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TRASHMONK
 
Aus dem Leben eines Müllmönchs
Trashmonk
Schön, daß es noch begeisterungsfähige Menschen gibt. "Excellent" und "Brilliant" sind die Lieblingswörter von Nick Laird-Clowes alias Trashmonk. Dabei wird gar nicht so richtig klar, aus welcher Quelle Nick seinen Enthusiasmus für dieses und jenes überhaupt schöpft. Denn seine Biographie belegt ziemlich eindrucksvoll, daß der Mann eigentlich bereits alles erlebt hat, was einem Musiker zusteht. Im Alter von 13 Jahren lief er von zu Hause fort und geriet auf dem legendären Isle of Wright Festival von 1970 direkt in jene Kreise, in denen die Musik spielte. Nicht nur im übertragenen Sinne. Nick entwickelte sich scheinbar zum Herumhänger des Jahrhunderts. The Who, Led Zeppelin, Pink Floyd, Nick Drake, Brian Wilson, John Lennon, Marc Bolan - das sind die Leute, in deren Zirkeln sich Nick fortan bewegte, kiffte, musizierte - und eben herumhing. Seltsam nur, daß dies auf musikalischer Ebene kaum irgendwelche Spuren hinterließ.
Am bekanntesten ist Nick noch als Kopf der 80er New-Hippie-Truppe The Dream Academy ("Life In A Nortern Town"). Doch diese Zeiten sind vorbei. "Damals dachte ich, daß Schönheit das Maß aller Dinge sei", erklärt Nick den musikalischen Bruch mit der Vergangenheit, der sich auf seiner aktuellen Solo-Debut-CD "Mona Lisa Overdrive" (unter dem Pseudonym Trashmonk) offenbart. "Da lag ich falsch. Heutzutage versuche ich den paranoiden, nicht immer sehr schönen Zeitgeist auch in meiner Musik einzufangen." In der Tat ist "MLO" eine merkwürdige, aber absolut faszinierende Collage, scheinbar direkt aus dem Kopf des Nick Laird-Clowes. "Excellent", bestätigt er diese Vermutung, "das ist genau das, was ich wollte. Ich habe jahrelang an diesem Projekt herumgearbeitet und es war ein sehr interessanter, komplexer Prozeß. Die Platte ist gewachsen wie ein Garten." Das kann man wohl sagen: So viele Ideen wie auf "MLO" versammelt sind, findet man in mancher Karierre nicht. Zwei Dinge sind hier besonders hervorzuheben: Die simple Eleganz und kristallklare Konzentration, mit der Nick klassische, leicht depressive Folksongs à la "Sapphire" produziert auf der einen Seite und die autographische Manie, mit der der Globetrotter Nick wahre Soundorgien und Hörspiele zusammenfrickelt auf der anderen. "Nun ja", erklärt Nick dies, "ich hatte nie eine Kamera, aber ich habe meinen DAT-Recorder auf Reisen mitgenommen, und damit akustische Schnappschüsse gemacht. Sie dokumentieren auch in etwa meine Reisen. Z.B. beginnt die Scheibe mit der Ansage auf dem Moskauer Flughafen. Dort begann ich meine Reisen in den Fernen Osten." Und wohl ins eigene "Ich". Wie schrieb ein Kollege so schön: Jeder ist ja heutzutage auf dem Selbstfindungstrip - aber nur wenige gehen deshalb gleich in ein buddhistisches Kloster. Wie Nick, z.B. Insofern sind seine Mönchsamples mehr als bloße touristische Trophäen. Allerdings auch weniger als politische Statements. Nick geht es nicht darum, Botschaften zu verbreiten. Die Zeit auf Reisen nutzte der Mann nämlich, um die in den 80ern abhanden gekommene Lust an der Musik wiederzufinden, die Nick auf dem Höhepunkt seines Ruhms (US-Chart-Topper) mit einem Burnout ausbremste. "Ich dachte, ich hätte nichts mehr zu sagen", reflektiert Nick. Dann aber half ihm ein befreundeter südafrikanischer Autor aus der Patsche, der ihm erklärte, daß Rock'n'Roll ja schließlich das Medium schlechthin sei, um sich auszudrücken.

Nun ja, zwar hätte er darauf auch selbst kommen können, dennoch erklärt das immer noch nicht den merkwürdigen Mix an Ideen auf seinem Album und schon gar nicht, wie dieses zwar wunderschöne, aber auch anspruchsvolle und exzentrische Werk den Weg auf CD finden konnte. Das hat zu tun mit der kongenialen Begeisterung, mit der Creation-Boss Alan McGhee diese Sache förderte, nachdem er Nick zur akustischen Gitarre singend zufällig in seinem eigenen Club gesehen hatte. "Alan hat mir von Anfang an freie Hand gelassen", schwärmt Nick. "Ich weiß, daß Du einen US-Top Hit schreiben könntest. Aber warum solltest Du das tun?" faßte McGhee seinen Eindruck zusammen. McGhee hat zudem auf der nicht musikalischen Ebene großen Anteil an dem Produkt "Trashmonk". So stammt der Name z.B. von ihm. Ebenso ist er verantwortlich für die Auswahl des ästhetisch inakzeptablen, aber künstlerisch integeren Coverfotos. Es zeigt eine verwackelte Zufallsaufnahme aus Nick's künsterisch-chaotischem Wohnzimmer heraus - repräsentiert aber die Scheibe auf akkurate Weise. Denn: "Die ganze Sache ist hier, in meinem Wohnzimmer entstanden", erklärt Nick die Produktion des obskuren Sammelsuriums namens "Mona Lisa Overdrive". Der Titel der Scheibe bezieht sich auf den Titel eines Buches von William Gibson ("Neuromancer") und stammt - wie schon fast zu vermuten - von Alan McGhee. "Das ist ein großartiges Kunstwerk", hat McGhee gesagt, "aber total verzerrt." Was sicherlich eine gute Beschreibung ist. "Ich habe die Sache David Gilmour vorgespielt", fügt Nick hinzu, "er mochte den Sound nicht so sehr - ist ihm zu düster - aber er meinte, das klänge wie manifestierte Klaustrophobie. Das ist ein großes Lob für mich." Zur Zeit arbeitet Nick am Soundtrack eines Hollywood Filmes, spinnt Pläne für eine exaltierte Live-Präsentation und freut sich schon, daß Joe Boyd ein Nick Drake Tribute-Album vorbereitet. Da kann er dann auch wieder auf seiner Gitarre spielen, mit der Nick auf dem "Bryter Layter"-Album zu sehen ist. Eigentlich gehörte die Gitarre ursprünglich Eric Clapton - was aber eine andere Geschichte ist. "Brilliant", würde Nick Laird-Clowes sagen.

Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
Trashmonk
Aktueller Tonträger:
Mona Lisa Overdrive
(Creation/Double-T)

 
 

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