GL.de: Jetzt ist "Noir" ein großer Schritt. Sagt ihr auch manchmal "Wow! - was haben wir denn da gerade gemacht?" Seid ihr selber ein bisschen von dem Album überrascht?
CK: Überrascht eigentlich nicht, weil wir natürlich während des Probens und des Songschreibens mitbekommen, wohin sich der Song entwickelt. Zum Beispiel so ein Lied wie "Ich brenn", den hat Sammy zu Hause an seinem Rechner mit seinem Aufnahmeprogramm gemacht, um sich vozubereiten, und hat dann irgendwelche Elektrosounds benutzt, weil er einfach keinen anderen Sound zur Verfügung hatte, aber irgendein Lied brauchte. Also kam er mit der Idee und dann haben wir denn Song mit normalem Schlagzeug und normaler Bandbesetzung ausprobiert. Das hat nicht gezündet, weil diese Monotonie, die den Song so ausgemacht hat, irgendwie gefehlt hat. Und am Ende sind wir dann dazu übergegangen, einfach das Ganze wirklich so'n bisschen Elektronik-behaucht zu belassen. Natürlich wissen wir, dass wir damit "neue Wege" beschreiten. Das war aber auch damals schon so, als wir auf der "Vanitas" zum Beispiel "Ruby Light And Dark" gemacht haben, was auch schon in die Richtung Elektroplatte ging. Es ist uns schon bewusst, dass da Dinge passieren, die dann vielleicht auch nicht jedem gefallen. Aber letzen Endes geht's darum, dass wir sagen müssen "So, der Song ist so, wie er jetzt ist, gut, und es bewirkt was."
GL.de: Hättest du die Platte vor zehn, zwölf Jahren gemocht?
CK: Ich glaube nicht. Sonst hätten wir so ein Album ja auch vor zehn, zwölf Jahren gemacht! Vor zehn, zwölf Jahren war das halt was anderes, da war halt "LoFi". Ich bin ja auch kurz nach der "LoFi" eingestiegen, während der Tourphase. Meine erste Aufnahme war dann die "Good Fellas"-Split und danach die "Vanitas". Das war zu dem Zeitpunkt schon genau die Musik, die ich machen wollte. Genau wie jetzt "Noir" die Musik ist, die ich jetzt machen will. Und das gilt auch für alle in der Band. Es ist immer ein Abbild der Situation und die Musik entspricht der, die wir momentan tatsächlich mögen.
GL.de: Ist so eine musikalische Entwicklung und sind solche Abweichungen von dem Bekannten eigentlich einfacher, wenn man einen gewissen Grad an Erfolg hat? Oder ist es einfacher, wenn man kleiner ist, weil mein eh keinen verlieren kann?
CK: Sagen wir so: Wir waren Gottseidank nie in der Situation, dass wir sagen mussten "Wir müssen jetzt das und das machen um Erfolg zu haben." Wir haben immer einfach unseren Weg beschritten und wir haben zufälligerweise jetzt damit Erfolg gehabt. Das ist natürlich ein großes Glück. Ich weiß nicht, was jetzt zum Beispiel bei einer Band wie Motörhead passiert - vielleicht möchten die auch mal was anderes machen, aber die dürfen halt nicht. Bei uns ist so, dass man wirklich merkt, dass wir einfach offener geworden sind. Wir sind nicht mehr so festgefahren. Mit Anfang Zwanzig war ich auch so richtig festgefahren, was meinen Musikgeschmack anging, weil ich viel engere Grenzen gesteckt und gesagt habe "Das passt da überhaupt nicht rein!". Heute sehe ich das überhaupt nicht mehr so und es gibt nur noch ganz, ganz wenige Genres, die ich mir einfach per se nicht anhöre. Ich hör einfach, was so auf mich zukommt und dann entscheide ich, ob's mir gefällt oder nicht, und das geht eigentlich allen anderen auch so. Ansonsten hätte man diese Art Musik heutzutage doch wahrscheinlich niemals gemacht.
Ich kann auch jeden verstehen, der in seinen Zwanzigern steckt und sagt, es gefällt ihm nicht, weil wir uns vom letzten Album unterscheiden. Oder wer bei der "Vanitas" eingestiegen ist und jetzt die neuen Sachen hört und damit nichts anfangen kann. Das geht mir doch auch so. Die Ärzte waren eine meiner ersten, also DIE erste Punkband, die ich so gehört habe. Aber was die Ärzte heute so machen, das hör' ich gar nicht mehr. Ich geh' nochmal auf ein Konzert und gucke mir das gerne an, aber Alben von denen kaufe ich mir nicht mehr. Da kann ich einfach nichts mit anfangen. Aber ich werfe der Band das nicht vor. Denn wenn sie Bock darauf haben, das zu machen - sollen sie machen!
GL: Wäre man sehr enttäuscht, wenn die Platte sich weniger verkauft als die davor?
CK: Nein, ich würde das jetzt nicht nur allein an den Verkaufszahlen festmachen. Natürlich sind Verkaufszahlen ein messbarer Punkt, wo ich sagen kann, wenn ich viele Stückzahlen verkaufe, dann scheint das auch vielen Leuten zu gefallen - und natürlich ist es schön, wenn das vielen Leuten gefällt! Dementprechend ist man natürlich auch enttäuscht, wenn das, was man da grade produziert hat und wo man so sagt "Das ist das Geilste, was wir je gemacht haben!" dann nicht so gemocht wird. Ich würde aber jetzt eher von der Akzeptanz der Musik im Allgemeinen reden als weniger von Verkaufszahlen.
GL.de: Die Verkaufszahlen waren jetzt auch nur ein Beispiel von vielen.
CK: Wir sind ja schon so realistisch, dass wir sagen "Das kann jetzt auch jederzeit wieder ganz gut nach unten gehen" und das wird vermutlich auch irgendwann passieren. Aber natürlich wäre man enttäuscht, wenn es soweit ist. Wir gehen aber auch nicht hin und sagen "Wir müssen das jetzt aber so und so machen, damit der Erfolg gehalten wir."
GL.de: Das wär' ja auch ein ziemlicher Bruch für euch, wenn ihr euch jetzt nach den anderen richten würdet und nicht mehr nach euch selbst.
CK: Das haben wir nie gemacht. Das wird uns aber tatsächlich mittlerweile auch häufig vorgeworfen. "Jetzt bist du bei JKP und da muss man das-und-das machen" und so. Und wir können dann immer nur sagen "So isses nicht!" Solange wir das und unsere Freunde und Familie das wissen, ist das auch völlig in Ordnung.
GL.de: Jetzt bist du seit 2006 in der Band.
CK: Genau, ich hab 2004 mein erstes Konzert mit den Broilers gespielt, zu dem Zeitpunkt hab ich auch noch bei den Porters Akkordeon gespielt. 2006 haben sie mich gefragt, ob ich fest als festes Bandmitglied einsteigen möchte.
GL.de: Und wie hat sich dein Leben seitdem verändert, seit du jetzt in dieser Band spielst?
CK: Mein Leben hat sich privat generell verändert, das hat dann aber auch sehr mit Kindern und so weiter zu tun. Aber ansonsten hat sich mein Leben eigentlich dahingehend verändert, dass ich einfach viel weniger Freizeit hab', weil die Band immer mehr Zeit in Anspruch genommen hat. Und ich jetzt auch einer der letzten bin oder war, der noch einen Vollzeit-Job hatte. 2011 kam dann so der Sprung mit der "Vanitas", wo man sagen konnte, jetzt ist es langsam soweit, dass man von der Musik leben kann und das auch machen muss, damit man die Musik in dem Maße auch weiter verfolgen kann. Ich war der letzte, der noch seinen Job behalten hat. Und diese Phase befindet sich jetzt auch gerade bei mir wieder im Bruch, so dass wir jetzt bald tatsächlich sagen können, wir sind alle Vollzeit-Broiler.
GL.de: Ist das ein großer Schritt für einen? Kostet das sehr viel Überwindung, den Schritt zu machen?
CK: Für mich schon, weil ich halt jemand bin, der da sehr darauf achtet, dass alles in den trockenen Tüchern ist und man die Sicherheit hat. Gerade mit Familie, wenn man natürlich auch eine ganz andere Verantwortung hat als für mich selbst. Das war ein harter Schritt, das jetzt alles so in die Hand der Band zu legen. Auch wenn's grade gut läuft, natürlich. Aber wer weiß, wie es in zehn Jahren aussieht. Aber so darf man da auch nicht rangehen und so darf man ja auch nicht denken und dann geht das.
GL.de: Wie hat sich denn die Band oder das Bandleben verändert in den letzten Jahren? Ist das ganz anders als bei deinem Einsteig oder ist das eigentlich das Gleiche wie früher, nur, dass ihr jetzt mehr Shows spielt?
CK: Die Freundschaften sind eigentlich so erhalten geblieben, wie sie mal waren. Und es ist gut zu wissen, dass das erhalten geblieben ist. Was man gemerkt hat ist natürlich, dass das Ganze zunehmend professioneller geworden ist. Also sei es die Proben oder die Häufigkeit der Proben, dass man jetzt einfach jeden Tag schon die Möglichkeit hat, sich von mittags bis abends im Proberaum einzuschließen, was einfach vorher nicht ging, weil alle noch anderen Jobs machen mussten. Oder aber auch die Shows im allgemein. Früher fuhr man am Wochenende auf Konzerte und freute sich, die ersten Konzerte zu spielen. Und dann ist das halt die größte Party, sich zu betrinken und zu feiern. Und mittlerweile ist das so, dass das auch echte Arbeit ist. Wenn man von Stadt zu Stadt reist und Tage dann auch mit Interview-Terminen vollgepackt hat und dann abends die Show spielt und jeden Morgen dann auch wieder fit sein muss - und das dann über Wochen. Da geht es dann auch nicht mehr, jeden Abend so zu feiern und sich vollaufen zu lassen. Was zwar schade ist, aber man will halt auch, dass das Ganze so'n bisschen professioneller einfach aufgezogen wird.
GL.de: Merkt man auch mehr Verantwortung, wenn man jetzt große Headliner-Shows statt kleine Club- oder Support-Shows spielt?
CK: Auf jeden Fall. Wenn man jetzt irgendwie auf 'nem kleinen Festival im Mittagsprogramm spielt oder als erste Vorband von dreien bei irgend 'ner Show, hat man natürlich auch immer den Anspruch, dem Publikum was zu bieten. Aber jetzt gerade als Headliner, wo man weiß, die Leute zahlen und kommen wegen einem selbst, hat man natürlich die Verantwortung und den Druck, dass man es den Leuten auch recht machen will. Und das finde ich auch ist ein Punkt, da geht's einfach nicht, dass wir uns einfach total hängenlassen und dass wir da einfach so'n Rotz abliefern. Da sind wir den Leuten es schuldig, dass wir eine gute Live-Show bieten.
GL.de: Ihr hattet mit unter anderem The Bones, Feine Sahne Fischfilet oder auch Jaya The Cat durchaus große Namen als Support für euch dabei. Habt ihr euch die alle persönlich ausgesucht und das selbst organisiert, oder wie lief sowas?
CK: Die haben wir dann wirklich selbst ausgesucht und selbst organisiert. Wir hatten noch 'nen anderen Wunschkandidat dabei, das war Against Me!. Das hat aber aber wegen organisatorischen Gründen von Seiten der Band nicht gepasst. Und da haben wir weiter überlegt und sind dann letzten Endes zu den Entscheidungen gekommen, die da getroffen wurden. Wir hatten mit Volxsturm und mit 4 Promille nich zwei Bands, mit denen wir schon früher was zusammen gemacht haben und auch noch eng befreundet sind. Das war uns ganz wichtig, dass wir auch solche Kollegen mit dabei haben. Aber das sind schon Dinge, die von der Band kommen. Also es ist dann immer so die Ansage "Überlegt euch mal Bands". Und dann treffen wir uns, jeder macht seine Vorschläge und dann wird so 'n bisschen diskutiert. Letzten Endes müssen dann natürlich die Bands auch sagen, ob sie Zeit haben und ob sie Spaß dran hätten und können.
GL.de: Jetzt mal ganz doof gefragt: wie wichtig ist eine Support-Band für einen Headliner. Also BRAUCHT man die eigentlich, oder ist sie nur da, weil es irgendwie dazugehört?
CK: Es gibt Leute, die sagen, die Support-Band ist doch eigentlich egal. Ich mein, man kennt das ja auch selbst, wenn man zum Konzert geht, dass man im Prinzip zum Headliner will. Aber ich finde das eigentlich nicht fair und auch nicht richtig. Wenn ich zu einer Show gehe und ich kenne die Support-Band nicht, dann höre ich die mir auf jeden Fall mal an. Natürlich ist es realistisch betrachtet so, dass die Leute erst mal für den Headliner die Kohle auf den Tisch legen wollen, aber ich find's auch wichtig, dass man den Leuten vorher was Gutes mitgibt. Und das haben wir in der Vergangenheit auch eigentlich immer versucht auf den Touren, dass wir Leuten Bands versucht haben nahezubringen und zu präsentieren, die vielleicht nicht so bekannt sind. Sei es jetzt mit Asphaltstaffel, mit Ritz oder mit The King Blues oder auch King Cannon, die wir mit auf Tour hatten Und letzten Endes war das ja für uns genauso. Wir haben damals, als es so los ging mit der "Vanitas", ja auch Touren mit den Misfits oder mit Flogging Molly gespielt. Das hat einfach unglaublich viel gebracht, wir sind einem breiteren Publikum bekannt geworden. Und das war dann so der Schritt, da ging es dann in die richtige Richtung.
GL.de: Also macht das der Headliner nur, um den Bands zu helfen, oder hat der selbst auch einen Vorteil davon bzw. braucht er die Support-Bands?
CK: Na, der Headliner hat natürlich den Vorteil, dass die Support-Band, die so richtig Stimmung machen kann, das Publikum schon aufwärmt. Das haben wir zum Beispiel gemerkt bei unserer Show am 12. Dezember in der Phillipshalle, die natürlich per se schon einfach auch eine Supershow für uns war und mit der für uns auch so ein Traum in Erfüllung gegangen ist. Das Publikum war schon so aufgeheizt, weil wir Vorbands wie die Sondaschule und die Peacocks hatten, die man jetzt auch nicht mehr dem Publikum präsentieren muss. Da muss man ganz einfach sagen, dass wir da von profitiert haben, dass sie das Publikum auch schon so aufgeheizt haben.
GL.de: Okay. Letzte Frage wäre dann, für wen würdet ihr denn gerne nochmal, oder wem würdest du denn gerne nochmal die Vorband machen?
CK: Für die Ärzte wollte ich eigentlich immer mal Support machen, aber es sind dann ja die Hosen geworden, das ist dann jetzt auch okay (lacht).