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HEATHER WOODS BRODERICK
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Mit Absicht grenzenlos
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Heather Woods Broderick ist eine echte musikalische Allzweckwaffe: Sharon Van Etten, Laura Gibson, Efterklang, Horse Feathers oder Loch Lomond - sie alle griffen schon auf die Talente der Multiinstrumentalistin, Songwriterin und Sängerin zurück. Doch die Schwester von Tausendsassa Peter Broderick kann's nicht nur für andere: Vor sechs Jahren erinnerte ihr Soloerstling "From The Ground" mit seiner Melange aus Folk und stimmungsvoll-verträumten Instrumentals an Meg Baird und Hope Sandoval, nun legt sie ihren beeindruckend vielschichtigen zweiten Alleingang namens "Glider" vor, der beweist, dass ihr gern als "Wunderkind" bezeichneter Bruder offenbar nicht das einzige musikalische Genie in der Broderick-Familie ist.
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Eigentlich hatte es die sympathisch zurückhaltende Amerikanerin gar nicht unbedingt auf eine Karriere als Musikerin abgesehen. Eher nebenbei spielte sie in verschiedenen Bands in Portland, Oregon, bis das dänische Klangkollektiv Efterklang sie vor sieben Jahren gemeinsam mit ihrem Bruder einlud, auf Welttournee zu gehen. Von der Uni und ihren Aushilfsjobs gelangweilt, musste Heather nicht lange nachdenken, bis sie Ja sagte. "Ich war 24 oder 25 und fand die Aussicht, aus den USA rauszukommen, unglaublich aufregend", erinnert sie sich im Gaesteliste.de-Interview. "Seitdem ist eine Tour auf die nächste gefolgt und in den letzten sieben Jahren war ich fast ununterbrochen unterwegs." Eine lange Zeit, die inzwischen Spuren bei Heather hinterlassen hat. "Ich fühle mich inzwischen definitiv älter", gesteht sie lachend. "Die langen Fahrten und das ganze Herumsitzen gehen mir inzwischen mehr in die Knochen als früher, aber ich schätze mich immer noch glücklich, Musik machen zu können."
Es mag eher der Zufall gewesen sein, der Heather zu einer Karriere als Musikerin führte - das Talent wurde ihr allerdings praktisch schon in die Wiege gelegt. "Meine Eltern sind beide Musiker, und so war Musik ein wichtiger Teil meiner Kindheit", erzählt sie. "Als ich acht war, zog meine Familie von Maine nach Oregon um. In der Kleinstadt, in der wir lebten, gab es nicht viel zu tun, deshalb bat ich meine Eltern, mich zum Klavierunterricht zu schicken, denn wir hatten eine Musiklehrerin, die ganz in ihrer Rolle in der Gemeinde aufging, Privatunterricht gab und auch die Schulband leitete. Ich war bei beidem dabei. So habe ich schon sehr früh viel Zeit mit dem Musikmachen verbracht."
Das Klavier war ihr erstes Instrument, doch dabei blieb es nicht lange. Heute ist Heather ihr eigenes Indie-Taschenorchester und beherrscht neben Piano, Gitarre und Bass auch Querflöte und Cello. "Ich mag die Herausforderung, die damit verbunden ist, neue Dinge zu erlernen", erklärt sie. "Querflöte war mein Instrument in der Schulband. Nach der Highschool habe ich nicht viel gespielt, bis ich dann bei Efterklang wieder damit angefangen habe. Das Klavier hat mich durch meine ganze Schulzeit begleitet, und als ich dann aufs College ging, kaufte ich mir eine Gitarre mit Nylonsaiten, damit ich ein Instrument an meiner Seite hatte, wissend, dass ein Klavier nicht in mein Wohnheimzimmer passen würde. Erst als ich dann in meiner ersten Band spielte, habe ich weitere Instrumente in die Hand genommen. Die meisten davon spiele ich inzwischen nicht mehr oder zumindest nicht besonders gut. Mit Anfang 20 habe ich dann begonnen, Cello zu spielen. Das habe ich etwas ernster genommen und ein paar Jahre Unterricht gehabt."
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Kein Wunder also, dass Heather auf "Glider" mit musikalischer Grenzenlosigkeit fesselt. Beseelt von Melancholie streift sie mit dem herrlich verwaschen klingenden Opener "Up In The Pine" Folk-Pop-Gefilde, landet mit dem eindringlichen "Wyoming" zwischen Dream-Pop und Shoegaze-Rock, nimmt mit dem makellosen 70s-Pop von "Mama Shelter" Kontakt zu ihrer inneren Stevie Nicks auf und lässt zum Abschluss beim herzerweichenden "All For A Love" eine jazzige Trompete dahinschmachten. Gemein ist den ungeheuer fantasievoll inszenierten Songs dagegen eine entrückte Grundstimmung, die perfekt zu Heathers engelsgleicher Stimme und ihren selbstreflektierenden Texten passt.
Bis zum fertigen Album war es allerdings ein weiter Weg. Schon vor einigen Jahren erzählte uns Heather, dass ihr Umzug nach Brooklyn 2011 eigentlich dem Ziel hätte dienen sollen, sich auf die Arbeit an "Glider" zu konzentrieren. Doch der Erfolg von Sharon Van Etten sorgte dafür, dass Heather mehr unterwegs als daheim war. "Auf Tour zu schreiben hat nicht wirklich funktioniert", gibt sie zu, "und wegen meines hektischen Terminplans hat es einige Jahre gedauert, bis ich das Material zusammenhatte." Aufgenommen wurde die Platte letztlich mit Unterstützung ihres Bruders und Death Cab For Cutie-Neuzugang Dave Depper im renommierten Type-Foundry-Tonstudio in Portland, bevor alle Overdubs und der Feinschliff in Peters Heimstudio namens The Sparkle hinzugefügt wurden.
Entstanden ist dabei ein klassisches Album voller klanglicher Tiefgründigkeit, nachdem Heathers Erstling vor sechs Jahren eher ein Zufallsprodukt war. "'Glider' ist eine viel absichtsvollere Platte", verrät sie. "Ich hatte das Ziel, Songs zu schreiben, die ein Album bilden sollten. Während des Schreibens habe ich Demos aufgenommen und an den Arrangements gearbeitet, und als ich dann ins Studio ging, wusste ich bereits, wie die Lieder zu klingen haben. 'From The Ground' dagegen war eher eine lose Sammlung von Songs, aus denen ursprünglich gar kein Album werden sollte. Die Instrumentalstücke auf 'From The Ground' waren eigentlich für eine 12"-Split mit einer anderen Band gedacht. Leider wurde die andere Seite nie fertig. In der Zwischenzeit hatte ich begonnen, Songs mit Text zu schreiben, und die Instrumentals und die neuen Songs mit Worten schienen sich einfach gut zu ergänzen."
Eine so schonungslos offene Kartografin von Herzensangelegenheiten wie ihre Freundin Sharon Van Etten will Heather allerdings nicht sein. "Ich habe viel Zeit für die Texte aufgewendet, um sicher zu sein, dass ich das sage, was ich sagen wollte, aber ich habe nicht das Gefühl, dass sie deshalb die Musik überschatten. Melodien und mein Faible für instrumentale Arrangements spielen eine sehr wichtige Rolle in meinen Songs", sagt sie bestimmt. Trotzdem sind ihre Songs "Reflexionen von Erfahrungen, die ich mit Freunden, Familien und mir nahestehenden Menschen hatte", wie sie selbst sagt. Die vielen Jahre des unablässigen Tourens und der Wurzellosigkeit - in den letzten sechs Jahren lebte sie in Kopenhagen, Berlin, Brooklyn und Oregon - haben deutliche Spuren auf dem neuen Album hinterlassen, teils in musikalischer Form, teils in den Texten. "Mir ist bewusst geworden, dass ich die Songs auf 'Glider' und die Zeit, die ich auf das Schreiben verwendet habe, dazu benutzt habe, mich Dingen zu widmen, die ich zuvor aufgeschoben hatte, und mir Klarheit über verschiedene Ereignisse zu verschaffen", erklärt sie.
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Doch auch als Musikerin weiß sie, wo sie steht. Trotz ihres ausgezeichneten neuen Albums sieht sich Heather ganz bescheiden auch weiterhin vor allem als Teamplayerin. "Ich habe nicht wirklich das Gefühl, dass ich nun, da meine zweite Platte erscheint, eine Solokünstlerin bin", sagt sie. "Ich mag es, alle möglichen Arten von Musik mit vielen verschiedenen Leuten zu spielen, und meine Soloplatten sind nur eines von vielen Projekten. Ich plane, auch in Zukunft zu kollaborieren und mit anderen Musik zu machen und dabei weiterzukommen."
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Weitere Infos:
www.heatherwoodsbroderick.com
westernvinyl.com/artists/heather-woods-broderick.php instagram.com/woodsbroderick twitter.com/@_H_W_B_
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Interview: -Carsten Wohlfeld- Foto: -Dusdin Condren-
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Aktueller Tonträger: Glider (Western Vinyl/Cargo)
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