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LARKIN POE
 
Rock-Junkies
Larkin Poe
Ein wenig kompliziert ist das Ganze schon irgendwie: Das offizielle Debüt-Album von Rebecca und Megan Lovell - besser bekannt unter dem Namen ihres Urahnen Larkin Poe - hieß "Kin" und erschien 2014 - nachdem die Damen bereits einen ganzen Stapel an selbst verlegten EPs veröffentlicht hatten. Darauf zu hören gab es eine musikalisch runderneuerte Version von Larkin Poe zu entdecken - denn Rebecca und Megan wollten weg von ihrem Image als Folk-Pop-Queens, die unter anderem aus den musikalischen Anfängen herrührten, als die beiden - zusammen mit ihrer Schwester Jessica - als Teil der Lovell Sisters mit Bluegrass und Folk ihre Laufbahn begannen. So weit so gut: Es folgten dann diverse Touren, auf denen das Publikum dann auch mit einer härteren musikalischen Gangart empfangen wurden und Rock-, Blues-, und Powerpop-Elemente den musikalischen Mix dominierten. Das erklärt aber immer noch nicht, warum das Album nun - unter dem Titel "Reskinned" - noch ein Mal erscheint, mit fünf neuen Songs aufwartet und einen nochmals härteren Sound bei den bereits bekannten Titeln offeriert. Also: Was ist denn da passiert? Es kommt ja nicht alle Tage vor, dass eine Band mit gleich zwei Debütalben aufwartet.
"Das stimmt wohl - aber wir sind ja nicht gern wie andere", meint Rebecca nur teilweise scherzend, "wir haben bis Ende letzten Jahres so viel getourt und waren monatelang unterwegs. Dabei ist uns aufgefallen, dass wir das Rock-Element, was wir in unseren Shows präsentieren, noch stärker in unseren Aufnahmen zur Geltung bringen müssten. Wir mögen 'Kin' zwar und und sind auch stolz darauf, aber die Sache mit der Rockmusik ist zum Teil unserer Seele geworden. Dann sprach uns die Plattenfirma Universal an und fragte, ob sie 'Kin' lizenzieren könne. Wir haben uns dann mit denen zusammengesetzt und deutlich gemacht, dass uns dieser Aspekt sehr wichtig ist."

Zu diesem Thema: Es gibt ja nicht wenige Freunde und Verehrer von Larkin Poe, die gerade den ursprünglichen Folk-Pop-Ansatz sehr gern mochten. Warum ist es Rebecca und Megan eigentlich so wichtig, den Rock-Appeal dergestalt zu betonen? "Also die Leute stecken dich ja gerne in eine Schublade - und das kann dann sehr hinderlich sein", meint Megan vorsichtig, "was wir aber für uns herausgefunden haben, ist, dass wir weniger darum geben sollten, was andere Leute von uns halten und wir uns auch nicht sagen lassen wollen, wie wir zu klingen hätten. Wir müssen uns darum kümmern, was wir fühlen. Und was wir gerne machen, ist Rockmusik zu spielen. Es hat ja auch eine Weile gedauert, bis wir dazu gekommen sind, aber nun ist uns das ganz klar." - "Und ehrlich gesagt, mussten wir uns ja auch erst mal dahin entwickeln", gibt Rebecca zu bedenken, "wir haben ja damit angefangen, mit akustischen Instrumenten Americana-Musik zu spielen und an den Gedanken, eine elektrische Gitarre durch einen Verstärker zu spielen, musste ich mich auch erst mal gewöhnen. Und das will ja auch erst mal gelernt werden."

Larkin Poe
Bei unserem ersten Gespräch berichtete Rebecca, dass sie dereinst alleine ausgezogen sei, um möglichst perfekt Mandoline zu spielen - was sie heutzutage fast gar nicht mehr tut. Vermisst sie das denn gar nicht? "Wir lieben nach wie vor Led Zeppelin, wenn es das ist, was du meinst", erklärt Rebecca, "und die haben ja auch Mandolinen verwendet. Es gibt also einen Platz dafür - man muss diesen nur finden. Um ehrlich zu sein, ist es aber schwierig, ein akustisches Instrument in einem Rock-Kontext zu platzieren. Und dann ist es auch ein logistisches Problem - weil wir auf Tour eigentlich nur das mitnehmen, was wir auch selbst tragen können. Und da bleibt die Mandoline am ehesten zu Hause." Und was passiert mit dem Gesang im Rock-Kontext? Der muss doch sicherlich auch angepasst werden, oder? "In der Tat", bestätigt Rebecca, "ich denke auch, dass ich mich ein wenig verändert habe. Ich singe heute aggressiver und achte mehr auf den Rhythmus - versuche also, auf gewisse Weise perkussiv zu singen - auch deswegen, weil die neuen Texte heutzutage mehr 'stream of consciousness' angelegt sind. Wenn man sich ältere Larkin Poe-Aufnahmen anhört, wird man feststellen, dass ich damals vorsichtiger, schöner gesungen habe. Das mag ich auch aber heutzutage versuche ich mehr Kraft in meinen Gesang zu legen. Am Ende des Tages musst du aber mit der Stimme auskommen, die du nun mal hast."

Was bedeutet das in Bezug auf die neue Produktion des Albums? "Es war uns sehr wichtig, dass wir in der glücklichen Lage waren, mit Leuten zusammenarbeiten zu können, die uns nicht einen eigenen Sound aufzudrücken, sondern uns gefragt haben, wie es klingen soll", wirft Rebecca ein. Was bei den neuen Songs - neben dem grundsätzlich raueren Sound - auffällt, ist, dass auch die Stimmen sehr kraftvoll rüberkommen. "Wir haben uns eine Menge Jack White-Produktionen angehört", verrät Rebecca, "und was hier oft gemacht wird, ist mit Effekten und Übersteuerung - auch bei den Stimmen - zu arbeiten. Hör dir mal Dead Weather an - das ist ein Jack White-Projekt, bei dem er hinter dem Schlagzeug sitzt und die Stimme der Sängerin durch einem Verzerrer läuft. Das hat uns sehr gut gefallen - obwohl es sich dabei durchaus um eine alte Technik handelt; und so etwas wollten wir auch auf der neuen Scheibe haben." In der Tat haben mit diesem Rezept - mangels anderer Möglichkeiten - schon alte Blues-Recken wie Howlin' Wolf & Co. Ihre Aufnahmen gepimpt.

Larkin Poe
Eines hat sich gegenüber früher aber nicht geändert: Die Mädels gehören immer noch zu den produktivsten Songwriterinnen unserer Tage und schreiben ständig neues Material. "Ja - wir haben ja jetzt auch wieder angefangen live zu spielen und haben jetzt schon wieder neue Songs im Programm", bestätigt Megan, "wir schreiben einfach zu viel." A propos Schreiben: Da gab es doch mal das Gerücht - bzw. den Plan -, mit Conor Oberst zusammen neues Material zu schreiben. Conor hatte ja weiland Rebecca und Megan als Backing-Sängerin seiner Schwestern-Sammlung (u.a. First Aid Kit oder Maria & Kate Taylor) hinzugefügt. "Conor Oberst ist momentan in einem Teilzeit-Ruhestand", verrät Rebecca, "wir hatten uns schon auf die gemeinsame Zusammenarbeit gefreut - und ich bin sicher, dass es früher oder später ein Mal dazu kommen wird - aber er durchlebt zur Zeit eine seiner Phasen, in denen er denkt, dass er nie wieder einen Song schreiben können wird. Er ist halt ein problematisches Genie." - "Aber er wird schon wieder zurückkommen", meint Megan optimistisch. Kommen wir mal zu den neuen Songs: Hier gibt es ein Stück namens "When God Closes A Door" mit einer Art Gospel-Thema - ähnlich wie der Song "Hey Sinner", einen Song aus dem Live-Programm, den Rebecca inspiriert von der Fernsehserie "True Detective" geschrieben hatte. Ist das vielleicht eine Art Leitmotiv im Larkin Poe-Oeuvre? "Ja", räumt Rebecca unumwunden ein, "ich liebe es als Texterin über Gott zu schreiben. Ich mag die Ideen von Sünde, Vergebung und Reformation. Das sind fünf oder sechs Stücke, die eine Art religiöses Thema haben, in denen ich zumindest die Existenz eines übergeordneten Wesens in Betracht ziehe." Dann gibt es einen Track namens "P-R-O-B-L-E-M", das mit einer gewissen Punk-Attitüde dargeboten wird. "Oh - das war eine Art Experiment", meint Rebecca, "wie so eine Art Punk-Stück mit einem gewissen Brit-Pop oder Stooges-Feeling. Das sollte sogar ein wenig kitschig sein. Es hat aber viel Spaß gemacht, das Stück zu schreiben." Dazu gehört auch, dass Rebecca hier die Texte knapp und knackig fast wie Slogans präsentiert. Gehört das auch zum neuen Larkin Poe-Stil? "Ich denke schon", erläutert Rebecca, "denn wenn man die Texte so auffasst - also wie einen 'stream of consciousness' -, dann befindet man sich mehr im Moment; anders, als wenn man eine Geschichte zu erzählen versucht, wobei man sich schon mal emotional abkoppeln kann. Indem ich mich also auf diese Weise mehr im Moment befinde, kann ich damit auch eine bessere Performance erzielen - denke ich jedenfalls." Dann gibt es noch ein Stück namens "Blunt", das musikalisch ziemlich anders ausfällt, als die anderen Stücke der Scheibe (mit HipHop Referenzen und einer Art Pop-Gospel-Chor) - das aber vielleicht auch eine politische Botschaft enthält. "Ja und nein", zögert Rebecca, "wir kommentieren als Künstlerinnen aber lieber die Kunst als solche - weil wir eigentlich keine politische Agenda haben. Wenn es aber darum geht, Fragen zu stellen oder eine bestimmte Perspektive anzubieten, dann ist das vielleicht auch politisch." Wie sieht es überhaupt mit der Politik aus? "Ich tue mich damit ziemlich schwer", gibt Rebecca zu, "denn ich fühle mich demoralisiert von dem Gedanken, dass hier ständig über Probleme geredet wird, die offensichtlich nie gelöst werden. Deswegen fühle ich mich in unserem Larkin Poe-Mikrokosmos eigentlich besser aufgehoben - denn hier haben wir die totale Kontrolle über alles was wir tun und möchten. Politik fühlt sich dagegen ziemlich deprimierend an, weil man einfach das Gefühl nicht los wird, dass sich hier nie etwas ändern wird." - "Ich meine aber, dass es dennoch wichtig ist, über Politik zu reden - denn wenn man nicht drüber redet, dann ändert sich natürlich nichts", meint Megan, "aber um auf 'Blunt' zurückzukommen, würde ich dann eher sagen, dass es hierbei um einen Kommentar zur Menschheit geht." Rebecca stimmt dem zu: "Genau - denn angesichts so vieler schlechter Nachrichten, mit denen man ständig konfrontiert wird, ist es zuweilen fast schon zu einfach, zynisch zu werden. Wir versuchen hier, die Balance zu wahren und kommen zu der Erkenntnis, dass es doch möglich sein sollte, sich über die menschliche Natur und deren negative Auswüchse zu erheben - zum Beispiel durch Altruismus, Empathie und Güte."

Das ist ein interessanter Gedanke: Wie vermeidet man es denn, wenn man Rockmusik macht, zur Zynikerin zu werden? "Ich liebe diese Frage", meint Rebecca, "und ich würde sagen, in meinem Falle vermeide ich dadurch, zur Zynikerin zu werden, indem ich Leute beobachte. Gestern auf dem Flughafen haben wir zum Beispiel eine Frau beobachtet, die sich von ihren Liebsten verabschiedete und versuchte, gute Miene zu einem bösen Spiel zu machen, dann aber doch weinen musste. Und als sie sich dann umdrehte, lächelte sie die zurückgebliebenen tapfer an. Weißt du: Das sind Momente, in denen dir klar wird, dass wir doch irgendwo alle mit den selben Problemen und Gefühlen konfrontiert werden. Wir mögen ja nun alle unterschiedlich sein, unterschiedlich aussehen, verschiedene Lebensläufe haben und aus verschiedenen Kulturen stammen. Aber das menschliche Empfinden wohnt uns doch allen inne und für mich macht es das alles schön und erträglich." - "Na ja - wir mögen da etwas creepy sein", fügt Megan hinzu, "aber für uns war das wie Fernsehen auf dem Flughafen. Wir mögen es auch, Leuten zuzuhören und dann zu erraten, welches ihre Geschichte sein könnte." - "Oder wie sie miteinander in Verbindung stehen", wirft Rebecca ein, "das ist eine gute Übung in Sachen Vorstellungskraft." Einer gewissen Vorstellungskraft bedarf auch der Titel "Tirineni Tsitsiki". Das ist eine Art Hidden Track, den man finden kann, wenn man auf Soundcloud stöbert. "Das war ein Spaß-Projekt, das wir für Halloween gemacht haben", verrät Rebecca, "das Thema war der mexikanische 'Dias de muertos' den 'Tag der Toten' und es handelt sich dabei um einen Song für die Königin der Toten. Ich bin ja von Haus aus ein wenig morbide und ich denke, Megan ist es auch. Jedenfalls hatten wir viel Spaß daran, den Tag der Toten und Halloween mit diesem Gedicht an die Göttin zu zelebrieren." Woher kommt denn diese Angewohnheit? "In der Gegend in Georgia, wo wir aufgewachsen sind, gibt es eine große spanisch-sprachige Kolonie - und ich denke, das kommt daher. Wir haben diesen Song über eine Version von Lyla Downes kennengelernt. Sie singt da in einer Sprache, die sie 'Tex Mex' nennt - das ist nicht spanisch, nicht mexikanisch - mit einem bisschen Portugiesisch - und wir haben uns das phonetisch angeeignet." Wie sieht es denn mit Fremdsprachen aus? "Wir sprechen beide ein wenig Spanisch", erklärt Rebecca, "aber wir verstehen mehr, als dass wir es sprechen und ich spreche noch haitianisches kreolisch - das habe ich auf einem Trip nach Haiti gelernt." Auch in diesem Sinne ist man also bei Larkin Poe offensichtlich nie vor Überraschungen sicher. Insgesamt haben es Rebecca und Megan mit der "Reskinned"-Neuauflage aber wohl geschafft, ihrer Entwicklung als Künstlerinnen Rechnung zu tragen, ohne dabei irgendwelche Kompromisse einzugehen. Wollen wir also die Daumen drücken, dass ihnen nun auch hierzulande endlich jene Aufmerksamkeit zu Teil wird, die sie international schon längst genießen.

Weitere Infos:
www.larkinpoe.com
www.facebook.com/larkinpoe
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Larkin Poe
Aktueller Tonträger:
Reskinned
(We Love Music/Universal)
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