Habt Ihr Unterschiede festgestellt, als Ihr das neue Album aufgenommen habt?
Brian: Oh ja, da gab es schon einige Unterschiede. Zum einen ist Steve jetzt seit zwei Jahren in der Band, worüber wir sehr glücklich sind, da er auch einen sehr großen Einfluß auf die Songs hat, und zum anderen ist dadurch ein neuer Zusammenhalt innerhalb der Band entstanden, auch was das Song-Writing betrifft, das sich auch ein wenig verändert hat, denn jetzt hat jeder von uns Dreien einen gleichgroßen Anteil. Wir haben diesmal auch viel länger im Studio verbracht, denn wir wollten die Fehler, die wir beim ersten Album gemacht hatten, nicht wiederholen. Beim ersten Album haben wir ca. 3 1/2 Wochen gebraucht, und dieses mal 3 1/2 Monate!
Stefan: Was aber auch nicht unbedingt lang für ein Album ist...
Brian: Genau - wir haben zwei Monate lang in den Real World Studios von Peter Gabriel aufgenommen, und als wir ihn abschließend getroffen haben, meinte er: "Wow, ihr Jungs seid klasse! In zwei Monaten nehmt Ihr ein ganzes Album auf - ich habe zwei Monate für eine Strophe gebraucht!". Wir können dann also in etwa vier Jahren ein neues Peter Gabriel Album erwarten...harharhar
Lustig, lustig. Wie sieht's denn mit dem Tempo beim Song-Writing aus?
Brian: Da sind wir auch sehr schnell. Wir sind eigentlich ständig irgendwo im Studio, um schnell noch ein paar Demos aufzunehmen, denn wir haben ständig neue Ideen und wollen diese natürlich so schnell wie möglich umsetzen. Wir haben mit den Demos zum neuen Album letzten November angefangen, und sind bis vor wenigen Wochen eigentlich ständig im Studio gewesen - so haben wir einen Riesenhaufen Songs übrig, aus dem wir dann die besten heraussuchen.
Was würde denn ein eindeutiges "Nein!" in musikalischer Hinsicht für Placebo bekommen?
Brian: Ein Musical, oder eine Rock-Oper! Oh, Stefan, Du schreibst doch gerade an einer Rock-Oper, richtig?
Stefan: Nein, keine Rock-Oper, es ist eher Cabaret!
Brian: Ich mag keine Konzept-Alben. Und natürlich würden wir niemals ein Duett mit Celin Dion aufnehmen!
Wenn man so lange an einem Album arbeitet, kann es ja schonmal zu dem ein oder anderen tollen, seltsamen oder wundervollen Moment kommen - gibt es so etwas bei Euch auch?
Brian: Ja, wir hatten einen seltsamen Moment als wir "Pure Morning" aufgenommen hatten. Wir waren eigentlich mit dem Album schon fertig, haben die Bänder schon weitergegeben, und wir gingen nochmal in's Studio, um ein paar B-Seiten aufzunehmen. Wir arbeiteten an ein paar Loops, bastelten am Bass-Part herum, und plötzlich hatte ich eine Idee für den Gesang. Als wir uns das dann wieder anhörten, ging ein "Wow!" durch's Studio und wir waren uns alle einig, daß "Pure Morning" die erste Single wird und natürlich auch auf das Album muß! Das war also eher eine Art Unfall, aber gerade das macht uns sehr viel Spaß, denn es zeigt uns, daß wir immer spontan sein können, und diese spontanen Sachen dann auch sofort umsetzen. Wenn wir so einen Moment haben, wo plötzlich die Inspiration zuschlägt, dann lassen wir alles anderen liegen und folgen dieser Linie, ansonsten verliert man sie sofort!
Seine Inspiration nicht zu verlieren ist wahrscheinlich genauso wichtig wie das Vermarkten dieser Idee. Ihr seid nun ungefähr vier Jahre in dem Musik-Geschäft - bereut Ihr es schon?
Brian: Nein, wir bereuen absolut nichts. Ich könnte gar nicht ohne das alles hier leben, besonders die Konzerte. Ich habe sogar Entzugserscheinungen, wenn wir lange kein Konzert mehr gespielt haben. Wenn man zwei Jahre lang auf Tour war und dann nach Hause kommt, und nach zwei Wochen zu einem Konzert geht, und man sieht jemanden da auf dieser Bühne stehen, denkt man: "Hey, ich war zwei Jahre auf Tour, mir hängt es zum Hals raus, aber ich will wieder da oben sein!". Es ist eine Leidenschaft, fast wie eine Droge. Es ist ein totaler Adrenalin-Rausch, hat auch eine sehr große sexuelle Anziehungskraft und es macht einen größer als man in Wirklichkeit ist. Dort fühle ich mich fast so groß wie Stefan! [Für alle, die die Band noch nicht gesehen haben: Stefan ist der Typ abgebrochener Riese, und Brian eher so der laufende Meter.]
Das Musiker-Leben ist nun nicht der normale 8-Stunden-Job. Mögt Ihr ungewöhnliche Dinge?
Brian: Ja, wir mögen ungewöhnliches Zeug und so ein 8-Stunden-Job jeden Tag würde uns killen. Wir langweilen uns sehr schnell und strukturieren unser Leben nicht von vorne bis hinten, und wir hatten natürlich alle schon miese Jobs, und das wollen wir auf keinen Fall mehr machen - das zehrt alles an der Seele.
Steve: Ich könnte das auch nicht mehr machen. Man muß einfach mal etwas anderes machen, als die sog. Familien-Tradition fortzusetzen und in einem Büro oder als Bank-Angestellter zu enden, bloß weil das Deine Geschwister oder Eltern vorher auch schon gemacht haben.
Brian: Für uns bitte das unkonventionelle Leben!
Was also bedeutet es für Euch in einer Band zu sein? Benimmt man sich da anders als wenn man einen normalen Job hat?
Brian: Ja, klar, Du hast erstmal mehr Freiheit, das zu tun was Du wirklich willst, und man kann sich auch mehr erlauben. Und es ist einfach etwas völlig anderes, denn Du kreierst etwas, aus Nichts machst Du etwas Eigenes und Neues. Man kann das wirklich mit der klassischen Vorstellung eines Künstler vergleichen: Du verwirklichst das, was in Dir steckt. Und wir haben alle eine grundlegenden Drang, dies zu tun. Ohne diesen Output wären wie alle ziemlich im Arsch. In einer Band zu sein ist wie die Atmung.
Wie stark wurden denn die Songs auf dem neuen Album von dieser neuen Erfahrung des Musik-Geschäfts und alles, was damit zu tun hat, beeinflußt?
Brian: Das hatte alles einen sehr großen Einfluß. Das Album "Without You I'm Nothing" handelt in erster Linie von Liebe und natürlich auch von gebrochenen Herzen. Es geht im großen und ganzen um Ex-Lover, und ich habe versucht, das auszudrücken, was ich in bestimmten Momenten gefühlt habe, oder wie ich mich verhalten habe, und es gibt auch die ein oder andere kodierte Nachricht an bestimmte Leute. Die Reaktion auf dieses neue Album war bis jetzt umwerfend, und es macht uns natürlich auch stolz und es wird einem sehr warm um's Herz, gerade auch deshalb, weil man so viele persönliche Dinge in die Songs bringt und weil diese Platte soviel Substanz hat.
Steve: Und die Leute fühlen diese Substanz genau wie wir, und das macht das alles noch viel schöner.
Als ich das neue Album zum ersten mal gehört hatte, dachte ich, daß wir wieder in den 80er Jahren sind - diese eher düstere Atmosphäre, sehr viel Gefühl und vor allem der Sound. Besonders eine Stelle im Song "The Crawl" erinnert mich sehr stark an Joy Division. Könnt Ihr das bestätigen?
Brian: Ja, aber auf jeden Fall, denn Joy Division ist eine meiner Lieblings-Bands. Wir haben auch ältere Synthies aus den frühen 80ern auf dem Album benutzt, und wenn Dich das an z.B. Joy Division erinnert, dann ist das eine sehr gute Referenz.
Aber würdet Ihr dennoch sagen, daß "Without You I'm Nothing" ein richtiges 90er Jahre Album ist?
Brian: Ja, wir denken, daß wir ein richtiges 90er Jahre Album gemacht haben - wir wollten etwas modernes machen, und ich denke, wir haben es geschafft.
Wie denkt Ihr dann über die jetzige Musik-Szene?
Brian: In England gibt es im Moment nicht sehr viel, das interessant ist.