GL.de: Wir waren freudig überrascht, dass du nach fünf Jahren Pause nun gleich zwei neue Platten kurz hintereinander veröffentlichst. Warst du selbst auch überrascht oder hast du diesen Schritt während der Reunion deiner alten Band Generation D in den letzten Jahren sorgfältig geplant?
Jesse: Ich sitze in dunklen Bars, wo mich niemand kennt, ganz versteckt in der Ecke und plane meine nächsten Schritte. Ich denke, das ist das, was "bar life" wirklich ausmacht! Nach fünf Jahren ohne Platte haben ich nun zwei, fast drei aufgenommen - dazu noch eine mit Generation D. Scheiß auf das Musikbusiness, lass uns tanzen, lass uns Kunst erschaffen! "Outsiders" hat eine Menge Spaß gemacht, das Album ist für all die traurigen Jungs und die ausgestoßenen Superhelden da draußen.
GL.de: Wenn wir sagen würden, bei den beiden Alben dieses Jahr stand weniger Jesse, der Dichter, der immer alles ganz genau machen will, sondern Jesse, der Rock'n'Roller, der seinen Instinkten folgt, im Vordergrund - könntest du zustimmen?
Jesse: Das könnte man so sehen, dennoch sind letztlich auch "New York Before The War" und "Outsiders" eine Kombination aus brabbelnden Poesie-Kritzeleien in meinen Notizheften und der rohen Urgewalt von Rumhüpfen-bei-Tequila-Jams in Hotelzimmern, Garderoben und unserem alten Lieblingsproberaum in New York, Tu Casa.
GL.de: Der Waschzettel deines Labels beschreibt die neue Platte als deine raueste bisher und wir schließen uns da gerne an. Wünschst du rückblickend, dass du diesen Weg schon früher eingeschlagen hättest, oder waren dir zuvor einfach andere Dinge wichtiger?
Jesse: Ich denke, mein Produzent Don DiLego hat mich ein wenig in diese Richtung geschubst, und weil ich selbst auch ziemlich aufgeregt war, nach so langer Zeit wieder im Studio zu sein, kamen am Ende mehr Songs dabei heraus, als ich unterbringen konnte. Der gute Teil des Prozesses ist, den Bullshit rauszuwerfen. Ich glaube nicht, dass ich zwei Songs wie "The Hustlers" und "San Francisco" vor zehn Jahren auf der gleichen Platte hätte veröffentlichen können. Ich wäre zu befangen gewesen.
GL.de: Du hast an anderer Stelle gesagt, dass dich bei "Outsiders" Abscheu und Optimismus angetrieben haben. In welcher Hinsicht?
Jesse: Ich bin angewidert davon, wie wenig Liebe die Menschen füreinander empfinden, von der Selbstsucht, der Gier, den Kriegen, dem Hass, den Religionen, die uns auseinanderbringen, der Technik, die uns weiterbringt, aber gleichzeitig lähmt. Wir starren auf Mobiltelefone und verlieren das Gefühl für den Moment - digital, austauschbar und oberflächlich (ich schließe mich selbst durchaus ein). Viel auf den letzten beiden Platten dreht sich um den Abscheu vor mir selbst, aber es gibt auch immer wieder einen neuen Tag, und Wiedergutmachung ist auch eines der Themen, genauso das Anfassen von Dingen, das Überwinden von Schuld und Angst, um mit den Menschen in Kontakt zu treten - durch Musik, in Gesprächen und auf jede erdenkliche Art der Interaktion. So düster meine Gedanken manchmal auch sind, ich finde immer einen kleinen Hoffnungsschimmer, der mich durchhalten lässt.
GL.de: Nach deinem Duett mit Bruce Springsteen auf "Glitter In The Gutter" (2007) dachten wir schon, besser wird es nicht. Aber allein in diesem Jahr hast du mit Peter Buck von R.E.M. und Wayne Kramer von MC5 zusammengearbeitet und dir die Bühne mit alten Helden wie den Replacements und Cheap Trick geteilt...
Jesse: Es ist immer eine Ehre, mit solch tollen Musikern zu spielen, und es ist natürlich etwas ganz Besonderes, wenn du sie früher im Radio gehört und als Fanboy ihre Platten gekauft hast. Viele von ihnen habe ich einfach unterwegs getroffen, den Koffer in der einen Hand, die Gitarre in der anderen. Ich bin sehr dankbar für die Unterstützung dieser Künstler und dass sie ihre Duftmarken auf meinen Platten hinterlassen haben. Sehr dankbar bin ich allerdings auch den Musikern in meiner Band. Sie sind die echten Stars in meinem Leben. Ohne sie wäre ich nur ein Supermarkt-Busker mit ein paar verrückten Ideen.
GL.de: Du hast ohne Frage gerade einen Lauf - geht das so weiter?
Jesse: Ich glaube nicht, dass ich je wieder fünf Jahre zwischen Platten verstreichen lassen werde, es sei denn, ich gehe zum Militär oder so. Ich denke schon über die nächste nach!