GL.de: Mit Nigel Rolfe hat ein alter Bekannter das Artwork des neuen Albums gestaltet, der auch schon für die Cover von "Troublegum" und "Suicide Pact - You First" verantwortlich zeichnete. Wie kam es zu der erneuten Zusammenarbeit?
Andy: Wir hatten ihn eine Weile nicht gesehen, weil er sehr beschäftigt ist, aber er besuchte letztes Jahr unsere Show in Dublin und wir hatten nach dem Konzert ein wirklich nettes Gespräch. Er sagte, dass er Interesse habe, wieder mit uns zusammenzuarbeiten. Das hat uns sehr gefreut, denn viele junge Grafiker machen heute oft nicht mehr, als den Albumtitel durch Google zu jagen, das erstbeste Bild herunterzuladen und zu sagen: "Wird schon passen!" Nigel dagegen bat uns, ihm die Musik und die Texte der Platte zu schicken. Das taten wir, mit dem Hinweis, dass der Song "Before You, With You, After You" inspiriert wurde von Samuel Becketts "How It Is". Darin wird der Kampf des täglichen Lebens mit dem Kriechen durch einen Sumpf verglichen. Daraufhin erwähnte er, dass er diese tollen Fotos in Derry gemacht hatte. Er verstand nicht nur sofort, worum es uns ging, er hatte auch gleich die passenden Bilder parat!
GL.de: Angesichts der Tatsache, dass ihr letztes Jahr viel Zeit damit verbracht habt, das komplette "Troublegum"-Album live zu spielen, hätten einige eurer Anhänger nun sicher ein Album erwartet, auf dem sich diese Erfahrung deutlich bemerkbar macht. Das Gegenteil ist allerdings der Fall!
Andy: Nun, viele der Songs des neuen Albums hatten wir bereits geschrieben, bevor es mit den "Troublegum"-Shows losging, und damals stand bereits auch fest, in welche Richtung sich diese Platte bewegen sollte. Ich möchte allerdings nicht ausschließen, dass die Konzerte ihre Spuren auf zukünftigen Platten hinterlassen werden. Wir haben nämlich schon wieder neue Songs geschrieben, und dabei ist uns aufgefallen, dass kurze, melodische Songs immer noch sehr gut zu uns passen.
GL.de: Neben einer Reihe dunkel-rhythmischer Songs finden sich mit dem Instrumental-Stück "Marlow" und der Schlussnummer "Ecclesiastes" auch zwei sehr Therapy?-untypische Songs auf der Platte. Ist der Wille zum Experiment ein Ergebnis der Langlebigkeit der Band?
Andy: Nun, wir hatten ja immer schon ausgefallene Sachen auf unseren Platten. Denk nur mal an das Saxofon und den Free Jazz gleich auf unserer ersten, "Babyteeth". Allerdings gab es eine Phase, ungefähr ab 2003 bis zur Veröffentlichung von "Crooked Timber" 2009, in der wir ein bisschen zu sehr auf Nummer sicher gegangen sind und uns zu sehr auf Alternative Rock und nichts anderes gestürzt haben. Mit "Crooked Timber" haben wir dann die Entscheidung getroffen, wieder wie Therapy? zu klingen, wenn man das so sagen kann, und deshalb sind Stücke wie "Marlow" und "Ecclesiastes" auch nur Teil der Abenteuerlust, die wir seit jeher verspüren.
GL.de: Fällt es euch deshalb auch nach all den Jahren immer noch leicht, schnell einen gemeinsamen Nenner zu finden?
Andy: Wir waren immer schon eine sehr demokratische Band. Ich mag derzeit eine Menge düstere, elektronische, oft hypnotische Musik. Michael mag vor allem beinharten Black Metal und Neil hat eine Vorliebe für rifflastigen, groovenden Metal und Punk. Bei "Plague Bell" vom neuen Album war es zum Beispiel so, dass ich einen 4/4-Beat im Kopf hatte, aber Neil war das viel zu simpel, also spielte er diesen an Mastodon erinnernden Schlagzeug-Part und Michael steuerte eine dieser elastischen Black-Sabbath-Basslines bei. Auf meinem ursprünglichen Demo ging die Nummer fast schon Richtung Techno, unter Beteiligung der anderen beiden wurde auf der Platte daraus Black-Flag-meets-Slint!
GL.de: Diskutiert ihr viel über die Ideen, die jeder Einzelne von euch einbringt?
Andy: Als uns Graham Hopkins 2001 verließ und Neil zu uns stieß, setzten wir uns zusammen und beschlossen, dass wir uns ab sofort frei heraus ins Gesicht sagen würden, wenn uns etwas nicht passt. Das war unsere Reaktion auf all die Bandmitglieder, die zuvor gekommen und gegangen waren. Zuvor hatten wir einfach nie besonders gut miteinander kommuniziert. Seitdem lautet die Regel: Wenn jemand eine Songidee vorstellt und die anderen beiden mögen sie nicht, dann stellen wir sie zurück! Diese Herangehensweise macht es nicht immer einfacher, aber auf lange Sicht vieles besser! Das ist auch der Grund, warum die aktuelle Besetzung jetzt schon so lange zusammenspielt.
GL.de: Darf man für die im März in Hamburg, Köln, Berlin und München anstehenden Konzerte davon ausgehen, dass ihr euch nach den eingangs erwähnten "Troublegum"-Shows" des letzten Jahres nun besonders auf die neuen Songs stürzen werdet?
Andy: Es kommt ein wenig darauf an, wo wir spielen und wie lange wir auf der Bühne stehen dürfen. Erst letzte Woche waren wir zum Beispiel zum ersten Mal seit rund zehn Jahren wieder in Spanien. Wir hatten 90 Minuten Zeit, deshalb war für sechs oder sieben "Troublegum"-Songs Platz. Bei den kommenden Konzerten in Deutschland werden wir - ähnlich wie auf der Tour nach der Veröffentlichung von "Crooked Timber" - vermutlich fast alle, vielleicht sogar wirklich sämtliche Songs des neuen Albums spielen und dazu eine Menge Stücke, die musikalisch gut dazu passen.