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MINISTRY
 
Die Zeichen stehen auf Abschied
Ministry
"Gesundheitlich hat sich bei mir inzwischen viel verbessert, finanziell ist alles im grünen Bereich und ich muss niemand mehr etwas beweisen. Es geht mir gut!", sagt Ministry-Frontmann Al Jourgensen im Gaesteliste.de-Interview. Trotzdem soll das nun erscheinende 13. Ministry-Studioalbum, betitelt "From Beer To Eternity", das letzte sein. Weil kurz vor Weihnachten des letzten Jahres unerwartet der langjährige Gitarrist der US-Industrial-Pioniere verstarb, möchte Jourgensen das Kapitel Ministry für immer schließen, denn ohne seine langjährige rechte Hand will er nicht mehr weitermachen. Selbst die Veröffentlichung des neuen Albums war eigentlich nicht geplant. Jourgensen und Scaccia hatten "just for fun", wie der Frontmann es nennt, einige Riffs festgehalten, doch weil dem Gitarristen aus unerfindlichen Gründen besonders viel an den neuen Ideen lag, ließ sich das Mastermind der Band am Ende überzeugen.
Heute ist Jourgensen froh, dass es drei Tage vor Scaccias Tod noch zu den Sessions kam, die die Basis für die neue, letzte LP bildeten. "Deshalb ist diese Platte etwas ganz Besonderes für mich. Mein Tontechniker Sammy D'Ambruoso und ich haben uns extra viel Zeit gelassen. Wir wollten einfach sicherstellen, dass Mikey auf diese Platte würde stolz sein können", erzählt er. Ganz verschwunden ist der Gitarrist aus dem Leben seines frühen Bandleaders aber auch jetzt nicht. "Er spukt in meinem Haus und Studio herum", erzählt Jourgensen lachend, allerdings auf die gute Weise. Ich habe in meinem Studio ein Bild von ihm und seiner Frau auf der einen Lautsprecherbox stehen und eins von mir und meiner Frau auf der anderen. Wenn ich etwas spiele, fällt immer nur sein Bild herunter. Ich denke, auf diese Weise will er mich wissen lassen, dass er noch da ist!"

Die besonderen Umstände sorgen dafür, dass das Album zwar musikalisch nicht unbedingt bahnbrechend, aber von einer Intensität geprägt ist, die in der heutigen Musiklandschaft selten geworden ist. "In gewisser Weise ist unsere Karriere rückwärts verlaufen", holt Jorgensen zu einem Erklärungsversuch aus. "Die meisten Bands veröffentlichen ihre besten Platten am Anfang ihrer Laufbahn, und dann folgen sie dem Ruf des Geldes und klingen für den Rest ihrer Karriere einfach nur noch scheiße. Wer geht heute wirklich noch hin und kauft sich ein neues Album von, sagen wir, Aerosmith? Oder von den Rolling Stones? Das interessiert doch heute niemanden mehr! Bei uns war es so, dass sich anfangs keine Sau für uns interessiert hat. Wir waren eine fürchterliche Pop-Band, die so tat, als sei sie aus England, und erst über die Jahre haben wir uns entwickelt. Unsere besten Sachen sind erst später entstanden und wir sind mit den Jahren immer besser geworden."

Inhaltlich zollt Jourgensen auf dem neuen Album einerseits seinem verstorbenen Freund Tribut, andererseits verfolgt er auch den betont politisch motivierten Weg der Ministry-Platten der letzten zehn Jahre weiter. Doch wie gelingt es ihm eigentlich in heutigen Zeiten noch, verlässliche, unabhängige Informationen zu bekommen? "Nun, ich habe eine ganze Reihe Freunde in Washington, DC", erklärt er. "die zum Beispiel zum Stab verschiedener Kandidaten gehören. Außerdem informiere ich mich natürlich übers Internet, Al-Dschasira ist da nur der Anfang. Die Deutsche Welle hält mich über Merkels Sparpolitik auf dem Laufenden. Die üblichen Nachrichtensendungen blende ich dagegen aus."

Ob "From Beer To Eternity" wirklich das endgültige Ende ist, wird die Zukunft zeigen. Schließlich hatte Jourgensen auch nach "The Last Sucker" vor sechs Jahren bereits den Stecker gezogen, bevor es letztes Jahr mit "Relapse" zum Rückfall kam. Dagegen ist sicher, dass es zum neuen Album keine Konzerte geben wird. Wer allerdings partout nicht auf Ministry live verzichten kann, darf sich mit "Enjoy The Quiet – Live At Wacken 2012" trösten, dem fast zeitgleich mit dem neuen Album erscheinenden DVD/CD-Package, das das letztjährige Bühnencomeback der Band einfängt. Als große Rückkehr geplant, wurde die Tournee letztlich gleichzeitig auch zur Abschiedsvorstellung Ministrys. "Ich hab die DVD noch gar nicht gesehen", gesteht Jourgensen überraschend und fragt lachend: "Wie mies waren wir denn?" Überhaupt nicht, vor allem, wenn man den wüsten Lebenswandel der Protagonisten in Betracht zieht. Obwohl Jourgensen in der Vergangenheit immer wieder gerne betont hat, dass es ihn langweilt, Abend für Abend alte Songs lediglich reproduzieren zu müssen, ist die Energie und Intensität der Performance durchaus beachtlich. Doch wie schafft er das mit allen seinen Zipperlein überhaupt? "Die Antwort auf die Frage ist einfach und hat gerade einmal vier Worte: Große Mengen an Alkohol!", sagt er und schüttet sich aus vor Lachen. "Das ist der einzige Weg, das hinzukriegen! Ich bin immer sturzbesoffen, wenn ich auf der Bühne stehe." Allerdings sind es für ihn nicht die großen Open Air-Auftritte in Wacken oder bei der polnischen Variante von Woodstock, wo Ministry im Vorjahr vor mehr als einer halben Million Menschen spielten. "Die großen Festivals sind easy", bestätigt er. "Clubshows, wo ein paar wütende Betrunkende Sachen nach dir werfen, sind viel schwieriger durchzustehen, als vor einem Meer von Menschen aufzutreten, in dem sich noch nicht einmal einzelne Gesichter ausmachen lassen."

Doch nicht nur musikalisch will Jourgensen Ministry hinter sich lassen. Mit "The Lost Gospels According To Al Jourgensen" hat er unlängst auch eine Autobiographie veröffentlicht, in der er all seine Eskapaden rund um die Band zusammengefasst hat. Entstanden ist das Buch auf Wunsch seiner Frau und Managerin Angelina, die es leid war, Jourgensen auf Partys immer wieder die gleichen Geschichten aus rund 30 Jahren Ministry erzählen zu hören. Glaubt man den Reviews, gehören die Schilderungen von Drogenexzessen, dem Kontakt mit Außerirdischen im Kindesalter und die Tatsache, dass Jourgensen bereits Nahtoderfahrungen gemacht hat, zu den Glanzlichtern des Buches. Dagegen wollten wir zum Schluss wissen, was für den Autor selbst das versteckte heimliche Highlight des Werkes ist. "Es ist mir vor allem wichtig klarzustellen, dass bei es den Darstellungen nicht darum geht, meine Handlungen zu rechtfertigen oder vor einem solchen Vorhalten zu warnen", erklärt Jourgensen. "Es sind lediglich Schnappschüsse eines fast 55-jährigen Musikers auf diesem kleinen Blauen Planeten, in einer mittelgroßen Galaxie, in einem unendlichen Universum. Mit anderen Worten: Alles, was in dem Buch steht, ist vollkommen belanglos, hahaha!"

Weitere Infos:
www.thirteenthplanet.com/ministry
Interview: -Simon Mahler-
Foto: -Pressefreigabe-
Ministry
Aktueller Tonträger:
From Beer To Eternity
(AFM/Soulfood)
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