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BOYSETSFIRE
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Unity in diversity
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Es gibt nicht so viele Platten, die so gut sind und über einen längeren Zeitraum so begeistern und beschäftigen, dass man sie über Woche kaum aus dem Player oder vom Spieler bekommt. Eine dieser seltenen Objekte heißt "While A Nation Sleeps" und stammt aus dem Hause Boysetsfire. Die noch immer irgendwie frisch wieder vereinten Hardcore-Helden treten zwar schon seit zweieinhalb Jahren wieder auf, veröffentlichten aber erst vor wenigen Wochen ihr erstes Album seit sieben Jahren. "Nicht anders als früher, nicht besser als früher und nicht schlechter als früher. Sondern genau so und genau so großartig", schrieben wir in unserer Rezension und freuten uns über die Vielfalt, die Kraft und die Klasse der Songs. Jetzt freuen wir uns auf die kommenden Tour und dass Bassist Robert Ehrenbrand uns Rede und Antwort stand.
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GL.de: Habt ihr bei dieser Platte irgendetwas bewusst anders gemacht oder macht man nach so vielen Jahren Bandpause eh alles anders?
Robert: Ich denke, wir sind immer noch die selben Typen, denen die Band immer noch genauso wichtig ist. Aber ich denke, wir sind noch einen Zacken dankbarer, diese Band gemeinsam machen zu dürfen. Die Pause hat gezeigt, dass wir BSF lieben und brauchen...
GL.de: Wie würdest du das Album charakterisieren und wo in einer nach Wichtigkeit sortierten Liste aller BSF-Platten einordnen?
Robert: Ich denke, die Platte ist besonders "bissig", was viele Leute nicht erwartet hätten. Sie ist in ihrer Wut etwas geradliniger als noch "Misery Index..." und weniger experimentell, dafür aber mehr wie eine Faust ins Gesicht. Einordnen würde ich sie gar nicht wollen, nur, dass es noch nie mehr Spaß gemacht hat, in dieser Band zu sein.
GL.de: Und auf was seid ihr bei diesem Album ganz besonders stolz?
Robert: Dass wir es komplett alleine gemacht haben. Alles. Zusammen mit unserem engsten Partnern Oise (Manager) und Mirko (Promotion, Uncle M) und natürlich Bridge 9 haben wir es wirklich ganz alleine gemacht, darauf sind wir sehr stolz.
GL.de: Jetzt sind die Reaktionen auf "While A Nation Sleeps" ja ziemlich klasse und das auch zu Recht. Aber: Habt ihr mal überlegt, was passiert, wenn die Leute das Album scheiße finden würdet?
Robert: Nein! Wir hätten nichts geändert, wir machen nur, was uns bewegt. Wenn es dann - wie zum Glück im vorliegenden Fall - so toll aufgenommen wird weltweit: Klasse, wenn nicht: auch okay. "If we must we crawl alone."
GL.de: Hand aufs Herz, habt ihr damals echt gedacht, die Trennung wäre für immer?
Robert: Absolut. Ich war damals einer derjenigen, denen ganz wichtig war, dass auch für immer und endgültig Schluss ist, einfach weil ich Sorge hatte, dass es ansonsten zu einfach ist, dass die Band immer und immer wieder den Hauptanteil unserer Leben bestimmt. Das geht ja oft schnell und schleichend. Ein tolles Tourangebot hier, eine gute Release-Idee da und so weiter. Da wir alle zu dem Zeitpunkt wirklich den Fokus mal auf unsere anderen Themen - in und außerhalb von Musik - legen wollten, war mir und einigen anderen in BSF sehr wichtig. Ich hab dann auch echt alles an Equipment verkauft und habe zwei bis drei Jahre keine Musik gemacht. Null. Was ich aber - und wir alle - vollkommen unterschätzt habe, war, wie sehr wir BSF und das gemeinsame Schreiben und Live-Spielen vermissen würden. Es wurde mir persönlich nach einigen Jahren klar, dass weder die Freundschaften noch das gemeinsame Musik-Machen ersetzbar sind. Na ja, und nun sind wir wieder da. Immer noch engste Freunde und dankbarer denn je, zusammen in BSF spielen zu können.
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GL.de: Wie wichtig ist Freundschaft für diese Band? Und wie oft trefft ihr euch, ohne über BSF zu reden?
Robert: Wir sind sicherlich nicht die besten Musiker oder die progressivsten Songschreiber, aber was wir - denke ich - wirklich als Alleinstellungsmerkmal haben ist, dass wir engste und beste Freunde sind. Das haben die Jahre der Pause bewiesen, wir sehen uns ständig. Ich natürlich weniger als die anderen in USA, aber ich bin ständig in Kontakt mit allen, gerade simst mir Chad, hahaha. Unsere Freundschaft ist real und wir sind keine Arbeitskollegen, wenn du weißt was ich meine. Das merkt man finde ich auch live, denn so was kann man nicht vorspielen.
GL.de: Könntest du einmal deine Kollegen charakterisieren?
Robert: Gitarrist Chad Istvan ist der "Marlboro-Man". Ein Typ, der sich noch selbst unters Auto oder jede andere Maschine legt und diese wieder flott macht, der alle handwerklichen Arbeiten liebt und sogar seine Gitarre mal selbst gebaut hat. Loyalster Freund den ich kenne, unglaublich interessierter Gesprächspartner und unser musikalischer Direktor, da er unsere Platten aufnimmt und auch zum großen Teil produziert. Niemand sonst versteht soviel von Technik in BSF.
Sänger Nathan Gray ist der "Künstler", fasziniert von allem Okkulten. Jemand, der unglaublich intensiv fühlt und im Moment lebt. Er schreibt nicht nur unglaublich gute Texte, sondern ist auch sehr involviert, was unser Artwork anbelangt und unsere Shirt-Designs. Seine Kreativität kennt wirklich kaum Grenzen. Vielleicht eher wenn es um alltägliche Sachen geht, hahaha...
Gitarrist Josh Latshaw ist Büchernarr und eine Person, die zu jedem Thema ein fundiertes Wissen parat hat. Definitiv unsere "People's person", er liebt Menschen und Kommunikation und ist nebenbei ein Riffmeister, der unglaublich intuitiv mit tollen Ideen um die Ecke kommt. Wo Chad eher Songs auf die lange Sicht begleitet, ist Josh mehr jemand, der einfach spontan eine super Idee hat, die wir dann weiterverarbeiten.
Bassist Chris Rakus ist "All-American-Chris", hahaha. Er arbeitet hart, trinkt gerne Whiskey und Bier und ist ein unglaublich loyaler und treuer Freund/Bruder. Und nebenbei auch ein toller Bassist und einfach eine wichtige Person in unserer Mitte. Für alle, die es nicht wissen: Chris spielt in BSF wie ich auch Bass. Aber nicht gleichzeitig, sondern aufgrund meines und seines engen Terminplans wechseln wir uns ab.
GL.de: Und wie würdest du dich beschreiben?
Robert: Ich liebe Bhakti Yoga und meine Familie. Liebe Kampfsport und Bücher. Und ich liebe alle oben genannten Personen.
GL.de: Was habt ihr in der Zeit am meisten vermisst und auf was, was jetzt wieder da ist, könntet ihr gut verzichten?
Robert: Das ist eine sehr gute Frage, mit der wir uns auch intensiv auseinandergesetzt haben. Denn anders als andere "Reunions" ging es bei uns nicht ums Geld. Wir arbeiten alle und BSF ist für uns eine Leidenschaft und kein reiner Job. Somit wollten wir von vornherein auch sicherstellen, dass wir es aus den richtigen Gründen tun. Einfach weil wir immer noch was zu sagen haben und das Bandgefüge sehr vermisst haben. Zum Beispiel auch die Auftritte oder das gemeinsame im Studio sein und so. Wir haben uns dann viel Zeit genommen, wirklich alles im BSF-Universum so hinzubiegen, dass es für uns ideal ist und wir uns gut fühlen. Vieles von diesem normalen Musik-Biz-Bullshit ist für uns lächerlich, wir wollen einfach machen, was sich richtig anfühlt und uns selbst treu bleiben. Deshalb war es in der Vergangenheit einfach sehr schwer, einen gemeinsamen Nenner mit Labels etc. zu finden. Jetzt ist alles sehr familiär und wir waren noch nie glücklicher. Wir haben unser eigenes Label, unsere besten Freunde sind unser Management bzw. unsere Roadcrew. Unsere Booker sind Freunde, etc. etc. etc. Wir bestimmen komplett selbst, was wir machen und vor allem was wir nicht machen, nur weil es die Band vermeintlich weiterbringt ist für uns noch lange kein Grund etwas zu tun. Auf schmierige Business-Moves haben wir keinen Bock.
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GL.de: Ihr habt jetzt ein eigenes Label. Was plant ihr hier? Auch mal andere Bands zu signen?
Robert: Vielleicht. Gedacht war es als BSF-Satelliten-Station, daher ja auch das I Am Heresy-Release. Aber es könnte natürlich auch eine Plattform für andere Bands sein, die wir sehr schätzen, das kann ich mir gut vorstellen, aber Kern werden BSF und Co bleiben.
GL.de: Mal doof gefragt: Wieso habt ihr das Label gegründet und wer macht hier was?
Robert: Wir haben einfach nie wirklich das Gefühl gehabt, dass Labels uns begreifen. Wir sind eine sehr starrköpfige Band, die zu allem auch eine echte Meinung hat. Viele Bands lassen sich ja das Denken vom Management oder Label abnehmen, wir hingegen haben zu allem eine Meinung und wollen es eben so wie wir es für richtig und fair halten, nicht so wie es vermeintlich zu den meisten verkauften Platten führt. Oise, unser Manager, hilft uns sehr bei allen Belangen des Labels, genau wie Mirko Gläser auch - aber entscheiden tun wir.
GL.de: Im Oktober seid ihr wieder auf Tour. Wie muss man sich die Mitglieder der Band Boysetsfire auf Tour vorstellen? Wie auf einer Klassenfahrt und alle hängen zusammen ab oder ist man auch mal froh, wenn man seine Ruhe hat und geht sich daher so oft wie möglich aus dem Weg?
Robert: Diese Band ist definitiv wie auf einer Klassenfahrt, da wir echt jede freie Minute zusammen rumhängen und die gemeinsame Zeit genießen. Natürlich braucht man auch mal ne Auszeit oder telefoniert/facetimet mit der Familie, aber prinzipiell ist touren für uns gerade deshalb so eine wertvolle Sache weil wir a) Musik machen dürfen und b) gemeinsam Zeit verbringen dürfen. Ansonsten sind wir auch sehr sehr unterschiedlich, was ich sehr cool finde. Ich zum Beispiel gehe superfrüh ins Bett, trinke und rauche nicht, mache extrem viel Sport, während Chad und Nathan oft sehr lange wach sind. Aber gerade diese Unterschiede und die gegenseitige Unterstützung machen uns stark. Wo sonst hast du einen Krishna-Liebhaber (mich) und einen Anton La Vey-Fan (Nate) in ein und derselben Band? Hahahaha, Unity in diversity!
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Weitere Infos:
www.boysetsfire.org
de.wikipedia.org/wiki/Boysetsfire
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Interview: -Mathias Frank- Foto: -Pressefreigabe-
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Aktueller Tonträger: White A Nation Sleeps (End Hits/Cargo)
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