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TURBOSTAAT
 
Neue Weiten
Turbostaat
"'Abalonia', was für ein geiles Album", schrieben wir in der Rezension. "Die neuen Songs haben wieder diese besondere Aura, diese Einzigartigkeit und auf eine sanfte Art eine gewisse Sperrigkeit. Turbostaat frickeln wieder mehr, verwirren und fordern, versuchen und überraschen." Und damit machten Turbostaat vieles wieder gut, weil der direkte Vorgänger, weil "Stadt der Angst" eben nicht so richtig super war. Und sie machten es noch viel besser, als sie direkt nach der Veröffentlichung von "Abalonia" auf eine kleine Release-Tour gingen, auf der sie in winzigen Clubs das komplette Album spielten. Vor dem ersten dieser Konzerte im Hamburger Hafenklang trafen wir Turbostaat-Gitarrist Rollo Santos. Und freuen uns jetzt auf die nächste, die richtige Tour.
GL.de: Wie findest du "Stadt der Angst"?

Rollo: Durchwachsen. Ist ja meine private Meinung, nicht die Meinung der Band. Aber hätte man das Album auf zehn Lieder runter gekürzt, hätte es ihm sicher nicht schlecht getan. Dazu kommt noch, dass die Reihenfolge der Lieder nicht gut ist. Das alles musste schnell passieren, die Reihenfolge der Songs haben wir auf Tour gemacht, in der Nacht, als jeder in einem anderen Zimmer war. Über WhatsApp. Das hat halt nicht funktioniert, es fängt schon mit dem falschen ersten Lied an.

GL.de: Jetzt ist "Abalonia" alleine vom Härtegrad nicht sehr viel anders, aber trotzdem denkt man sofort "Alter, was ist hier los?" Das kann aber nicht nur an der Reihenfolge der Songs liegen oder?

Rollo: Das hat auch mit der Reihenfolge zu tun, das glaub ich schon. Aber auch, wie die Platte klingt. Wir waren dieses Mal im Hansa Studio, ein ganz tolles Studio mit ganz großer Historie und wahnsinng tollen Geräten. Und wir hatten mit Peter Schmidt eine alte Koryphäe als Mischer. Der hat unsere ganze Platte für den Preis gemischt, den er eigentlich für ein Lied bekomt, weil er uns mag. Er hat früher viel mit unserem Produzenten Moses Schneider gearbeitet und macht sonst so Sachen wie Seeed und Peter Fox, früher hat er auch mit Depeche Mode gearbeitet. Der hat ganz viele analoge Spielereien und das klingt einfach fantastisch. Jetzt haben die Instrumente auch viel mehr Platz, bei "Stadt der Angst" klang vieles doch sehr gedrungen.

GL.de: Spielt der Vorgänger beim Arbeiten an einem neuen Album eine Rolle?

Rollo: Ja, schon. Wir haben auf jeder Platte neue Elemente aufgenommen und einige mochten wir, die haben wir dann in unseren Sound übernommen. Andere haben nicht so funktioniert, die haben wir dann beim nächsten Mal gelassen. Wobei es gerade diese nicht so guten Ideen sind, die den direkten Nachfolger besonders beeinflussen.

GL.de: Was war euch dieses Mal musikalisch besonders wichtig?

Rollo: Wir wollten auch instrumental erzählerischer werden. Normalerweise sind Lieder nach Strophe - Refrain - Strophe - Refrain - Zwischenteil - Refrain - Schluss aufgebaut, eben nach diesem Beatles-Rezept und wie fast jedes Lied funktioniert. Wir wollten das bei dieser Platte anders machen. Einmal, um es für uns selbst interessant zu halten. Und einmal, um Martens eher erzählendem Schreibstil der Texte ein bisschen nachzukommen. Das erste Lied zum Beispiel, "Ruperts Grün", fängt eigentlich wie ein klassisches Turbostaat-Lied an, mit lauter Strophe, leiser Strophe mit Gesang, dann kommt der Refrain. Am Schluss aber haben wir das ganze Lied gebrochen, einen langen elegischen Teil gemacht, es geht runter, nimmt langsam Fahrt und gibt am Ende noch mal richtig Stoff. Und so was hat uns bei der Platte sehr viel Spaß gemacht. Das geht natürlich nicht bei jedem Song, aber man merkt schnell im Proberaum, wann es zu schade wäre, bei der klassischen Liedformel zu bleiben, und es sich lohnen würde, ein bisschen mehr Mühe und Grips reinzustecken.

Nimm zum Beispiel "Wolter". Das Lied besteht ja eigentlich aus drei Teilen. Das fängt mit zwei Minuten Intro an, dann hast du einen Liedteil mit Strophe und Refrain und dann ein Outro in einer anderen Geschwindigkeit. Da dachte ich mir vorher, dass der Liedteil nicht alles gewesen sein kann, da müsste doch ein geiles, lange Intro davor. Wir wurden in den 1990ern musikalisch sozialisiert, mit dem, was damals Emo hieß, und da war es Gang und Gäbe, dass die Bands mal vier Minuten nicht gesungen, sondern leise auf zwei Tönen rumgedangelt haben. Und das fanden wir voll super. Und das haben wir da eben auch gemacht und so mit dem Intro vor einem der poppigsten Lieder, das wir in unserem Leben gemacht haben, eigentlich die Single versaut.

GL.de: Stichwort Konzeptalbum.

Rollo: Das ist ein Missverständnis, "Abalonia" ist kein Konzeptalbum, wie ich Konzeptalbum definieren würde. Marten und Moses haben irgendwann festgestellt, wenn man die Lieder so und so sieht und die Reihenfolge so und so macht, ergibt das eine erzählerische Geschichte.

GL.de: Es gab also erst die Songs?

Rollo: Genau. Das Grundthema "Reise" hat Marten beschäftigt und viele Lieder handeln davon. Ich sage jetzt bewusst "Reise" und nicht "Flucht", auch wenn das nicht untreffend ist. Doch durch tagespolitische Ereignisse bekommt das sonst so eine andere Dimension. Zeit Online hat zum Beispiel geschrieben, dass wir die Flüchtlingspolitik behandeln würden und das wäre uns so "geht so gut" gelungen. Das hab ich dann bei Facebook kommentiert, dass sie das falsch verstanden haben, das ist gar nicht so gemeint gewesen, es geht nicht um die Flüchtlingskrise, es geht um eine Reise. Es beginnt mit "Ruperts Grün" und den Worten "Komm mit mir, wir bleiben nicht zum Sterben hier" und endet mit "Abalonia" und einem idealen Ort. Was immer der sein mag und der vielleicht niemals erreicht werden kann.

GL.de: Wäre ein klassisches Konzeptalbum denn was für Turbostaat?

Rollo: Das wäre schon interessant. Vielleicht nicht beim nächsten Album, aber vielleicht denkt man irgendwann, es wäre langweilig, einfach nur Lieder zu machen. Und wenn man dann Zeit und Ideen hat, warum nicht. Wir haben zwar schon ein Grundthema für das nächste Album, aber das wird kein Konzeptalbum.

GL.de: Müsst ihr euch oder wollt ihr euch in musikalischen Grenzen bewegen?

Rollo: Das wollen wir. Wir haben unsere Grenzen dieses Mal aber ganz schön ausgelotet. So ein Lied wie "Eisenmann" hätten wir auf unserem letzten Album noch nicht machen können. Es wurden Sachen durchgewunken, die es früher nicht mal aus dem Proberaum geschafft hätten. Das war aber gar kein bewusster Schritt. Marten ist so ein Erneuerer, der sich gar nicht mit alten Sachen beschäftigt, da muss immer alles neu und anders sein. Und ich bin eher der Traditionalist in der Band und mir gefällt auch immer die Musik, die wir gemacht haben. Moses sagt immer, dass es total gut ist, dass wir diese beiden Kräfte in der Band haben. Einer der nach vorne sieht und einer, der so ein bisschen die Geschmackspolizei ist und sagt, was uns nicht steht. Denn das kennt doch jeder, wenn die Band, die man liebt, von sich selbst gelangweilt ist und dann was völlig anderes macht, und man sich fragt, ob die bescheuert sind. Was denkt ihr, wer ihr seid?

Es spielt sich bei uns schon alles in einem Rahmen ab. Wobei wir bei dieser Platte auch festgestellt haben, dass es nicht ganz egal ist, aber die Band kann instrumental schon ganz schön viel vorlegen - wenn Jan drauf singt, ist es Turbostaat. Da kann man dann auch mal so triphoppige Strophen haben wie in "Eisenmann" haben, wenn Jan dann drüber schimpft, weiß jeder, was Sache ist.

GL.de: Wie würdest du "Abalonia" mit einem Wort oder einem Satz beschreiben?

Rollo: Es ist das Album mit der größten Weite. Dazu passt eigentlich das Cover ganz gut, das sind ja wir, die in Husum auf einer Lahn stehen und um uns herum ist das Watt.

GL.de: Für mich ist es das seltsamste Album. Ich hab zum Beispiel beim Einkaufen euer Album gehört und musste bei "Der Wels" plötzlich mit dem Kopf wippen und auf den Einkaufswagen klopfen, ohne eigentlich zu wissen, warum gerade jetzt.

Rollo: "Der Wels" ist auch ein total gutes Beispiel für das, worüber wir eben gesprochen haben. Das ist ein Lied, das wir früher nie so gemacht hätten. Das hat diesen Basslauf, den muss man lernen zu mögen. Der Song war eigentlich nicht für die Platte bestimmt und war noch viel kürzer. Aber Moses fand ihn so toll und meinte, es wäre schade, ihn nicht zu nehmen, wir sollen doch noch eine Strophe machen und den Refrain wiederholen. Der Song untermalt auch noch mal, dass "Abalonia" kein Konzeptalbum ist, denn er hat mit der Geschichte, die nachher entstanden ist, überhaupt nichts zu tun. Der Text ist der letzte, der entstanden ist, und er ist tatsächlich explizit auf die Pegida-Scheiße bezogen, der hat mit dem von außen aufgestülpten Konzept nichts zu tun.

GL.de: Lass uns noch kurz über das Artwork sprechen.

Rollo: Wir haben einen Fotografen kennengelernt, Horni, der ganz fantastische Fotos macht. Aber wir wollten eine bestimmte Optik haben, ohne scharfe Fotos, sondern mit verschwommenen Bildern, sehr nebelig und so. Also hat sich Stefan Weiher, der Gitarrist von Love A und Grafiker ist, die Fotos von Horni genommen und ist auf die Idee gekommen, ein scharfes Bild an die Wand zu projezieren und es dann mit einem iPhone durch einen Flaschenhals zu fotografieren. Das ist also alles von Hand, da ist nichts am Computer entstanden. Und für das Video zu "Abalonia" hat sich Kay Otto extra Linsen anfertigen lassen, um diesen Effekt zu bekommen.

Weitere Infos:
www.turbostaat.de
www.facebook.com/turbostaat
Interview: -Mathias Frank-
Foto: -Pressefreigabe-
Turbostaat
Aktueller Tonträger:
Abalonia
(Pias/Rough Trade)
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