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BRIGITTE
 
Verzweifelte Heldinnen
Brigitte
Wer sich in Frankreich "Brigitte" nennt, tut das natürlich nicht ohne Hintergedanken, denn wenn es dortselbst einen Namen gibt, der sogleich mit zahlreichen Assoziationen verknüpft ist (allen voran natürlich mit der Bardot), dann ist das eben Brigitte. Trotzdem ist hier nichts so, wie es zunächst den Anschein hat: "Brigitte" ist in dem Fall keine Person, sondern ein Duo, das aus Aurélie Saada und Sylvie Hoarau besteht. Ihr in Frankreich gefeiertes Debut-Album heißt "Et vous, tu m'aimes?" (Und sie, liebst du mich?) und die Damen bestehen darauf, bei ihren exaltierten Live-Shows mit zwei (künstlichen) Ziegen aufzutreten. So ganz normal ist das alles also nicht.
Das gilt auch für die Musik des Duos, in der wirklich alles, was die französische Popmusik in den letzten 30 Jahren auszeichnete, irgendwie verbraten wird - vom Ye Ye über Gainsbourg-Chic bis zu Les Rita Mitsouko-Wahnsinn und Nouvelle Vague-Charme. Chanson hingegen gibt es nur in homöopathischen Dosen - dafür aber Harmoniegesang jenseits von Gut und Böse. Und dazu haarsträubend komische Texte voller Wortwitz und eindeutig zweideutiger Szenarien. Bevor sich Aurélie und Sylvie zusammen schlossen, versuchten es beide zunächst alleine - Aurélie als Schauspielerin und Musikerin unter dem Künstlernamen Mayane Delem und Sylvie in der Band Vendetta. Wie kam es dann aber zum Zwei-Frauen-Kulturenclash? "Nun, wir sind beides Musikerinnen und wohnen in der selben Gegend - am Pigalle, unter dem Montmartre", berichtet Sylvie, "jede hat zunächst mal in ihrer Ecke vor sich hingewerkelt - aber wir kannten uns, sind uns begegnet, haben gegenseitig unsere Konzerte besucht und schließlich haben wir auf Aurelies zweitem Album auch erstmals zusammen gearbeitet. Ich habe auf diesem Album Musik zu einigen ihrer Texte gemacht. Das war ein wenig der Ursprung von Brigitte. Das war bereits 2006 und schon damals war es Liebe auf den ersten Blick. Ich habe zum Beispiel einen Fehler in einem Text gehört und als wir dann den Song spielten, hat sie gesagt, dass sie den Text noch umschreiben wolle. Wir haben uns also verstanden, ohne etwas sagen zu müssen. Aber: Es gab damals noch kein gemeinsames Projekt: Aurélie hat ihre Scheibe gemacht und ich hatte meine Band - und ich bekam zu dieser Zeit mein zweites Kind. Also hat jede ihr eigenes Leben gelebt - aber das hat dann überhaupt nicht geklappt. Mein Album ist gar nicht rausgekommen und Aurélie hat ihres selbst verlegen müssen. Wir haben alles alleine versucht - Konzerte, Promo und so - aber es war einfach zu schwierig. Schließlich hat Aurélie endlich vorgeschlagen, etwas zusammen zu machen. Und ich habe sofort ja gesagt."

Was können Aurélie und Sylvie denn besser zusammen machen als alleine? "Fast alles", meint Aurélie sehr bestimmt, "natürlich kann man alles alleine machen - aber zusammen ist es einfach besser. Wir sind zusammen stärker, wir sind weiblicher, wir sind begeisterter, wir sind tiefgründiger und wir können wir selbst sein, wenn wir zusammen sind." Und warum muss das ausgerechnet "Brigitte" heißen und nicht zum Beispiel "Aurélie" und/oder "Sylvie"? "Weil das ja nichts bedeutet hätte", meint Aurélie. "Wir haben natürlich sorgsam einen Namen gesucht", führt Sylvie aus, "denn zunächst haben wir unsere Sachen ja mal auf MySpace eingestellt. Wir haben uns deswegen entschlossen, einen Vornamen für zwei Frauen zu wählen, weil wir zusammen singen wie eine. Und es gibt keine anderen Gruppen in Frankreich, bei denen zwei Frauen zusammen singen. Das war und ist die Basis für uns. Das ist etwa also etwas Seltenes. Und deswegen der Einzelname für zwei Stimmen. Und dann haben wir darüber nachgedacht, welche Frauen denn besonders für diesen Freiheitsgedanken stehen, den wir selbst auch vertreten, Und da sind wir schnell bei Brigitte gelandet - Brigitte Bardot, Brigitte Lahaye (die Porno-Darstellerin) oder Brigitte Fontaine, die Musikerin und Schriftstellerin. Und letztlich ist das in Frankreich ein sehr gebräuchlicher Name."

Ist es wichtig für Brigitte, diese Assoziation mit der französischen Kultur zu haben? Nicht wenige französische Acts geben sich ja gerne international. "Sicher, wir sind Französisch", sagt Aurélie, "wir haben kein Problem damit. Wir wollen wirklich nicht international sein. Deshalb ist es auch so wichtig für uns, auf Französisch zu singen. Wir hätten ja nicht die Möglichkeit, mit der Sprache so subtil umzugehen, wie uns das im Französischen möglich ist. Dort können wir Straßenslang, altes Französisch, Alltagssprache und Wortspielerein mischen, wie es uns gefällt. Das wäre uns etwa im Englischen gar nicht möglich." Und wie stellt sich das musikalisch dar? "Wir mischen das, was wir mögen und womit wir aufgewachsen sind", erklärt Aurélie, "da sind natürlich auch amerikanische Sachen dabei, aber wir lieben eben französische Sachen wie Michel Polnareff, Veronique Sanson, Gainsbourg, Juliette Greco, Boris Vian - sozusagen neben Velvet Underground, den Kinks, Donna Summer, Michael Jackson oder den Beatles. Und afrikanische Musik." "Das ist auch alles unsere Kultur", wirft Sylvie ein. Bei all dem ist die Musik von Brigitte aber nicht wirklich ein musikhistorischer Gebrauchtwarenladen, denn das kommt alles nicht retro, sondern ziemlich zeitlos wenn nicht sogar hip daher. "Ich habe neulich einen Musiker aus Los Angeles getroffen", erzählt Aurélie, "der ist zwar sehr gut, aber total auf Nostalgie eingestellt. Er kleidet und gibt sich wie jemand aus dem Kalifornien der 60er Jahre. Der spielt nicht nur dieselbe Musik wie damals, sondern der lebt auch so. Das ist bei uns nicht so. Wir sind nicht nostalgisch oder retro. Wir möchten alles - jetzt. Wir möchten nicht wählen müssen."

Worum geht es denn bei den Geschichten, die Brigitte in ihren Texten erzählen? Es scheint ja fast so, als würde hier eine Galerie von Heldinnen des Alltags gefeiert. "Ja, aber verzweifelte Heldinnen", schränkt Aurélie ein, "verzweifelte, aber starke Frauen, genau gesagt. Die Basis unserer Geschichten ist immer die Liebe. Wir singen in 'Battez vous' ('Prügelt euch!') von Frauen, die verzweifelt sind und ihr Leben ändern wollen, die aber möchten, dass die Männer um sie kämpfen. In 'Coeur de Chewing Gum' geht es um die Männer, wobei wir sagen, dass wir alle Männer lieben - weil jeder Mann etwas Besonderes hat. 'Big Bang' ist die Geschichte einer naiven Seele, die in krumme Geschichten verwickelt wird. In 'La vengeance d'une louve' ('Die Rache der Wölfin') geht es um die Rache einer betrogenen Frau." Ist es dabei wichtig, dass die Texte witzig sind? "Ja - aber sie müssen vor allen Dingen ehrlich sein", erklärt Aurélie, "das ist das, was mich an einem Song reizt. Als ich zum ersten Mal 'Jolene' von Dolly Parton hörte, hat mich das sofort ergriffen. Es ist immer schön, wenn dabei ernste Themen mit musikalisch heiteren Momenten gemischt werden können - wie auch bei Les Rita Mitsouko zum Beispiel." Auch damit stehen Brigitte schließlich in einer Tradition der französischen Musikhistorie, denn neben Les Rita Mitsouko haben auch Gainsbourg und sogar Jacques Brel und Edith Piaf mit diesen Gedanken chargiert. Heute tun das etwa M und - in Maßen - Benjamin Biolay.

Brigitte
Aber genug der Analyse: Brigitte sind für ihre phantasievollen Live-Schows bekannt. "Ja, wir möchten den Leuten einfach etwas bieten für ihr Geld", erklärt Sylvie, "unsere Musiker verkleiden sich dabei wie die Droogs aus Stanley Kubricks 'Clockwork Orange', wir haben unsere Kostüme mit den Federboas und Hüten und meiner Brille und dann sind da ja noch unsere Ziegen." Ziegen? "Ja, wir haben zwei Ziegen auf der Bühne", führt das Aurélie aus. Es sind natürlich keine echten Ziegen, aber wir können uns darauf setzen und mit dem Publikum reden. Es soll halt immer unterhaltsam sein." Deswegen gilt die Maxime: Keine Brigitte-Show ist wie die andere. Wie geht es denn nun weiter mit Brigitte? Gibt es schon Pläne für das Leben nach der ersten CD? "Nein", meint Sylvie, "wir machen einfach weiter wie bisher. Das lässt sich aber nicht planen, weil wir uns ja selbst gerne überraschen wollen. Wir wissen nur, dass uns die Ideen nicht ausgehen werden..." Nun, andere Acts sind schon mit einem weniger ausgefeilten Plan erfolgreich geworden. In Frankreich hat das bereits geklappt (nicht zuletzt übrigens wegen der angesprochenen Live-Shows und der daraus resultierenden, positiven Mund-zu-Mund-Propaganda). Nun soll also der Rest von Europa in Angriff genommen werden und dann Kanada. Der Name Brigitte erobert also die Welt. Wieder mal.
Weitere Infos:
www.facebook.com/brigittemusic
brigittedefrance.tumblr.com
twitter.com/brigittetheband
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Brigitte
Aktueller Tonträger:
Et Vous Tu M'Aimes?
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