GL.de: Daniel, Glückwünsche zu diesem Album! Ich habe nur enthusiastische Reaktionen gelesen oder mitbekommen. Mit einer einzigen Ausnahme. Ein Freund schrieb, ihr seiet nicht glaubwürdig, denn ihr würdet "für die Plattenfirma leiden".
Das ist nur eine Einzelmeinung. Und außerdem totaler Bullshit! Wir schreiben niemals für irgendjemand anderen als uns selbst. Was ich schreibe, muss mir und der Band gefallen. (in scharfem Ton) Das ist und bleibt das einzige Kriterium!
GL.de: Ich freue mich wirklich, dass Anathema so quicklebendig und präsent ist! Als ich euch vor vielen Jahren auf dem ProgPower Europe Festival erlebte - du hattest auf offener Bühne Streit mit deinem Bruder Vincent -, sah die Zukunft nicht so strahlend aus...
Das ist die zweite negative Frage - noch so eine und ich breche das hier ab!
GL.de: Ist es korrekt, dass die vier Songs vom aktuellen Album, die Wetter-Themen auch im Namen tragen, schon seit den "We're Here"-Sessions fertig waren?
Das ist so. Im Wesentlichen existierten sie seit dem. Obwohl wir sie teils noch verändert und alle neu aufgenommen haben. Zum Beispiel "Storm Before The Calm" hat einen ganz neuen Refrain bekommen. "Sunlight" wurde sogar erstmals aufgenommen, das hatten wir nur früher schon komponiert.
GL.de: Auf "Sunlight" hast mal du den Gesang übernommen - ausgesprochen gut wie ich finde. Wie kam's dazu?
Nun, ich hab es halt einfach probiert! Die Idee kam von Vincent.
GL.de: Wie wurden die Gesangsparts generell bei diesem Album aufgeteilt?
Tatsächlich endgültig erst im Prozess des Aufnehmens. Ehrlich gesagt passiert es durchaus, dass ich ein Stück entwerfe und dabei Vincent als Sänger im Kopf habe. Und wenn Lee (Douglas) es dann singt, ist es "passender", richtiger. Genau so war es bei "Untouchable": Das war für Vincent gedacht, wurde von Lee gesungen und schließlich hatte unser Produzent die Idee, Vincent Part 1 und Lee Part 2 singen zu lassen - das machte es perfekt. Letzlich glaube ich, dass die Musik diese Dinge letztlich selbst bestimmt. Ein guter Producer hilft aber auch (lacht leise).
GL.de: Lee scheint von Album zu Album besser zu werden. Was hat dieses Talent vor Anathema gemacht?
Sie hat in mehreren lokalen Bands gesungen und ist auch jetzt noch in einer Coverband in Liverpool mit ihrem Freund.
GL.de: Meist lieben Künstler ihr aktuelles Brain Child ja am allermeisten. Ganz persönlich liebe ich "Weather Systems", finde aber, dass Teile von "Falling Deeper" noch grandiosere Traurigkeit verströmen. Ja, und "Alternative 4" auch, die ultimative in Musik sublimierte Verzweiflung.
Ich denke, dass du hörst, was du hören willst. Viele Menschen, mit denen ich spreche, finden unsere Musik überhaupt nicht traurig. Dass du sie so traurig findest, verrät mehr über dich als über die Musik!
GL.de: Wenn eure Alben wirklich Kinder wären, wie würdest du für sie empfinden?
Das ist wirklich schwer zu sagen, weil ich nie Kinder hatte. Ich liebe unsere Alben, besonders die letzten beiden, weil sie sich so gut entwickelt haben. "We're Here" wegen Vincents Performance und Steven Wilsons Mix. Und in der Tat liebe ich "Weather Systems" derzeit am meisten. Aber nicht weil es das jüngste ist, sondern wegen der großartigen Arbeit mit Christer-Andre Cederberg (Producer).
GL.de: Anathema hat sich bekanntlich über die Jahre unglaublich verändert. Hörst du dir die "Heavy"-Alben noch jemals selber an?
Nein, nicht wirklich. Tatsächlich gibt es genau einen alten Song, den ich mir noch gebe: "Dreaming The Romance", ein langes, Ambient-artiges Keyboardstück, das ich immer noch sehr mag.
GL.de: "The Storm Before The Calm" stammt von John Douglas und weicht in Stimmung und Komposition stark vom Rest des Albums ab. Bekommen wir in Zukunft mehr aus seiner Feder zu hören?
Ja, denn er ist ein talentierter Songwriter. Das ist ja seit "Judgement" mittlerweile schon eine kleine Serie von Johns besten Songs auf Anathema-Alben.