GL.de: Wie bist du auf die Engineer-/Producer-Legende Parsons als Partner gekommen?
Ich finde, dass viele Alben der frühen Siebziger den besten Klang überhaupt hatten!
GL.de: Besser als heute?
Absolut. Der heutige Referenzklang ist viel zu harsch, ja aggressiv. Doch die besten LPs der Siebziger haben diese "goldene", organische Qualität an sich, auch und gerade beim Sound. Die Toningenieure von damals haben eine Expertise, die heute allmählich ausstirbt - beispielsweise was Mikrofonierung oder die Nutzung von analogem Equipment angeht. Alan hat ein paar der bestklingenden Alben aller Zeiten aufgenommen. Das wollte ich auch (lacht). Ich hatte noch mehr Personen auf dem Zettel, weil ich nicht erwartet habe, dass er wirklich will und die Zeit findet. Doch es stellte sich glücklicherweise heraus, dass er meine Arbeit kennt und sehr mag und so hat er es ermöglicht.
GL.de: Konntest du ihm denn wenigstens ein paar Tricks abschauen?
Leider gar nicht! Ich bin ein furchtbarer Kontrollfreak und versuche normalerweise, alles selbst im Blick zu behalten. Einer der Gründe dafür, überhaupt jemand wie Alan zu suchen, war der, dass ich mich diesmal ganz auf die Musik konzentrieren wollte. Das hat auch toll geklappt, nur dazu gelernt habe ich so nichts. Aber "The Raven" hat einen wunderbaren Sound, das ist die Hauptsache.
GL.de: Das erste Stück auf dem Album, "Luminol", ist auch das älteste - ihr habt es schon auf der letzten Tour im Programm gehabt und auch das Video dazu gibt es schon länger. Die heftigen Jazzbreaks eingangs geben einen recht anspruchsvollen Einstieg in das Album ab?
Stimmt, es hat fast etwas von einer Absichtserklärung (grinst). Und es war mir wichtig, diesmal einen völlig anderen Anfang als den so sanften von "Drown" zu haben: Einen Beginn mit "Bämm" sozusagen.
GL.de: Es dauert um die fünf Minuten, bis erstmals richtiger Gesang einsetzt. Die Person, der wir dann begegnen, macht keinen besonders sympathischen Eindruck?
Er ist ein Straßenmusikant. Ein miserabler Musiker, den die Leute total ignorieren, sodass er in gewisser Weise schon ein Geist ist. Schließlich fällt er beim Musizieren tot um. Doch am nächsten Tag steht er wieder da! Es geht darum, in diesem Sinne ein Geist zu sein, keine Berührungen mit seinen Mitmenschen zu haben, überhaupt keinen Kontakt. Das haben wir doch alle schon mal erlebt oder? Ich kenne das jedenfalls sehr gut...
GL.de: "Drive Home" erinnert etwas an deine besten Arbeiten mit Porcupine Tree. Doch das später wiederholte Gitarrenthema des Intros scheint mir etwas von der schlichten Schönheit von Andy Latimers typischer Spielweise zu haben - ist das nachvollziehbar? Magst du Camel?
Natürlich, und ich finde Andy ist ein unglaublicher Gitarrist. Guthrie (Govan, u.a. The Aristocrats, d. Red.) und ich verständigen uns in Codes. Einer ist der "Einsamer Schwede im Wald"-Stil. Den wollte ich für diesen Song haben. Aber Du hast recht, Andy Latimer ist einer der absoluten Meister des "Einsamer Schweden"-Sounds.
GL.de: Zu deiner Band: Gary Husband fiel bei der letzten Tour wegen Krankheit aus und wurde durch Adam Holzman ersetzt...
Genau. Adam stieß in letzter Sekunde dazu und hat alles gerettet. Er ist einfach perfekt und wir haben ein Riesenglück gehabt, ihn so kurzfristig zu finden.
GL.de: Was ist aus Niko (Tsonev) geworden?
Niko ist phantastisch! Aber genau wie bei Aziz Ibrahim und John Wesley hatte ich das Gefühl, dass noch irgendetwas fehlt. Glaub mir, es wäre leichter gewesen, einfach alles beim Alten zu lassen. Aber ich habe weiter gesucht - und Guthrie gefunden!
GL.de: Sein Solo am Ende von "Drive Home" ist für mich eine der stärksten Stellen des ganzen Albums.
Und das wurde in einem Take aufgenommen!
GL.de: Der "Holy Drinker"... and his "unquenchable thirst" ist nicht Tantalus, oder?
Nein, das ist ein Typ, der ausgerechnet den Teufel unter den Tisch zu trinken versucht. Und das kann man natürlich nicht machen...
GL.de: ...es sei denn man ist Pole.
(lacht) ...oder man ist eine finnische Black Metal-Band!
GL.de: Wie ihr "Grace" auf die Bühne gebracht habt, war eines der ausgefeiltesten Tourkonzepte, das ich je erlebt habe. Das dürfte nur schwer zu toppen sein. Was können wir diesmal erwarten?
Hoffentlich eine noch größere und bessere Tour! Die limitierenden Faktoren sind immer Geld und natürlich die Konzerthallen selbst. Ich bin nun mal nicht Roger Waters, spiele nicht nur in Arenen und kann auch die Beschaffenheit der Austragungsorte nicht wirklich bestimmen. Super an der "Grace For Drowning"-Tour war, dass es uns gelungen ist, innerhalb dieser Limitationen stets eine spektakuläre Show mit gutem Sound zu liefern. Ich will nur so viel verraten, dass wir frische Ideen für die Präsentation und Visualisierung des neuen Materials haben. Außerdem wird Guthrie die Leute umhauen (lacht).
GL.de: Nur eine Beobachtung: Ich persönlich fand das "Grace"-Gesamtpaket sehr überzeugend. Ein Freund (und glühender Steven Wilson-Fan) auch. Nur das Konzert-Intro und -Extro mit dem immer lauter werdenden Bass Communion-Song fand er furchtbar. Er sagte, dass er sich zum ersten Mal während eines Konzerts genötigt gefühlt hat, wie bei einer Entführung.
Das machen wir wieder (lacht). Und zwar auf eine Weise, die besser zur Geister-Motivik vom "Raven" passt. Allerdings wird das Intro diesmal nicht eine Stunde vorher beginnen. Das war zu lang. Sonst ist es doch so: Du gehst zu einem Konzert, kommst in die Halle, wirst irgendwelcher entsetzlichen Disco-Mucke ausgesetzt und diskutierst mit deinen Kumpels die Fußballergebnisse. Wir wollten, dass die Leute diesmal Bestandteil des Gesamtkonzepts werden, sobald sie die Hallen betreten. Insofern war diese "Entführung" absolut Teil des Plans.
GL.de: Sprachs, lachte und raste los, um Taxi und Flieger zu kriegen...