die Leute - also jene aus meinem Freundeskreis - mochten den Song so sehr, dass er es auf das Album schaffte. Und dann gibt es noch den Song 'Sinking' - ein Song den ich ganz gewiss für jemanden ganz spezielles geschrieben habe. Und der erste Song des Albums handelt von jemandem, der ein Mal in meinem Leben gewesen ist. Damit will ich sagen, dass ich die Songs nicht unbedingt im hier und jetzt erleben muss." Wie führt Scott denn dermaßen persönliche Songs live auf? Robin Proper-Sheppard sagt zum Beispiel, dass er jedes Mal, wenn er einen seiner Songs vorträgt, dessen Geschichte durchleben muss. "Also, wenn ich es erst mal geschafft habe, im Takt zu bleiben und die richtigen Töne zu treffen, finde ich es sehr leicht, mich in meine Songs hineinzuversetzen. Ich würde aber nicht sagen, dass es notwendig ist, den Schmerz jedes Mal neu erleben zu müssen. Ich schaffe es aber ganz gut, eine Verbindung zu dem Song herzustellen - ohne jedes Mal die ganze emotionale Bandbreite durchleben zu müssen. Mir fällt das recht leicht und es macht mir sogar Freude."
Wie schreibt Scott seine Songs? Arbeitet er mit Deadlines? "Unglücklicherweise bin ich nicht besonders diszipliniert und ich bin auch nicht so ergiebig, wenn es um neue Songs geht. Ich würde gerne jede Woche einen Song schreiben - aber so funktioniert das nun mal nicht. Das ist ganz schön sporadisch und das macht mir ein wenig Angst, denn ich habe immer Angst, es möglicherweise nicht wieder zu schaffen. Ich bin ja auch kein ausgebildeter Musiker und nähere mich der Musik eher emotional als intellektuell. Ich kann also gar nicht analysieren, was ich da eigentlich tue. Es ist sogar ein wenig rätselhaft, wie das alles entsteht. Es ist also eine spontane Sache, würde ich sagen." Was war bei diesem Prozess die größte Herausforderung und was die erquicklichste Angelegenheit? "Die größte Herausforderung waren zweifelsohne die Chöre. Die Sänger zu finden, den Opernsänger einzubinden, die richtigen Tonlagen zu finden und das Ganze in einem begrenzten Zeitraum ans Laufen zu bekommen. Und das, was am meisten Freude bereitete, war den letzten Song, 'No Place Called Hell', aufzunehmen. Wir hatten gar kein Arrangement und es gab Zeitprobleme und so bat ich meine Musiker, Eugene Lemcio und Clara Kennedy, mir bei den Vocals behilflich zu sein und sie haben so eine Art 'Lala'-Harmonien kreiert, über die ich dann 'Mundtrompete' spielte. Dazu hat Eugene dann 'Mundposaune' gespielt. Das passierte alles ziemlich spontan." Und was war Scott selbst am Wichtigsten bei dieser Scheibe? "Ich glaube einfach der Umstand, dass ich sie überhaupt gemacht habe", lacht er, "das ist immer eine ziemliche Herausforderung und am Ende eine große Erleichterung, wenn es dann gepasst hat. Und ich denke, obwohl es im Prinzip immer noch auf meiner allgemeinen Linie liegt, glaube ich doch, dass es mir gelungen ist, das Ganze expandieren zu lassen - zum Beispiel, in dem wir mehr Gitarren verwendet haben als sonst und sogar ein Mal Drums - was ich vorher noch nie gemacht hatte." Warum eigentlich nicht? "Nun ich hatte da diese unausgesprochene Regel, dass ich keine Drums verwenden wollte, denn so sehe ich mich einfach nicht. Das ist ein wenig ein Prinzip, weil ich dahin strebe, möglichst pur sein zu wollen und das, was in meinem Verständnis am wenigsten pur ist, sind halt nun mal Drums." Wie handhabt Scott denn dann das Problem "Rhythmus"? "Der Bass und das Piano helfen mir da schon sehr", erklärt Scott, "es ist aber so, dass eigentlich nur Clara Kennedy klassisch ausgebildet ist - Eugene und ich sind es nicht. Es kommt dann eben auf den Instinkt an. Und wie du vielleicht hören kannst, haben wir da gewisse Probleme mit dem Timing - auch auf dem Album. Wir haben also unsere Mühe damit. Sogar mit einem Click-Track zu spielen, ist schwierig für uns. Aber je öfter wir das machen, desto konkreter wird die Sache und darauf müssen wir uns verlassen."

Nun - so lange sich das für den Hörer nicht unmittelbar niederschlägt, macht das ja eigentlich auch gar nichts. Wie Steve Wynn zum Beispiel gerne sagt: 'Perfektion ist nicht gut genug' - es macht Musiker ja auch immer ein wenig menschlicher, wenn sie zu ihren Imperfektionen stehen. Was würde Scott denn gerne machen, wenn er keinerlei Budget-Einschränkungen hätte? "Das ist eine schwere Frage", überlegt Scott, "weil wir aber immer mit Limitierungen und Einschränkungen arbeiten müssen, denke ich, dass, wenn mir jemand eine Million Dollars gäbe um Musik zu machen, ich das auch als Einschränkung betrachten würde. Davon aber mal abgesehen, würde ich vermutlich wundervolle Arten finden, das Geld einzusetzen und z.B. Arrangeure und Chöre und Orchester zu beschäftigen." Mit einem solchen Gedanken steht Scott ja gewiss nicht alleine da. Da es ihm auf "Gallantry's Favorite Son" aber auch gelungen ist, ohne eine Million Dollar dem angesprochenen Ergebnis recht nahe zu kommen, dürfen wir annehmen, dass er sich selbst treu geblieben ist und sich auch weiterhin treu bleiben wird. Solche Art von Konsistenz schätzt man dann auch als Fan in einem Musiker - unabhängig davon ob und wie sich der Musiker musikalisch weiterentwickelt.

Weitere Infos:
www.scottmatthewmusic.com
www.myspace.com/scottmatthewmusic
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Pressefreigabe-
Scott Matthew
Aktueller Tonträger:
Gallantry's Favorite Son
(Glitterhouse/Indigo)
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