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MARY LORSON AND THE SOUBRETTES
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I was so much older then...
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Rund zwanzig Jahre ist es her, dass die Amerikanerin Mary Lorson ihre musikalische Reise abseits der ausgetrampelten Pfade begonnen hat. Im Kern ist ihr Schaffen seitdem stets unverändert geblieben, dennoch hat die heute in Ithaca, New York, lebende und arbeitende Musikerin eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen. In den 90ern war sie die Sängerin und Gitarristin der Indierocker Madder Rose, einer Band, die trotz erfolgreicher Single-Ohrwürmer wie "Swim" oder "Car" und eines spannenden Backgrounds in der Künstlerszene von New York City nie die Erfolgsleiter hinaufkletterte, die viele ähnlich gestrickte College-Rock-Bands aus Amerika damals scheinbar mühelos erklommen. Im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends erfand sich Mary als Singer/Songwriterin mit ihrem betont künstlerischen, Piano-lastigen Art-Rock-Projekt Saint Low neu, arbeitete zusammen mit ihrem langjährigen Partner Billy Coté an Filmmusik und kollaborierte zuletzt mit Coté und Kathy Ziegler für das Projekt The Piano Creeps. "BurnBabyBurn", das bisweilen Richtung Country und Bluegrass deutende jüngst erschienene erste, in Deutschland derzeit leider nur digital zu bekommende Album ihrer neuen Band Mary Lorson And The Soubrettes ist nun Fortsetzung und Neuanfang zugleich.
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Interessanterweise ist es gerade ihre Beschäftigung mit vielen verschiedenen Kunstformen - zum Beispiel ihr Bühnenstück über das Leben der Vaudeville-Künstlerin Eva Tanguay, das sie bereits seit geraumer Zeit umtreibt -, die sie letztlich den Weg zurück zum Songwriting finden ließ. "Einer der Vorteile, eine Art Dilettantin zu sein, besteht darin, dass dich die Frustration, die du spürst, wenn du eine Idee in einem Medium auszudrücken versuchst, in dem du grün hinter den Ohren bist, zurück zu deinem ursprünglichen Medium treiben kann", verrät Mary. "Deshalb empfand ich es als sehr erleichternd, dass ich, wenn ich mir an einer Story oder etwas Ähnlichem die Zähne ausgebissen habe, zum Songwriting- und Aufnahme-Prozess zurückkehren konnte, was mir viel Freude bereitet hat und bei dem ich mich wohlfühle. Ich weiß, wie lange ich für gewöhnlich brauche, bis ich beim Songwriting am Ziel angekommen bin, während ich keine Vorstellung davon habe, wie viel Zeit ich benötige, bis zum Beispiel das Bühnenstück gut genug ist." Das bedeutet allerdings keinesfalls, dass sich Mary nicht auch beim Songwriting neue Herausforderungen sucht. "Ich versuche, stets etwas in die Texte einzubauen, das mir unheimlich ist, um dem Ganzen die gewisse Würze zu geben", erklärt sie. "Das kann ein Geständnis sein oder eine Beobachtung, und beides findet sich in den Texten des neuen Albums. Mit 'Little Debbie Cakes' lehne ich mich vermutlich am weitesten aus dem Fenster. Mir ist es immer wichtig, über kulturelle oder soziale Einflüsse zu schreiben, allerdings ohne erhobenen Zeigefinger, und hoffentlich bin ich mit 'Busboy' und 'Little Debbie Cakes' nicht zu weit gegangen."
Obwohl Mary ohne Frage immer noch viel zu sagen hat, überrascht es fast ein wenig, dass sie nun ein neues Album veröffentlicht. Bereits als "Realistic", das letzte Saint Low-Album, vor sechs Jahren erschien, hatten sich ihre Prioritäten deutlich verschoben. Das unbeschwerte Künstlerdasein hatte sie gegen Mutterrolle und Jobs in der richtigen Welt eingetauscht, ihre seltenen Konzerte spielte sie fast ausschließlich in ihrer Heimatstadt im Nordwesten des Staates New York. Was genau trieb sie nun zurück ins Aufnahmestudio? Die Antwort lautet: ihre neuen Mitstreiterinnen, The Soubrettes, namentlich Leah Houghtaling an Banjo/Tenorgitarre und Amelia Sauter am Kontrabass! "Als ich begann, mit Leah und Amelia zu arbeiten, hatte ich sofort das Gefühl, dass wir diesen Songs auf frische Art und Weise Leben würden einhauchen können, und das hat meine Entscheidung bestärkt, mich wieder an den Aufnahmeprozess heranzuwagen", erinnert sich Mary. "Die beiden sind unglaublich produktive und positiv eingestellte Menschen, und ich habe versucht, ihre 'Can do'-Geisteshaltung aufzusaugen."
Der Besetzung des Trios ist es auch geschuldet, dass viele Songs auf "BurnBabyBurn" hörbar anders klingen als alles, was Mary zuvor gemacht hat - im ersten Moment zumindest. Denn auch wenn nicht abzustreiten ist, dass die Reise dieses Mal weiter zurück, zu den Wurzeln des Americana-Sounds geht, und viele Songs mit Piano, Orgel, Banjo, Kontrabass und dreistimmigem Harmoniegesang in ein herrlich altmodisches Soundgewand gekleidet werden, bei dem das Schlagzeug praktisch komplett außen vor bleibt (die Richtung Ragtime deutende Nummer 'Little Debbie Cakes' ist ein Paradebeispiel dafür), rufen andere Stücke gerade nach mehrfachem Hören Marys alte Werke ein Erinnerung. Bei "Busboy" scheint ihre Liebe für den makellosen Radio-Pop der 70er durch, "The Only One #2" stünde auch Joni Mitchell gut zu Gesicht, und bei "Lately" greift sie auf die 60s-Soul-Einflüsse zurück, die sich schon zu Zeiten von Madder Rose immer wieder ihren Weg an die Oberfläche gebahnt hatten. Neu dagegen ist, dass Marys Stimme - "Dark and enchanting, Lorson's voice lingers in the room like the scent of a candle which has been blown out", schreibt zum Beispiel der Kritiker des New Yorker - mehr Raum erhält als je zuvor. "Alles in allem hatte ich das Verlangen nach etwas Leichterem, Organischerem in den grundlegenden Arrangements, um mehr Flexibilität bei der restlichen Instrumentierung zu haben", erklärt die Musikerin den hörbaren Richtungswechsel. Aber sieht sie die Veränderungen nicht als so gravierend an, wie sie für den Außenstehenden erscheinen mögen. "Nun, als Gäste hatte ich auch schon auf den Saint Low-Alben Banjo- und Slide-Spieler mit dabei, und ich liebe volle Harmonien", schränkt sie zunächst ein. "Aber es stimmt, ich habe es zugelassen, dass diese Elemente dieses Mal stärker in den Vordergrund treten. Zu der Musik, die ich liebe und die ich höre, zählt Country der 20er- bis 50er-Jahre genauso wie einige der unglaublichen Alt-Country-Künstler der Gegenwart. Ich war in den 80ern ein Anhänger von Uncle Tupelo, und sie haben den Weg geebnet, der zu Gillian Welch und The Avetts und so weiter führt. Billy Bragg & Wilco, der 'O Brother Where Art Thou'-Soundtrack - ich liebe das Zeug!"
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Die Hinwendung zu einem minimalistischeren Sound ist auch insofern interessant, als Mary bei Saint Low offen ihrer Liebe zu üppigen, detailverliebten Arrangements frönte. Da liegt die Vermutung nahe, dass es ihr einigermaßen schwergefallen sein dürfte, sich dieses Mal zurückzuhalten. Ist sie womöglich manchmal gar über das Ziel hinausgeschossen und musste zurückrudern? "Nun, zuerst hatte meine Band das Gefühl, ich hätte zu viel hinzugefügt!", gesteht sie. "Das Verlangen nach der bereits erwähnten leichteren Note rührte nicht zuletzt daher, dass ich erreichen wollte, dass Songwriting und Gesang prominentere Rollen eingeräumt würden. Es ist mir recht leichtgefallen, nicht mehr hinzuzufügen, denn die vollgestopften Arrangements meiner früheren Platten stammen aus einer Zeit, als ich noch keinen Vollzeit-Job neben der Musik hatte! Außerdem wollte ich einfach etwas anderes ausprobieren. Einer meiner Lieblingsaspekte beim Musikmachen ist es, die Puzzleteile eines jeden Tracks zusammenzusetzen, die vorhandenen Ideen auszubalancieren. Ich habe immer jede Menge Arrangement-Ideen, um die Stücke auszustaffieren, und in der Vergangenheit habe ich das vielleicht ein wenig übertrieben. Beim neuen Projekt war es mein Ziel, die Transparenz zu wahren. Die Beiträge der Gäste wurden alle in einer einzigen Session aufgenommen, was ohne Frage einfacher war, als - wie in der Vergangenheit - ein Streicher-Ensemble zusammenzustellen und die Parts dafür zu schreiben. Stattdessen habe ich dieses Mal mehr Zeit und Mühe für das Hinzufügen meiner eigenen Overdubs verwendet." Das klingt ein wenig so, als gäbe es - passend zum Bandnamen, schließlich steht der Begriff in der Theatersprache für die Kammerzofe - keine echte Demokratie bei Mary Lorson And The Soubrettes. "Der Prozess ist ein gemeinschaftlicher, aber wir bezeichnen ihn nicht als Demokratie", erklärt die Vordenkerin der Band. "Letzten Endes habe ich ein Vetorecht, denn ich bin ja die Komponistin, aber Leah und Amelia arbeiten in der Regel ihre eigenen Parts aus - und in den Proben arbeiten wir gemeinsam an der Feineinstellung."
So kommt es, dass "BurnBabyBurn" trotz aller Neuerungen im Kern dennoch genau das offenbart, was Marys alte Platten zu solchen Rohdiamanten gemacht hatte, die eine kleine, dafür aber sehr treue Fangemeinde so sehr schätzt: das emotionale Tauziehen, das der englische Autor Adrian Pannett treffend als "wrestling with both the weight of experience and wide-eyed innocence" beschreibt. "Ich war auf gewisse Weise 'alt' als junger Mensch. Ich kam immer gut mit Erwachsenen aus und hatte ältere Freunde", erinnert sich Mary."Nun bin ich gewissermaßen ein 'junger' älterer Mensch. Ich werde natürlich nicht jünger, aber innen drin fühle ich mich, als wäre ich 19. Ich kann es nicht fassen, wenn Leute korrupt oder unehrlich oder kalt sind, ich bin immer voller Hoffnung und erstaunt über die Schönheit der Welt. Ich bin dankbar für jeden neuen Tag, ich bin aber auch oft verstört. Allerdings habe ich nun schon eine Weile gelebt und einige große Verluste hinnehmen müssen, die mich im Innern empfindsamer gemacht haben. "Vermutlich ist genau das der Grund, warum Mary Lorson auch zwei Jahrzehnte nach ihrem Debüt immer noch so wundervoll authentische Platten macht wie "BurnBabyBurn."
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Weitere Infos:
marylorson.com
marylorsonandthesoubrettes.bandcamp.com www.myspace.com/marylorson
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Interview: -Carsten Wohlfeld- Fotos: -Jennie Lowe Stearns-
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Aktueller Tonträger: BurnBabyBurn (Jane Dog Songs/Import)
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