GL.de: Stichwort Konzeptalbum.
Rollo: Das ist ein Missverständnis, "Abalonia" ist kein Konzeptalbum, wie ich Konzeptalbum definieren würde. Marten und Moses haben irgendwann festgestellt, wenn man die Lieder so und so sieht und die Reihenfolge so und so macht, ergibt das eine erzählerische Geschichte.
GL.de: Es gab also erst die Songs?
Rollo: Genau. Das Grundthema "Reise" hat Marten beschäftigt und viele Lieder handeln davon. Ich sage jetzt bewusst "Reise" und nicht "Flucht", auch wenn das nicht untreffend ist. Doch durch tagespolitische Ereignisse bekommt das sonst so eine andere Dimension. Zeit Online hat zum Beispiel geschrieben, dass wir die Flüchtlingspolitik behandeln würden und das wäre uns so "geht so gut" gelungen. Das hab ich dann bei Facebook kommentiert, dass sie das falsch verstanden haben, das ist gar nicht so gemeint gewesen, es geht nicht um die Flüchtlingskrise, es geht um eine Reise. Es beginnt mit "Ruperts Grün" und den Worten "Komm mit mir, wir bleiben nicht zum Sterben hier" und endet mit "Abalonia" und einem idealen Ort. Was immer der sein mag und der vielleicht niemals erreicht werden kann.
GL.de: Wäre ein klassisches Konzeptalbum denn was für Turbostaat?
Rollo: Das wäre schon interessant. Vielleicht nicht beim nächsten Album, aber vielleicht denkt man irgendwann, es wäre langweilig, einfach nur Lieder zu machen. Und wenn man dann Zeit und Ideen hat, warum nicht. Wir haben zwar schon ein Grundthema für das nächste Album, aber das wird kein Konzeptalbum.
GL.de: Müsst ihr euch oder wollt ihr euch in musikalischen Grenzen bewegen?
Rollo: Das wollen wir. Wir haben unsere Grenzen dieses Mal aber ganz schön ausgelotet. So ein Lied wie "Eisenmann" hätten wir auf unserem letzten Album noch nicht machen können. Es wurden Sachen durchgewunken, die es früher nicht mal aus dem Proberaum geschafft hätten. Das war aber gar kein bewusster Schritt. Marten ist so ein Erneuerer, der sich gar nicht mit alten Sachen beschäftigt, da muss immer alles neu und anders sein. Und ich bin eher der Traditionalist in der Band und mir gefällt auch immer die Musik, die wir gemacht haben. Moses sagt immer, dass es total gut ist, dass wir diese beiden Kräfte in der Band haben. Einer der nach vorne sieht und einer, der so ein bisschen die Geschmackspolizei ist und sagt, was uns nicht steht. Denn das kennt doch jeder, wenn die Band, die man liebt, von sich selbst gelangweilt ist und dann was völlig anderes macht, und man sich fragt, ob die bescheuert sind. Was denkt ihr, wer ihr seid?
Es spielt sich bei uns schon alles in einem Rahmen ab. Wobei wir bei dieser Platte auch festgestellt haben, dass es nicht ganz egal ist, aber die Band kann instrumental schon ganz schön viel vorlegen - wenn Jan drauf singt, ist es Turbostaat. Da kann man dann auch mal so triphoppige Strophen haben wie in "Eisenmann" haben, wenn Jan dann drüber schimpft, weiß jeder, was Sache ist.
GL.de: Wie würdest du "Abalonia" mit einem Wort oder einem Satz beschreiben?
Rollo: Es ist das Album mit der größten Weite. Dazu passt eigentlich das Cover ganz gut, das sind ja wir, die in Husum auf einer Lahn stehen und um uns herum ist das Watt.
GL.de: Für mich ist es das seltsamste Album. Ich hab zum Beispiel beim Einkaufen euer Album gehört und musste bei "Der Wels" plötzlich mit dem Kopf wippen und auf den Einkaufswagen klopfen, ohne eigentlich zu wissen, warum gerade jetzt.
Rollo: "Der Wels" ist auch ein total gutes Beispiel für das, worüber wir eben gesprochen haben. Das ist ein Lied, das wir früher nie so gemacht hätten. Das hat diesen Basslauf, den muss man lernen zu mögen. Der Song war eigentlich nicht für die Platte bestimmt und war noch viel kürzer. Aber Moses fand ihn so toll und meinte, es wäre schade, ihn nicht zu nehmen, wir sollen doch noch eine Strophe machen und den Refrain wiederholen. Der Song untermalt auch noch mal, dass "Abalonia" kein Konzeptalbum ist, denn er hat mit der Geschichte, die nachher entstanden ist, überhaupt nichts zu tun. Der Text ist der letzte, der entstanden ist, und er ist tatsächlich explizit auf die Pegida-Scheiße bezogen, der hat mit dem von außen aufgestülpten Konzept nichts zu tun.
GL.de: Lass uns noch kurz über das Artwork sprechen.
Rollo: Wir haben einen Fotografen kennengelernt, Horni, der ganz fantastische Fotos macht. Aber wir wollten eine bestimmte Optik haben, ohne scharfe Fotos, sondern mit verschwommenen Bildern, sehr nebelig und so. Also hat sich Stefan Weiher, der Gitarrist von Love A und Grafiker ist, die Fotos von Horni genommen und ist auf die Idee gekommen, ein scharfes Bild an die Wand zu projezieren und es dann mit einem iPhone durch einen Flaschenhals zu fotografieren. Das ist also alles von Hand, da ist nichts am Computer entstanden. Und für das Video zu "Abalonia" hat sich Kay Otto extra Linsen anfertigen lassen, um diesen Effekt zu bekommen.