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SWEARIN'
 
Rückkehr ohne Regeln
Swearin'
Swearin' selbst bezeichnen ihre dieser Tage erscheinende Comeback-LP "Fall Into The Sun" als ihr "erwachsenes Album", und allein die Existenz der Platte unterstreicht, dass die Amerikaner mit dieser Einordnung recht haben. 2015 nach der Trennung der beiden Frontleute Allison Crutchfield und Kyle Gilbride auseinandergegangen, hat das durch Drummer Jeff Bolt und Neu-Bassistin Amanda Bartley komplettierte Quartett nicht nur seine zwischenmenschlichen Differenzen beigelegt, sondern sucht auch musikalisch abseits des herrlich rumpeligen, melodisch-wuchtigen DIY-Pop-Punk der ersten beiden Platten nach neuen Herausforderungen. Die finden Swearin', indem sie das gesamte Spektrum des 90er-Jahre-Indierock abgrasen und in facettenreiche, auch textlich den Reifungsprozess widerspiegelnde Songs mit Ohrwurmpotenzial fließen lassen, die die Vergangenheit der Band nicht verleugnen, ihr aber gleichzeitig auch den Weg in eine glorreiche Zukunft ebnen. Wir sprachen mit Allison über ihr nicht immer leichtes Solistinnen-Dasein, den Weg zurück zur Band und die Rolle, die Mac McCaughan von Superchunk dabei spielte.
Seien wir ehrlich: Für Außenstehende hatte es zuletzt nicht so ausgesehen, als würden Swearin' je wieder zusammenfinden. Nachdem Allison die Trennung von Kyle mit ihrem feinen Soloalbum 'Tourist In This Town' ausgiebig und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen verarbeitet, in Los Angeles ein neues Leben begonnen hatte und an der Seite ihrer Zwillingsschwester Katie mit Waxahatchee eine Welttournee in Angriff genommen hatte, schien der Weg zu einer Reunion weiter als je zuvor. Schließlich hatte 'Tourist In This Town' kaum noch etwas mit dem herrlich rabiaten Swearin'-Sound zu tun, zudem lebten die Bandmitglieder plötzlich an verschiedenen Enden der USA. Paradoxerweise waren es allerdings gerade die Solo-Platte und die anschließende Tournee, die Allison wieder öfter an Swearin' denken ließen. "Die Arbeit mit der Band fühlt sich für mich deutlich natürlicher an", gesteht sie im Gaesteliste.de-Interview. "Die Solo-LP zu veröffentlichen und damit auf Tour zu gehen, war aus vielerlei Gründen eine große Herausforderung für mich. Ich stelle mich zwar gerne Herausforderungen, aber die Tatsache, dass ich ganz auf mich gestellt war und niemanden hatte, an den ich mich anlehnen konnte, hat das Ganze ziemlich anstrengend gemacht. Ich bin es nicht gewohnt, die Einzige zu sein, die die Entscheidungen trifft. Ich arbeite lieber im Team, ich mag die Kollaboration. Vielleicht auch deshalb macht mir die Arbeit mit Swearin' derzeit so viel Spaß."

Ganz aus ihrem Kopf verbannt hatte Allison die Idee einer Reunion nie ("Als wir auseinandergingen, haben wir das Ende offen gelassen", sagt sie), gleichzeitig wusste sie aber auch, dass bei ihren Mitstreitern ein Umdenken stattfinden musste, um den Weg für eine gemeinsame Zukunft zu ebnen. Denn zu den eng gefassten Regeln zurückzukehren, nach denen Swearin' zuvor gearbeitet hatten, schien ihr nach dem musikalisch deutlich weiter gefassten Alleingang unmöglich. "Nachdem wir einige unserer strikten Regeln über Bord geworfen hatten, wussten wir, dass es durchaus möglich sein würde, die Band wieder zusammenzubringen - auch wenn sie anders klingen würde, als wir das ursprünglich erwartet hätten", erinnert sie sich.

Grund dafür ist nicht zuletzt eine veränderte Herangehensweise an das Songwriting, denn inzwischen ist an die Stelle von "1, 2, 3, 4 - los!" spürbar mehr Bedacht getreten. "Je älter ich werde, desto wichtiger ist es mir, speziell die Texte stärker zu redigieren", erklärt Allison. "Das ist mir vor allem bei 'Tourist In This Town' bewusst geworden. Die Platte war unglaublich kathartisch für mich, es ging mir ausschließlich darum, meine Gefühle einzufangen und meine Gedanken eben nicht zu editieren. Ich wollte das Album veröffentlichen und sagen können: 'Genau so habe ich mich gefühlt!' Wenn ich die Platte jetzt höre, ist mir allerdings das ein oder andere schon peinlich und ich frage mich, warum ich mich nicht mit etwas Abstand noch einmal drangesetzt und bestimmte Dinge anders ausgedrückt habe. Das ist etwas, das mir inzwischen sehr wichtig ist: Der erste Entwurf muss nicht immer auch der letzte sein, denn ich weiß, dass ich daran feilen kann, um etwas Besseres entstehen zu lassen."

Die Einsicht, dass Swearin' im Jahre 2018 musikalisch offener sein würden als zuvor, war ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Reunion, dennoch waren die ersten Gespräche über eine gemeinsame Rückkehr nicht mehr als augenzwinkernde Scherze. "Wenn wir uns zufällig über den Weg gelaufen sind, haben wir uns gegenseitig mit der Frage aufgezogen, wann wir die nächste Swearin'-Platte machen", verrät Allison. Richtig Fahrt nahm die Reunion dann erst im Juli des vergangenen Jahres auf. "Kyle, Jeff und ich begegneten uns backstage bei der Release-Show für Waxahatchees 'Out In The Storm', und es war ein ziemlich verrückter Abend mit vielen Freunden und noch mehr Getränken", erinnert sie sich. "Irgendwie fanden wir drei einen ruhigen Moment in einer Ecke der Künstlergarderobe und fragten uns: 'Wie würden wir es angehen, wenn wir die Band wieder zusammenbringen wollten?' Ich möchte mich jetzt nicht in den Vordergrund drängen, aber ich habe ein wenig das Gefühl, dass ich es war, die die Sache ins Rollen brachte. Ich habe die Band einfach sehr vermisst! Deshalb bin ich sehr glücklich, dass es uns jetzt wieder gibt. Alles fühlt sich richtig gut und positiv an."

Endgültig besiegelt wurde die Rückkehr einige Zeit später beim Waxahatchee-Tourstopp in North Carolina durch Mac McCaughan, zeitgleich Frontmann von Superchunk und Chef von Merge Records, dem Label, auf dem nicht nur 'Tourist In This Town', sondern auch die letzten Platten von Waxahatchee erschienen sind. "Ich erwähnte Mac gegenüber, dass wir mit dem Gedanken spielten, Swearin' wieder zusammenzubringen", erzählt Allison. "Einen Monat später schickte er mir eine Textnachricht und fragte: 'Glaubst du, dass ihr im April so weit seid, einige Konzerte mit Superchunk zu spielen?' Die Vorstellung, gemeinsam mit Superchunk auf Tour zu gehen, hat uns dann endgültig auf den Weg gebracht." Unterstützt wurden Swearin' auf der Tournee mit den alten Helden durch Amanda Bartley, die den Bass von Keith Spencer übernahm. Dass der ehemals vierte Mann (und, nebenbei erwähnt, Ex-Freund von Allisons Schwester) nicht Teil der Reunion sein würde, stand von Anfang an fest. "Das war Teil der Überlegung, was passieren muss, dass es funktionieren kann", erklärt Allison. "Kyle, Jeff und ich waren einfach auf der gleichen Wellenlänge, und deshalb sind wir das Ganze zu dritt angegangen." Amanda sollte ursprünglich nur für die Auftritte mit Superchunk aushelfen, aber die zuvor bei der aus Ohio stammenden Band All Dogs aktive Dame machte sich schnell unentbehrlich. "Sie passte so gut zu uns, dass es nicht lange dauerte, bis wir sie fragten, ob sie auch ganz offiziell unsere Bassistin sein möchte", verrät Allison. "Das passierte allerdings erst nach den Aufnahmen zur Platte, deshalb spielt Kyle dort den Bass und wir sind auch nur zu dritt auf dem Cover zu sehen."

Rein geografisch weist "Fall Into The Sun" einige Parallelen zu den früheren Swearin'-Werken auf: Immer noch ganz dem DIY-Ethos verpflichtet, wurde das Schlagzeug dort aufgenommen, wo auch die Drums für das erste Demo und die selbstbetitelte Debüt-LP mitgeschnitten worden waren, das Cover zeigt die Band auf dem Dach des Hauses von Kyles Mutter in New York, wo die Band zuvor des Öfteren Gitarrenspuren aufgenommen und Videos gedreht hatte. Doch trotz der Bezüge zur Vergangenheit - es ist der Blick über den Punk-Tellerrand hinaus, der auf "Fall Into The Sun" begeistert. "Ich bin sehr stolz, dass wir nicht einfach unsere alten Platten genommen und sie kopiert haben", unterstreicht Allison. "Ich bin überzeugt, dass wir mit diesem Album spürbar gewachsen sind." Das gilt in ganz besonderem Maße auch für sie selbst. Hatte sie zuvor stets Kyle die Produktion überlassen, war sie dieses Mal nicht nur als Songwriterin und Sängerin, sondern auch am Mischpult gleichwertige Partnerin und hatte einen Riesenspaß daran, die in den letzten Jahren abseits der Band gemachten menschlichen wie musikalischen Erfahrungen in die Waagschale zu werfen.

Doch nicht nur, weil die Musiker spürbar am gleichen Strang ziehen, scheint der Zeitpunkt der Swearin'-Rückkehr gut gewählt. Schließlich ist die Zeit in Anbetracht des immer größer werdenden politischen Chaos in der Welt derzeit mehr denn je reif für ordentlich Punkrock-Wumms und klare Worte - und auch Allison glaubt, dass das Timing stimmt. "Ja, ich denke, das kann man so sagen", bestätigt sie. "Wir sind ja keine betont politische Band, nein, eigentlich sind wir doch politisch, aber aus einer sehr persönlichen Perspektive, was mir sehr wichtig ist. Insofern ist es in der Tat gut, jetzt wieder zurück zu sein. Für mich selbst fühlt es sich sehr befreiend an, diese Musik wieder spielen und diese Energie rüberbringen zu können. Es ist definitiv ein prima Bewältigungsmechanismus für mich und ich freue mich, wenn andere Menschen das genauso sehen."

Allerdings ist es nicht nur ihre Berufung als Punkrockerin, die bei ihr für die richtige Weltsicht sorgt. "In den letzten Jahren bin ich mehr und mehr auf Tour gewesen, und das hilft mir, mit der ganzen Welt in Kontakt zu sein und mehr als nur meine kleine Ecke in Philadelphia oder Los Angeles im Blick zu haben", ist sie überzeugt. "Dadurch wird man einfach weltoffener." Im Februar kann man das dann auch wieder in Deutschland überprüfen, wenn Swearin' für drei Konzerte in Köln, Berlin und Hamburg bei uns gastieren, denn für die Reunion verdrängt Allison sogar ihre Bedenken, was das rastlose Herumreisen betrifft: "Es stimmt. Eigentlich nimmt mich das Touren mental ganz schön mit, aber im Moment macht es mich wirklich sehr, sehr glücklich, mit Swearin' auf der Bühne zu stehen!" Wir freuen uns mit Allison und sagen: Willkommen zurück!

Weitere Infos:
www.facebook.com/swearinband
swearin.bandcamp.com
www.swearinnyc.tumblr.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Pressefreigabe-
Swearin'
Aktueller Tonträger:
Fall Into The Sun
(Merge Records/Cargo)
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