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MO KENNEY
 
Die halbierte Katze
Mo Kenney
"Wir haben eine Katze und die Katze ist unser Kind. Aber wenn wir uns trennen, müssen wir die Katze entzwei schneiden und ich weiß, dass du versuchen wirst, das größere Stück zu nehmen - aber eine Katze ist ja kein Kuchen." Das ist schon der Text des ersten Tracks auf "The Details", dem dritten Album der Kanadierin Mo Kenney - und schon da lässt sich erahnen, dass es hier - trotz einer gehörigen Portion schwarzen Humors - nicht eben um heitere Begebenheiten geht. Tatsächlich beschäftigt sich Mo Kenney auf "The Details" mit so ziemlich allen düsteren Aspekten ihrer Persönlichkeit - Depression, Psychosen, Alkohol, Entfremdung etc. pp. Dass das neue Album dann auch musikalisch etwas härter und weniger poppig ausgefallen ist, als Mos beide vorhergehendem Scheiben und die ursprünglichen Folk-Roots nur noch in Vignetten am Rande zu erahnen sind, ist eine Folge dieser Vorgehensweise, bei der Mo hart mit sich ins Gericht geht. Aber wahrscheinlich muss das auch so sein, damit die Musik als therapeutische Selbstbespiegelung funktioniert. Heutzutage macht Mo jedenfalls alles andere als einen depressiven Eindruck, sondern scheint sich - auf fast schon stoische Weise - mit ihrem Schicksal arrangiert zu haben. Es ist dann auch nicht so, dass die Songs auf "The Details" sich im Selbstmitleid verlieren, sondern - ganz im Gegenteil - auch eine gewisse kämpferische, optimistische Note besitzen. "Als ich 2015 anfing, die Songs zu schreiben, war ich so ziemlich am Tiefpunkt angelangt", erklärt Mo, die schon seit ihrer Jugend an Depressionen leidet, "und erst als ich mich dann in Therapie begab - was ein bisschen half - und mich etwas besser fühlte, begannen dann auch die Songs etwas optimistischer zu klingen."
Geht es Mo denn jetzt besser? "Ja", meint sie nachdrücklich, "es ist aber nicht so, dass ich geheilt wäre oder so etwas. Ich denke, dass ich mein ganzes Leben lang mit der Depression umgehen muss. Musik ist aber die beste Art von Therapie, weil sie sehr kathartisch ist." Und das geht dann ins Detail, oder? "Ja, ich bin auf dieser Scheibe detailreicher auf mein persönliches Leben eingegangen, als ich das zuvor getan habe - deswegen der Titel." Das führt dann zu einer Sammlung von Songs, die sich in etwa als "hoffnungsvolle Lamentos" charakterisieren ließen, oder? "Meinst du alle oder nur die druckvolleren?", fragt Mo, "ich schätze es an anderen Künstlern immer sehr, wenn sie persönliche Songs über die Kämpfe, die sie auszutragen haben, schreiben. Und ich weiß, dass es den Menschen hilft, wenn sie Musik auf diese Art wahrnehmen - wenn also jemand aus erster Hand von seinen persönlichen Kämpfen erzählt. Ich hoffe also, dass wenn jemand, der sich auch mit Depressionen rumschlagen muss, diese Songs hört, zumindest das Gefühl bekommt, dass er nicht alleine ist. Es wäre also schön, wenn andere auf einer persönlichen, emotionalen Weise Zugang zu meiner Musik haben - weil das die Art von Musik ist, die ich selbst auch mag." Und das ist dann der positive Aspekt an Mo Kenneys Musik. Wie erreicht Mo denn dieses Ziel? "Ich mag es, wenn ein Song mindestens drei verschiedene Hooks besitzt", verrät Mo ihr Rezept, "ich mag es also, wenn es drei mitreißende Teile in einem Song gibt. Und inhaltlich kommt es drauf an." Worauf? "Ich mag es, wenn Texte zum Beispiel in eine Richtung abdrehen, die man nicht erwartet hätte", überlegt Mo, "und auch nicht schlecht ist, wenn etwas Humor drinsteckt. Kitschige Klischees mag ich hingegen gar nicht. Ich mag es, wenn es etwas zu hören gibt, was ich vorher noch nicht gehört habe. Über das Zerschneiden von Katzen nachzudenken ist zum Beispiel so etwas."
Was war denn musikalisch die Inspiration des neuen Albums? Denn trotz der düsteren Stimmungslage, der viele der Tracks entspringen, kommen diese keineswegs depressiv daher, sondern - im Gegenteil - betont kraftvoll. "Ich habe es immer schon gemocht, elektrische Gitarre zu spielen", führt Mo aus, "und habe mich deswegen entschlossen, etwas mehr in Richtung Rock oder Pop-Rock zu gehen. Ich habe mich von einer Menge unterschiedlichen Zeugs inspirieren lassen, als ich dieses Album machte. Es gibt zum Beispiel das Guided By Voices-Album 'Bee Thousand', das eine Menge kurzer Stücke enthält. So etwas mag ich. Ich mag es, wenn ein Song kurz ist und trotzdem eine Geschichte erzählt. Darin sind Guided By Voices ja besonders gut. Wie auch ein kanadischer Songwriter namens Mac DeMarco, den ich gerne höre. Er hat einen quirligen Sound, den ich sehr schätze." Dabei geht Mo Kenney selbst auf der neuen Scheibe relativ weit. Neben den angesprochenen E-Gitarren gibt es z.B. auch Keyboards zu hören und einige der Songs - wie z.B. "Unglued" - kommen dann tatsächlich mit poppigen Refrains daher, die nicht mehr aus dem Kopf gehen. "Das ist ja auch gut so", pflichtet Mo bei, "die Musik die ich mache, muss ja zuallererst mir gefallen und mich unterhalten. Wenn mich etwas langweilt, dann schmeiße ich es gleich raus." Ist das die Herausforderung - etwas zu finden, das einen selbst unterhält? "Eher ist die Herausforderung zu versuchen, immer besser zu werden", schränkt Mo ein, "und dabei nicht immer das gleiche zu machen - gleichzeitig aber auch nicht zu weit abzuschweifen, so dass es nachher niemand mehr hören will. Die Fans werden zum Beispiel feststellen, dass das neue Album schon unterschiedlich ist zu dem, was ich zuvor machte - aber nicht zu sehr. Es ist eine Variation dessen, was ich zuvor machte - und das ist es, was ich anstrebe." Und was war dieses Mal das, was die Variation ausmachte? "Ich habe die neuen Songs gleich auf der elektrischen Gitarre geschrieben", verrät Mo, "das geht mit Logic - dem Aufnahmeprogramm - und Kopfhörern sogar in meinem Apartment. Das ist deswegen ganz praktisch, weil man ja auch immer den Lebenszyklus eines Songs im Blick behalten will. Daran denke ich zum Beispiel, wenn ich die Songs aufnehme. Etwa indem ich darauf achte, dass nicht zu viele Produktionselemente enthalten sind, die sich dann auf der Bühne gar nicht mehr reproduzieren lassen. Auf der Bühne kann man die Songs ein wenig verändern und etwas anders spielen - ich möchte aber, dass sie größtenteils so klingen, wie ich es bei den Aufnahmen umgesetzt habe." Das heißt dann also, dass Mo zu der - gar nicht mal so häufig anzutreffenden - Spezies von Songwriterinnen gehört, die sich auch für die technischen Aspekte ihres Tuns interessieren? "Absolut", bestätigt Mo, "ich habe die Scheibe - zusammen mit meinem Freund Joel Plaskett - auch co-produziert."

Wie schreibt Mo Kenney ihre Songs? "Manchmal schwirrt mir eine bestimmte Zeile im Kopf herum", erklärt Mo, "und dann setze ich mich mit meiner Gitarre hin und konstruiere daraus einen Song. Manchmal entstehen auf diese Weise aber auch ganze Songs. Es geht auch mit ein paar Akkorden oder Licks, die mir gefallen, um die herum ich dann einen Song aufbaue. Ich muss aber auf den richtigen Zeitpunkt warten, um daran zu arbeiten." Gibt es denn irgendetwas spezifisch Kanadisches an Mos Musik? Immerhin klingt diese - anders als vieles, was aus dem Ahorm-Land kommt - nicht wie eine Emulation dessen, was in den USA gemacht wird. "Ja, ich weiß was du meinst - aber ich denke nicht, dass etwas spezifisch Kanadisches an meiner Musik ist - höchstens auf einer unbewussten Ebene. Mag sein, dass ich mich von meiner kanadischen Umgebung inspiriert fühle - aber ich werde nicht darüber schreiben, sondern bei den persönlichen Sachen bleiben."

Mo Kenney
Eine Live-Show Mo Kenneys ist - Depression hin oder her - stets eine mitreißende, energiegeladene Angelegenheit. Tatsächlich ist sie ja auch über ihre Live-Shows bekannt geworden. Und das, obwohl sie dem Vernehmen nach mit Lampenfieber zu kämpfen hat. Davon merkt man heutzutage nichts mehr. Stattdessen präsentiert sich hier eine Künstlerin, die - zwar oft mit geschlossenen Augen - eine konzentrierte, kraftvolle Performance abliefert. "Ich versuche halt, die Noten zu treffen", schmunzelt Mo, "deswegen singe ich mit geschlossenen Augen. Aber ich mag es auch, die Leute anzuschauen. Dem würde ich nicht zu viel Bedeutung zumessen." Ist das Live-Spielen dann das, was Mo Kenney am liebsten macht? "Das, was ich eigentlich am liebsten mache, ist die Songs zu schreiben", zögert sie, "ich mag den Prozess und wenn ich etwas schreibe, das mir selbst gefällt, ist das schon ziemlich aufregend." Denkt Mo Kenney viel über ihre mögliche Zukunft nach? "Nein - ich nehme es so, wie es kommt", erklärt Mo, "ich möchte einfach immer besser als Songwriterin werden. Ich bin zum Beispiel wirklich stolz auf die neue Scheibe und ich möchte auch weiterhin Scheiben machen, auf die ich stolz sein kann. Und dabei möchte ich mich auch weiter entwickeln."

Keine Frage: Mit "The Details" als angewandter, musikalischer Therapiestunde im Gepäck hat sich Mo Kenney mit ihren persönlichen Dämonen zumindest mal arrangiert, denn heutzutage präsentiert sie sich äußerst äußerst entschlossen und zielgerichtet. Das zeigt sich dann nicht nur an der neuen Haarfarbe, und dem Umstand, dass die Folk-Roots der Vergangenheit (zumindest auf dieser Scheibe) gegen einen druckvollen, rockigen Gesamtsound ausgewechselt wurde, sondern auch darin, dass die Gute heute auch über die übelsten Episoden schon wieder lachen kann - sei es über das Katzen-Zerschneiden oder wie in "Punchy" über Narben, die man sich im besoffenen Kopf bei Bar-Schlägereien einfängt.

Weitere Infos:
mokenney.com
www.facebook.com/mokenneymusic
twitter.com/Mo_kenney
www.instagram.com/mookenney/
www.youtube.com/user/mokenneymusic
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Mo Kenney
Aktueller Tonträger:
The Details
(Jones & Company/Rough Trade)
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