GL.de: Und das hat funktioniert? War das auch der Grund, warum ihr euch immer nur für eine sehr begrenzte Zeit und in größeren Abständen ganz den neuen Songs gewidmet habt, anstatt alles am Stück durchzuziehen?
Fran: Ja, es hat erstaunlich gut funktioniert. Wir waren immer rund zwei Monate lang bei unseren Familien und dann alle zusammen eine Woche am Stück weg. Es waren recht lockere Zusammentreffen, bei denen wir Zeit miteinander verbracht haben, um zu sehen, was sich musikalisch daraus entwickeln könnte.
Andy: In gewisser Hinsicht wollten wir uns, wie zu Beginn unserer Karriere, nur auf den Teil des eigentlichen Musikmachens konzentrieren. Wir wollten von nichts anderem abgelenkt werden und den ursprünglichen, unbeschwerten Geist einfangen, dem man als Künstler vielleicht nur bei seinem ersten Album nachjagt. Viele Debütalben sind ja so gut, gerade weil die Songs nicht aus der Intention heraus entstanden sind, am Ende Teil eines ganzen Albums zu sein. Die Bands haben meistens gar keine Vorstellung davon, wohin sie die Songs da gerade tragen, die sie aufnehmen. Wenig später spielen sie sie vielleicht vor einem großen Publikum am anderen Ende der Welt, aber das kann zu dem Zeitpunkt eben niemand voraussagen.
Fran: Es war bei Weitem nicht einfach, sich gedanklich von all diesen Zwängen der Musikindustrie zu lösen und fast schon kindlich naiv an die Arbeit zu gehen. Kinder haben zum Glück die Gabe, genau das zu tun, gerade weil sie mitten im Jetzt leben und den jeweiligen Moment völlig auszukosten scheinen. Als Erwachsene können wir wirklich viel von dieser Unbekümmertheit lernen. Leider sind wir viel zu oft damit beschäftigt, Dinge aus Vergangenheit mit uns herumzutragen oder diese gar bis in die vor uns liegende Zukunft mitzunehmen, was zu sehr viel Stress führen kann. Vielleicht kann man nur zu dieser Erkenntnis kommen, wenn man selbst Kinder hat und diese Unbeschwertheit täglich auf's Neue hautnah mitbekommt. Einiges davon färbt definitiv auf das eigene Verhalten ab.
GL.de: Der Song "Reminder" ist ein gutes Beispiel dafür, welche Werte wir im Laufe des Älterwerdens ein wenig aus den Augen verlieren. Fran, du hast diesen Song für deinen Sohn geschrieben und singst u.a. darüber, dass man jeden Tag zelebrieren sollte. Hand auf's Herz - wie viele dieser Ratschläge setzt du als Erwachsener noch selbst in die Tat um?
Fran: Alle diese Werte sind sehr wichtig für mich und ich versuche sie mir so oft es geht vor Augen zu halten. "Reminder" ist ist nicht nur ein Song für meinen Sohn, sondern auch eine Erinnerungsstütze für mich selbst. So eine Art Selbstportrait all der Sachen, an die ich glaube: "Zelebriere das Leben! Sei pünktlich! Wenn du etwas anfängst, bringe es auch zu Ende. Sei ehrlich!" Gerade letzteres ist manchmal sehr schwer. Ein paar meiner Freunde haben mir gesagt, dass "Reminder" ihr absoluter Lieblingssong des Albums ist. Ich schätze das ist so, weil sie diese Worte genau nachempfinden können und verstehen, was damit gemeint ist. Nichts im Leben ist so einzigartig wie der Moment, in dem du dein Kind ansiehst. Du wirst es immer aus einem ganz eigenen Blickwinkel heraus betrachten und allein dabei gleichzeitig so viel über dich selbst erfahren.
Andy: Wie oft geht es einem als Erwachsenen so, dass man ein Kind sieht und sich plötzlich der Tatsache bewusst wird, dass man an ein paar dieser eben beschriebenen Werte vermutlich längst nicht mehr so festhält wie einst. Im nächsten Moment gehst du nach Hause und versuchst dich bewusst daran zu erinnern und dir diese Eigenschaften zurückzuholen. Du willst wieder ein Stück dieser Unschuld haben, die jedes Kind in sich trägt.
Fran: Viele Leute, die Kinder haben, kommen aber trotzdem nicht an den Punkt, an dem sie etwas von dieser Unschuld zurückgewinnen. Wir hatten echt Glück, denn wir haben mit unserer Musik etwas in unserem Leben, das uns ebenfalls dieses fast schon unschuldige, leichte Gefühl vermittelt. Wir sind darüber sehr froh und wissen unser Glück zu schätzen, denn die meisten Menschen haben durch ihre Lebensumstände gar nicht erst die Gelegenheit, in diesen Genuss zu kommen.
GL.de: Könnt ihr euch noch daran erinnern, welchen Ratschlag euch eure Eltern für das Leben mitgegeben haben?
Fran: Meine Mutter hat immer zu mir gesagt "Wenn du etwas in deinem Leben tun willst, dann lass dich nicht davon abbringen und mache es, wenn es das ist, was du liebst."
Andy: Mein Vater hat mir den Ratschlag mit auf den Weg gegeben, dass ich meine Träume so lange wie nur möglich verfolgen soll. Ich weiß noch genau wie heute, wie ich mich gefühlt habe, als wir alle nach London gegangen sind, um dort als Musiker Fuß zu fassen. Wir hatten absolut nichts und es war ziemlich riskant, aber wir haben es trotzdem versucht.
Fran: Andererseits hatten wir rein gar nichts zu verlieren!
Andy: Ich erinnere mich, wie ich mit meinem Vater im Auto saß und er zu mir sagte: "Halte so lange an deinem Traum fest wie es nur geht. Wenn irgendwann einmal alles vorbei sein sollte, dann musst du das akzeptieren, aber so kannst du wenigstens sagen, du hast es versucht. Die meisten Leute werden in ihrem Leben niemals diese Chance bekommen, die du gerade ergreifst. Sie müssen einer normalen Arbeit nachgehen und haben keine Wahl."
GL.de: Zu welchem Zeitpunkt in der Entstehungsphase eines neuen Albums könnt ihr euch am besten ganz auf euch selbst besinnen und eine persönliche Entwicklung feststellen?
Fran: Ehrlich gesagt sind Interviews eine gute Möglichkeit, mehr über uns selbst zu erfahren. Wir geben zwar so viel von uns in ein Album hinein, aber sind so im Moment gefangen, dass alles mehr oder weniger an dir vorbeizieht. In Gesprächen wie diesem beginnen wir dann über das Erlebte nachzudenken und können viele wichtige Rückschlüsse für uns ziehen. Erst, wenn wir über unsere Erfahrungen reden, merken wir eigentlich, was mit uns als Personen in der Zeit der Albumaufnahmen passiert ist.
Andy: Es ist umso schöner, dass diese Form der Reflexon im Anschluss an die eigentliche Arbeit stattfindet, da zwischendurch ja selten Zeit dafür bleibt und man versucht ganz im jeweiligen Moment aufzugehen. Außerdem würde das auch nur vom eigentlichen Prozess des Songwritings ablenken. Ich will mir während dieser Phase gar keine Gedanken darüber machen, wieso die Dinge so laufen wie sie es tun. Es reicht schon, wenn ich mich danach damit auseinandersetzen muss, denn das ist nicht immer angenehm. Dennoch bringt es dir ein Stück Klarheit, das du vorher nicht hattest.
GL.de: Bringt diese Einstellung auch eine gewisse Abgeklärtheit eurerseits gegenüber den Dingen um euch herum mit sich? Immerhin kennt ihr die Wege und Mechanismen der Musikindustrie ziemlich gut.
Fran: Auf jeden Fall. Ich habe mich zum Beispiel nach all den Jahren im Musikbusiness davon verabschiedet, Erfolg als eine festgelegte Größe mit gewissen Parametern anzusehen. Es gibt einfach keine wirkliche Definition, was das angeht... und eine Formel, die dorthin führt, erst recht nicht. Es wäre lächerlich, Erfolg nur an Plattenverkäufen oder Nr.-1-Hits festzumachen. Wenn es so wäre, würden es ja bedeuten, dass das Musikmachen zu einer Art Disziplin verkommen ist, wie es sie vielleicht bei den Olympischen Spielen gibt. Dort wird der Erfolg auch nur an den Goldmedaillen gemessen. Nur mit dem Unterschied, dass das ganze Bewertungssystem ausnahmslos objektiv ist. Ein Läufer rennt eben schneller als alle anderen und das war's. Im Musikbusiness ist dagegen alles von einer sehr subjektiven Sichtweise geprägt. Dabei gibt es keinen wirklichen Gewinner. Alles ist nur auf dieses eine bestimmte Erfolgsprinzip ausgerichtet, das uns sagt, wie viele Plattenverkäufe nötig sind, um als erfolgreich dazustehen. Jedes Jahr gibt es dann Listen, in denen die großen Abräumer in Sachen Verkaufszahlen genannt werden. Diese Zahlen sagen eigentlich nichts über den wirklichen Wert der Musik aus, sondern zeigen im Grunde genommen auf, welcher Künstler ein wenig mehr Glück gehabt hat als die anderen.
Andy: Jetzt ist es umso deutlicher für uns zu sehen, gerade weil wir in der glücklichen Position waren zu erfahren, was es heißt erfolgreich zu sein. Ich habe neulich erst zu Fran gesagt, dass die Rahmenbedingungen für den Erfolg noch so perfekt sein können, es kommt immer auf darauf an, dass der gewisse Funke zur richtigen Zeit entfacht wird. Als Künstler ist man dabei so gut wie machtlos und muss darauf vertrauen, dass das in dir brodelnde Feuer von jemand anderem entfacht wird. Da kannst du noch so viel Liebe und Arbeit in deine Musik stecken. Am Ende benötigst du doch dieses kleine Extra, das letztendlich den Unterschied ausmacht.
GL.de: Dann haltet weiterhin gut daran fest und habt vielen Dank für die gewonnenen Einblicke.
Andy: Gerne, das hatte etwas von einer guten Therapiesitzung!
GL.de: Nur, dass ich am Ende kein Geld dafür verlange.
Fran: ...wenn du rausgehst, wirst DU allerdings an der Tür zur Kasse gebeten (lacht)!