Gaesteliste.de: Mackenzie, was hat sich seit der Veröffentlichung deines Debüts geändert?
Torres: Eigentlich hat sich nicht viel verändert, aber ich genieße es heute mehr, weil mir inzwischen klarer ist, was ich tue. Ich nähere mich meinen Zielen immer mehr, nachdem ich daran hinter den Kulissen bereits mehrere Jahre und dann seit Anfang 2013 unter dem Namen Torres gearbeitet habe. Ich mache das alles nun seit rund zweieinhalb Jahren professionell, und inzwischen verstehe ich die Abläufe besser. Ich weiß heute einfach eher, was mich erwartet - ich habe zum Beispiel hier im Gebäude 9 bereits vor zwei Jahren gespielt -, und das sorgt eine Behaglichkeit, die ich vor Jahren noch nicht kannte.
Gaesteliste.de: Wenn du sagst, dass du in den letzten zwei Jahren viel dazugelernt hast, was war das Wichtigste dabei?
Torres: Der größte Unterschied ist sicherlich, dass ich zuvor das Auf-Tour-Sein und mein Leben daheim als zwei unabhängige Dinge betrachtet habe. Ich hatte das Gefühl, dass ich auf Tour keine Annehmlichkeiten haben kann. Ich fühlte mich wie eine Märtyrerin und dachte, ich muss das Unterwegssein durchleiden. Eigentlich ist durchleiden nicht das richtige Wort, weil ich immer gerne auf Tour gewesen bin, aber ich hatte das Gefühl, dass ich auf gewisse Annehmlichkeiten verzichten muss, um als tourende Musikerin erfolgreich zu sein. Inzwischen versuche ich, das Leben unterwegs genauso anzugehen wie mein Leben zu Hause, schließlich bin ich gewissermaßen unterwegs daheim. Ich versuche, die Übergänge zwischen Heim und Tour so bruchlos wie möglich zu gestalten. Dazu gehören kleine Rituale, etwa, überallhin eine Kerze und Räucherstäbchen mitzunehmen oder gesund zu essen. Es geht darum, sicherzustellen, dass sich nicht viel ändert, wenn ich nicht daheim bin.
Gaesteliste.de: Bob Dylan hat einmal sinngemäß gesagt, dass man das Unterwegssein als Zuhause akzeptieren muss, damit man kein Heimweh bekommt. Auch bei dir scheint es darum zu gehen, sich mit dem Leben aus dem Koffer zu arrangieren?
Torres: Genau! Ich möchte nicht unterwegs sein und ständig denken, dass ich viel lieber zu Hause wäre. Dann hätte ich das Gefühl, dass ich daheim etwas zurückgelassen hätte, das wichtiger ist als das, was ich unterwegs auf der Bühne mache - und das stimmt einfach nicht (lacht).
Gaesteliste.de: Dein neues Album ist wirklich außergewöhnlich. Bei den meisten Künstlern ist die zweite Platte ja nur ein Abziehbild der ersten, oder sie fallen nach langen Konzerttouren in ein Loch, und daraus resultieren dann chaotisch-krachige Platten. Krachig und aggressiv ist dein Zweitwerk auch, aber ganz offensichtlich mit voller Absicht?
Torres: Die Platte klingt, wie sie klingt, wegen der Dinge, die sich seit dem Schreiben meines ersten Albums ereignet haben. Meine erste Platte ist toll, ich bin sehr stolz darauf und würde daran nichts verändern wollen, aber sie war in vielerlei Hinsicht zu höflich. Je mehr ich dann live spielte, desto mehr stellte ich fest, dass ich gar nicht so bin. Die Live-Performances entwickelten auf ganz natürliche Weise ein gewisses Maß an Aggressivität - natürlich nicht ausschließlich, ich mag es gerne dynamisch -, aber nichtsdestotrotz waren die Konzerte eine viel aggressivere Befreiung, als ich das erwartet hätte. Mein erstes Album war deshalb schnell überhaupt nicht mehr repräsentativ für das, was ich jeden Abend auf der Bühne machte. Mein Hauptanliegen bei den Aufnahmen war es deshalb, ein akkurateres Abbild meiner Konzerte zu schaffen, denn die Songs live zu spielen ist das, was ich am liebsten mache.
Gaesteliste.de: Auch textlich gehst du damit einen anderen Weg als viele ähnlich inspirierte Künstler, die auf der ersten Platte betont offen sind und dann auf der zweiten Platte kalte Füße kriegen, weil sie wissen, dass sie die Inhalte mit Journalisten diskutieren und die Songs jeden Abend auf der Bühne singen müssen...
Torres (lacht): Natürlich habe ich es immer noch in der Hand, bestimmte Dinge zurückzuhalten. Ich denke, ich teile all das mit dem Publikum, mit dem ich mich wohlfühle. Innerhalb dieses Rahmens bin ich auch bereit, über alles zu sprechen.
Gaesteliste.de: Heißt das, dass du manchmal zu Hause sitzt, einen Text schreibst und dann denkst: Nee, das kann ich nicht an die Öffentlichkeit tragen?
Torres: Nein, tatsächlich ist es umgekehrt. Wenn ich vor meinem Blatt Papier sitze, etwas schreibe und dann denke: "Ach du meine Güte, kann ich das bringen?", dann weiß ich, dass ich einen Song daraus machen muss. Wenn ich unsicher bin, dann zwinge ich mich dazu, es durchzuziehen (lacht). Die Sachen, über die die meisten Leute im ersten Moment lieber nicht sprechen wollen, sind genau die, die ich zum Thema mache. Ich finde sie nicht nur interessanter; meine wichtigste Motivation ist, mit Menschen in Kontakt zu kommen, und ich möchte, dass diese Verbindung so ehrlich wie möglich ist.
Gaesteliste.de: Ist es Zufall oder Absicht, dass es textliche Bindeglieder zwischen der ersten und zweiten Platte gibt?
Torres: Bis zu einem gewissen Grad war das Absicht, beide Platten zu verbinden. Ich hatte das Gefühl, dass ich einige Themen, wie zum Beispiel meine Adoption, auf der ersten Platte noch nicht so ausführlich thematisiert hatte, wie ich wollte. Mir ist allerdings erst im Rückblick aufgefallen, dass ich dazu noch viel mehr zu sagen hatte. Sobald mir das klar wurde, habe ich absichtlich nach Wegen gesucht, die Platten zu verbinden. Ich mag thematisch zusammenhängende Alben und liebe es, wenn Künstler nicht nur in sich geschlossene Alben machen, sondern auch Bindeglieder zwischen all ihren Alben existieren.
Gaesteliste.de: Hast du ein Beispiel dafür?
Torres (überlegt lange): Jetzt wo du fragst... hmm. Vielleicht ist das, was ich jetzt sage, faktisch falsch, aber ich glaube, dass Kate Bush das eigentliche Titelstück meines Lieblingsalbums von ihr, "The Dreaming", erst auf einer folgenden Platte veröffentlicht hat. Den meisten Leuten fällt das vermutlich gar nicht auf, aber dennoch ist es ein kleines Bonbon für die echten Fans.
Gaesteliste.de: Adam Franklin von Swervedriver ist auch Experte dafür. Bei inzwischen drei Soloalben in Folge ist das eigentliche Titelstück erst auf der nächsten Platte erschienen!
Torres: (lacht) Das ist toll! Genau so etwas liebe ich!
Gaesteliste.de: In den Interviews zu "Sprinter" wurde auch oft dein Umzug nach Brooklyn und der damit verbundene Absprung ins Erwachsenenleben thematisiert. Hast du manchmal nostalgische Gefühle, wenn du auf deine Jugend in Tennessee zurückblickst?
Torres: Nostalgie wird es immer geben, aber ich bin mir sicher, dass mein Leben in Nashville für die damalige Zeit genau das Richtige war, aber ich habe keine Intention, zu diesem Lebensstil zurückzukehren. Mit Lebensstil meine ich, dass ich stundenlang auf der Veranda herumgesessen habe und Kaffee oder Whiskey getrunken habe und missmutige Songs geschrieben habe. Das war toll, solange ich auf dem College war, aber jetzt würde ich meine Zeit nicht mehr so verbringen wollen. Es ist schön, dass ich das in Tennessee zurückgelassen habe.
Gaesteliste.de: Veränderung und Bewegung sind also ein kreativer Motor? Musst du nun für jedes neue Album umziehen, oder kannst du dir vorstellen, weitere Platten mit Brooklyn als Homebase zu machen?
Torres: Darüber habe ich viel nachgedacht, und ich denke, dass ich das könnte. Wichtig wäre nur, dass ich ständig neue Orte finde, an denen ich schreiben und aufnehmen könnte. Solange ich sicherstelle, dass die Energie im kreativen Prozess eine andere ist, könnte ich sicher weiter in Brooklyn leben.