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NADA SURF
 
Niemals erwachsen
Nada Surf
Nach nunmehr zwanzig Jahren Bandgeschichte, sieben Studioalben und den zumindest bei zwei Bandmitgliedern mittlerweile sichtbar grauen Haaren können die New Yorker Indie-Rocker Nada Surf ihren Erfahrungsschatz sowie die optischen Zeichen des Älterwerdens nicht verstecken. Stattdessen gehen sie in die Offensive und kehren musikalisch die jugendliche Rebellion und Spontaneität heraus, die sie in all der Zeit stets bei sich im Herzen getragen haben. Was dabei herausgekommen ist, findet sich auf ihrem neuesten Werk "The Stars Are Indifferent To Astronomy" wieder. Eines ist sicher, der Band steht auch im mittleren Alter nicht der Sinn nach weichgespülten Soft-Rock-Songs. Viel lieber greifen Nada Surf eine ihrer größten Stärken auf und orientieren sich auf den neuen Songs an ihrem packenden und furchtlosen Live-Sound. Wir sprachen mit Schlagzeuger Ira Elliot darüber, wie es ist, in die Jahre zu kommen, eine musikalische Frischzellenkur über sich ergehen zu lassen und mit neuen Songs an alte Zeiten anzuknüpfen.
GL.de: Hallo, und guten Appetit!

Danke, ich esse gerade etwas ganz Exotisches: Erdnussflips! In Deutschland kennt das jeder, aber in Amerika sind die Dinger völlig unbekannt. Ich arbeite gerade an einer Strategie, um Erdnussflips nach Amerika zu importieren und damit einen Haufen Kohle zu machen. Ich könnte sie bei unseren Shows verkaufen - gleich neben den T-Shirts und unseren Platten. Vor einer Weile hatte ich so einen Heißhunger, dass ich mir sogar ein paar Tüten über Amazon bestellt habe! Meine Hoffnung ist es, dass unsere Fans Wind von meiner Leidenschaft bekommen und ich nach der Tour mit Unmengen an Erdnussflips-Tüten nach Hause fahre. Das wäre fantastisch! Du musst das unbedingt in deinem Artikel erwähnen (lacht).

GL.de: War euer Cover-Album "If I Had A Hi-Fi" rückblickend betrachtet ein notwendiger Zwischenschritt, um euch in die Arbeit für “The Stars Are Indifferent To Astronomy” stürzen zu können?

Ich glaube, dass dieser Schritt notwendig war, damit wir uns wieder auf unser eigenes Material konzentrieren konnten. Die ursprüngliche Idee war es, eine Reihe von Cover-Songs aufzunehmen, sie unter relativ simplen Bedingungen einzuspielen und die Platte ohne großes Aufsehen herauszubringen. Letztendlich kam dann aber alles ganz anders. Wir haben uns lange an den Songs aufgehalten und uns finanziell weiter aus dem Fenster gelehnt als beabsichtigt. Diese Erfahrungen haben uns dazu gebracht, unser jetziges Album "The Stars Are Indifferent To Astronomy" sehr viel schneller einzuspielen. Wir wollten nicht schon wieder so lange im Studio sitzen und so probten wir also ein paar Wochen lang die neuen Songs und hatten dann exakt eine Woche Zeit, um alles aufzunehmen. Es ist ein schönes Gefühl, Songs, die einem im Kopf herumschwirren, so schnell aufzunehmen und die Dinge nicht unnötig kompliziert zu machen.

GL.de: Auf eurem neuen Album gibt es einige Referenzpunkte, die um Faktoren wie die Zeit und das Alter kreisen. Bleibt man als Musiker automatisch jung?

Absolut! Dem stimme ich voll und ganz zu. Ich bin jetzt 48 Jahre alt, aber die meisten Leute schätzen mich jünger ein. Vielleicht liegt es daran, dass ich der Drummer einer Rock-Band bin und genau das mache, was ich schon als 14- oder 15-Jähriger machen wollte. Das hält mich jung und tief in mir drinnen wartet der 15-jährige Ira auf sein tägliches Workout am Schlagzeug. Wenn man jeden Tag das macht, was einen so sehr erfüllt und damit seinen Lebenstraum wahr macht, dann hat man allen Grund dazu, sich lebendig und damit auch jung zu fühlen. Manche Kinder wollen Cowboys oder Astronauten werden, ich wollte immer Schlagzeuger sein. Ich bin also der Astronaut unter den Musikern! Ich kann jeden Tag mit einem guten Gefühl aufstehen und das tun, was ich liebe. Meine einzige Sorge ist die Musik und das ist im Verhältnis zu vielen anderen Berufen wie ein Teenager-Problem. Das Album greift diese Thematik des Jungseins an einigen Stellen auf, weil wir als Band ständig durch das gemeinsame Musizieren die Zeit zurückzudrehen. Wenn man jung ist, stehen einem alle Türen offen. Innerhalb der Band fühlt es sich ganz ähnlich an, weil wir mit jedem neuen Album einen weiteren Schritt wagen und sich viele Möglichkeiten vor unseren Augen auftun. Gleichzeitig klammern wir aber das Erwachsensein nicht völlig aus, denn wir sind alle in einem Alter, wo Kinder und Hochzeiten eine Rolle spielen.

GL.de: Wie warst du denn so als 15-jähriger Junge?

Ich war genau der gleiche Typ, der ich heute bin. Es gibt wirklich überhaupt keinen Unterschied zu meinem jetzigen Ich, auch wenn viele Jahre dazwischen liegen. Okay, der Bart war damals nicht da, aber ansonsten habe ich mich als Person nicht sonderlich verändert. Natürlich bin ich emotional reifer geworden. Meine Einstellung zum Leben und den meisten Dingen ist aber gleich geblieben. Meiner Meinung nach verändern sich die Menschen nicht so sehr. Ich treffe heute noch Freunde aus meiner High School Zeit und stelle fest, dass ihre Persönlichkeiten denen von damals noch sehr ähneln. Warst du damals eher ernsthaft, bist du es heute vermutlich auch noch. Warst du ein Klassenclown, dann hast du dir sicherlich auch im späteren Leben etwas davon bewahrt. Die größte Veränderung wird wahrscheinlich hervorgerufen, wenn man eine Beziehung mit jemanden eingeht. Dann muss man lernen, auf andere Wünsche einzugehen und kann nicht mehr selbstlos durch's Leben gehen. Die meisten Menschen kennen sich selbst recht gut, doch das ändert sich, wenn plötzlich ein Mensch an deiner Seite ist und du dich nicht nur um die selbst kümmern kannst. Das kann einem auch niemand beibringen, weil es einfach kein Rezept dafür gibt.

GL.de: Wenn du dir etwas aus deiner Jugend bewahren könntest, was wäre das?

Meine Haare! Ich fangen schon an Haare zu verlieren, obwohl ich mich noch ziemlich gut gehalten habe. Vielleicht würde ich mir auch die Eigenschaft bewahren wollen, dass alles viel schneller verheilt, wenn man jung ist. Ein Kratzer war nach zwei Tagen weg. Wenn ich mich jetzt schneide, dauert es einen Monat bis alles verheilt ist. Ich kann meinen Körper noch so sehr anschreien, dass er sich nicht so haben soll und er wenigstens vorgeben könnte, noch jung zu sein, aber es hilft alles nichts. Wenn er nicht will, dann will er nicht. Außerdem geht man als Mann in der Mitte des Körpers immer mehr auf, der Nacken wird breiter und plötzlich ist man ein Mann im mittleren Alter, der einen doch stark an seinen eigenen Vater erinnert. Ich habe dieses Problem zum Glück noch nicht, aber ich sehe meinem Vater ohnehin schon sehr ähnlich. Dafür muss ich nicht in die Breite gehen.

GL.de: Gibt es Situationen, in denen du vergisst, dass du schon längst erwachsen bist und dich auch so verhalten solltest?

Ich fühle mich wirklich nie als Erwachsener. Es ist eher so, dass ich mich ab und an daran erinnern muss, weil ansonsten ständig das Kind in mir die Oberhand hätte. Ich bin vor kurzem Vater geworden. Das sind Dinge im Leben, die einen spüren lassen, dass man nicht mehr ganz so jung ist. Als ich mein Kind das erste Mal im Arm hielt, ist mir bewusst geworden, dass ich es jetzt mit einem neuen Lebensabschnitt zu tun habe. Ich war in der Vergangenheit zwei Mal verheiratet, was auch ein einschneidendes Erlebnis ist, aber trotzdem auf einem ganz anderen Level Auswirkungen auf dich hat. Jetzt bin ich Vater und kann nicht mehr so selbstlos nur meine eigenen Interessen verfolgen. Das fällt mir aber erstaunlich leicht und ich weiß, dass ich imstande bin, für einen anderen Menschen zu sorgen. Außerdem ist die Band gerade an einem Punkt, an dem ich mir keine Sorgen machen muss. Trotz der offensichtlichen Probleme der Musikindustrie fühlen wir uns momentan wie von einem Sicherheitsnetz umgeben. Wir haben die letzten zehn bis fünfzehn Jahre hart gearbeitet und das macht sich nun bezahlt.

GL.de: Was habt ihr bei den Aufnahmen für "The Stars Are Indifferent To Astronomy" dieses Mal verändert, um die gewünschte Spontaneität zu erzeugen, die euch vorschwebte?

Wir haben in Daniels Apartment geprobt und die Basic Tracks und vor allem das Schlagzeug dann in einem benachbarten Studio aufgenommen, was wirklich sehr gut funktioniert hat. Wir haben alles innerhalb von nur einer Woche geschafft. Das Timing hätte nicht besser sein können, denn ich hatte meine Parts gerade ein paar Tage zuvor eingespielt und mehr oder weniger meinen Teil zum Album beigetragen, als meine Tochter geboren wurde. Daniel und Matthew haben also die folgenden zwei, drei Wochen an den Arrangements gearbeitet und die Feinabstimmung vorgenommen, was Keyboards und Bläser etc. anging.

GL.de: Es ist euch bei den neuen Songs gelungen, die Live-Atmosphäre eurer Shows verstärkt einzufangen, aber habt ihr herausgefunden, warum diese auf euren anderen Alben bisher nie so ganz zutragen kam?

Ich habe keine Erklärung dafür, warum unsere bisherigen Alben in Sachen freigesetzter Energie nie ganz an unsere Shows herangekommen sind. Wir wollten dieses Mal alles sehr spontan halten und darum auch schnell abwickeln, um diesen Reiz zu verstärken. Uns war von Anfang an bewusst, dass wir mehr von dieser energischen Seite zeigen wollten. Das hat aber auch nur so gut geklappt, weil wir uns in Daniels Apartment so wohlgefühlt haben und die ersten Songentwürfe auch dahin tendierten, das Tempo anzuziehen. Das Debütalbum von The Soft Pack hat uns noch einmal vor Augen gehalten, dass es unglaublich viel Spaß machen kann, die Ausgelassenheit der Songs auch auf die Aufnahmen zu übertragen. Es war fast wie beim Boxen, wo jeder Schlag sitzt.

GL.de: In eurem Fall ist das Album mit Blick auf die Uhr zwar ein Schnellschuss, was sich aber durchaus positiv auf das Resultat ausgewirkt hat.

Ja, das sehe ich genauso. Wir hatten bei den vorherigen Alben das Glück, uns viel mehr Zeit lassen zu können. Dieses Mal wollten wir aber einen strikten Plan und Deadlines haben. Das heißt aber nicht, dass wir nur die Uhr im Auge hatten, denn für uns steht nach wie vor das Wohl der Songs im Vordergrund. Hätten wir das Gefühl gehabt, nicht vollends zufrieden zu sein, hätten wir eben noch ein paar Wochen länger daran gearbeitet. Normalerweise leben wir zwei bis drei Wochen lang in einem Studio, wenn wir ein Album aufnehmen. Dieses Mal sind wir nicht nach Seattle oder San Francisco gefahren, sondern haben in einer bekannten Umgebung die Songs aus dem Ärmel geschüttelt. "Looking Through", zum Beispiel, ist in nur einem Take entstanden. Es hat sich also gelohnt, vorher so viel zu proben. Ich mochte es sehr, mich für eine kurze Zeit so sehr auf etwas zu konzentrieren. Der Unterschied zu unserer ersten Platte war jedoch, dass wir die Songs nicht monatelang vorher einem Publikum vorgespielt haben, sondern sie nur für uns im kleinen Kreis entstanden sind.

Nada Surf
GL.de: Wie viel Zeit widmest du nach all den Jahren noch dem Schlagzeugspiel, um dich zu verbessern oder neue Dinge zu lernen?

Ich verbringe mehr Zeit denn je damit, mich mit meinem Schlagzeugspiel auseinanderzusetzen und sehe alles mittlerweile auch etwas ernster als damals. Da habe ich mich einfach hinter das Schlagzeug geschwungen und losgelegt. Mein ganzes Leben lang habe ich fast nichts anderes getan, weswegen es sich so natürlich für mich anfühlt, aber gleichzeitig habe ich auch gemerkt, dass ich seit geraumer Zeit mehr harte Arbeit hineinstecke als vorher. Damals habe ich einfach viel in Bands gespielt und bin dadurch automatisch besser geworden, was die technische Seite betrifft. Heute gibt es aber auch Phasen, in denen ich andere Sachen mache, die einem nicht das typische Spiel abverlangen, das man seit Jahrzehnten kennt. Ich spiele nebenbei noch in einer Beatles Cover-Band namens Bambi Kino, die mich ganz anders fordert. Ich kann mich nach wie vor nicht mit einem Buch hinsetzen und so etwas Neues dazulernen. Dann lege ich lieber eine Led Zeppelin- oder Rolling Stones-Platte auf und hole mir da Inspiration.

GL.de: Deine Nachbarn sind vermutlich von deinem Tatendrang begeistert, oder?

Ich habe jetzt einen eigenen Proberaum in New York, in den ich mich wie bei einem Workout im Fitnessstudio ein paar Mal pro Woche zurückziehe, um drauflos zu spielen. Mir ist es wichtig, dass ich nicht nutzlos herumsitze und in der Zeit, wo wir nicht auf Tour sind oder an Songs arbeiten, überhaupt nichts für mich und mein Spiel tue. Es ist wichtig, sich immer wieder neu herauszufordern und auf Trab zu halten. Man kann noch so viel Talent haben, aber ohne regelmäßiges Proben geht es eben nicht. Ich will kein Jazz-Drummer sein und die wildesten Techniken beherrschen, sondern mich auf dem Gebiet der Rock Musik weiterbilden. Manchmal sitze ich da und prügel stundenlang auf mein Schlagzeug ein, weil ich ganze Foo Fighters- oder Green Day-Alben bei voller Lautstärke mitspiele. Es gibt nichts Schöneres, als sich beim Spiel zu verausgaben und trotzdem Spaß dabei zu haben. Beim Joggen hätte ich nicht annähernd das gleiche Gefühl. Da müsste ich schon auf meinen Fahrrad die Straße rauf und runter rasen, wenn ich mich auf den Weg ins Studio mache.

GL.de: Danke für das Gespräch!

Ich danke auch. So, und jetzt bestehe ich darauf, dass du auch einen von den Erdnussflips isst. Greif zu!

Weitere Infos:
www.nadasurf.com
www.myspace.com/nadasurf
www.facebook.com/NadaSurf
twitter.com/nadasurf
Interview: -Annett Bonkowski-
Fotos: -Pressefreigaben-
Nada Surf
Aktueller Tonträger:
The Stars Are Indifferent To Astronomy
(City Slang/Universal)
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