Als Mitglied der Indie-Folk-Lieblinge Leaves And Trees, Begleiterin von Eva Croissant, Sidekick von Linda Rum und immer wieder als Gastmusikerin verschiedener Bands und Projekte bringt Rabea schon seit Jahren ihr Cello abseits der strikt traditionellen Pfade zu Geltung, angefangen hat alles allerdings anders. "Mein musikalischer Werdegang war sehr lange klassisch geprägt - vor allem durch meinen klassischen Cello- und Orgelunterricht, aber später auch durch mein Lehramtsstudium, das ebenfalls einen klassischen Schwerpunkt hatte", verrät sie, als sie sich in einem Berliner Café bei einem Chai Latte unseren Fragen stellt. "So gern ich diese Musik gespielt habe, habe ich privat dennoch immer eher populäre Musik gehört und auch gesungen." London Grammar, James Blake, Bon Iver, Lianne La Havas, Jack Garratt und Beyoncé Knowles zählt sie deshalb bei Facebook als Favoriten auf.
Mit dem Abschluss ihres Studiums ließ sie dann auch den klassischen Instrumentalunterricht hinter sich, begann, ihr Instrument in anderen Kontexten einzusetzen, schrieb erste eigene Songs und fand schließlich mit Elin Bell (Keyboards, Gesang), Fabian Huch (Gitarre, Schlagzeug, Gesang) und Stefan Littmann (Keyboards, Schlagzeug, Gesang) die richtigen Mitstreiter für das Quartett, das ihren Namen trägt. Dabei war sie lange Zeit zu schüchtern, mit ihren eigenen Liedern an die Öffentlichkeit zu treten. "Zum Glück hat mich damals ein befreundeter Singer/Songwriter dazu motiviert, erst ihm und später anderen meine Ideen zu zeigen", erinnert sich Rabea. "Seitdem hat sich tatsächlich was in meiner Einstellung geändert: Ich bin vor Konzerten zwar immer noch der aufgeregteste Mensch, den man sich vorstellen kann, und frage mich, kurz bevor es losgeht: 'Warum tu ich mir diesen Stress überhaupt an?', aber der Drang, Musik zu machen und mit ihr aufzutreten, ist dann doch größer als die Angst davor... Daher mach ich es dann einfach - und es lohnt sich jedes Mal! Heute bin ich sehr dankbar, dass es diese Menschen um mich herum gab, die mich dazu ermutigt haben, meine Songs zu zeigen!" Für zusätzliche Motivation sorgte, dass schon vor der Veröffentlichung ihres ersten offiziellen Tonträgers bei vielen ihrer Konzerte im vergangenen Jahr drangvolle Enge im Publikum herrschte. Deshalb bereut sie es rückblickend auch nicht, dass sie ihre Soloambitionen erst jetzt verwirklicht. Schließlich konnte sie in den verschiedenen anderen Bandprojekten wertvolle Erfahrungen sammeln, die ihr jetzt zugutekommen. "Eine für mich wertvolle Lektion, auf die ich mich manchmal beim Treffen von Entscheidungen besinne, ist: Am Ende zählt die Musik! Das hilft einem dabei, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, die Musik entscheiden zu lassen und sich nicht von unwichtigen Dingen ablenken oder leiten zu lassen."
Auch "Ask For The Moon” zeigt, dass sich der lange Anlauf, den Rabea genommen hat, gelohnt hat. Anders als viele andere Debütanten, die erst einmal im Nebel stochern, macht sie den Eindruck, dass sie sehr genau weiß, was sie will. Das unterstreicht auch ihre Antwort auf unsere Frage, wonach sie mit ihren Songs sucht. "Ich würde es gar nicht als Suchen beschreiben", entgegnet sie. "Das Songwriting läuft nicht immer genau gleich ab und kann über verschiedene Wege gehen. Das ist ja das Schöne an Musik!" Einen Unterschied macht sicherlich auch, dass Rabea im Gegensatz zu vielen der weiblichen Singer/Songwriterinnen heute beim Schreiben ihrer Lieder mit der Musik beginnt, anstatt ihr Tagebuch zu vertonen. Tatsächlich fällt es ihr leichter, Musik zu schreiben, als zu texten. "Mir fällt es schwer, über Themen zu schreiben, zu denen ich keinen eigenen Bezug habe, und das mache ich sehr ungern", erklärt sie. "Wo mir eine authentische Grundmotivation fehlt, fühlt es sich nach einem Suchen an. Das war eigentlich von Anfang an so und hat sich im Laufe der Zeit auch kaum verändert."
Gerade bei den mitten aus dem Leben gegriffenen Texten ihrer Lieder führt das zu der Herausforderung, genau den richtigen Punkt zu finden, an dem sie nicht zu viel über sich preisgibt, aber dennoch genug, um "echt" zu klingen. "Diesen Punkt zu finden, ist ein ständiger Balanceakt für mich!", gesteht sie. "Mir ist wichtig, dass die Songs nah an mir dran sind, weil es sonst nicht authentisch wäre, dennoch habe ich manchmal auf der Bühne das Gefühl, dass ich schon so viel in Musik gesagt habe, dass mich jedes weitere Wort in einer Ansage zu einem offenen Buch für das Publikum machen würde. Es hilft mir aber immer, mich darauf zu besinnen, was die Aussage des Songs für mich sein soll, und diese Aussage in einem konkreten Satz festzuhalten. Dann lassen sich leichter Bilder oder Metaphern finden, in die sich auch der objektive Hörer hineinversetzen kann, ohne Details aus meinem Leben zu kennen, oder die er sogar auf eigene Erlebnisse beziehen kann."
Die Songs, die dabei entstehen, verdienen nicht selten das Prädikat "Pop", und das in Zeiten, in denen es immer weniger Künstler gibt, die sich dieses Label gerne anheften, weil alles mit der Vorsilbe "Indie" doch irgendwie gehaltvoller klingt. Ist Pop ein böses Wort für Rabea? "Ich glaube, wir alle weigern uns, unsere Musik mit dem Wort 'Pop' zu labeln, weil es bei all dem, was man heutzutage unter Popmusik versteht, so vieles gibt, das leider keinen wirklich eigenständigen Wert hat", ist sie überzeugt. "Alles folgt bestimmten Mechanismen und versucht, etwas zu kopieren, was bereits auf dem Markt funktioniert. Aber blickt man auf die wirklich großen Popstars, die mit ihrer Musik etwas Neues angetreten haben, so waren auch die mal Indie - eben so lange, bis es zum Mainstream wurde. Wer das geschafft hat, wäre vermutlich stolz, sich das Label 'Pop' anzuheften." Apropos Pop: Fast könnte man ja meinen, dass Rabea als Absolventin des Popkurses an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg Popmusik gewissermaßen "gelernt" hat. "Ja, ich habe den Popkurs besucht, aber Popmusik 'gelernt' - sofern es so was überhaupt gibt - habe ich nie", stellt sie klar. "Alles, was ich im Kontext einer Band mache, habe ich dadurch gelernt, dass ich in verschiedenen Kombinationen gespielt habe und verschiedene Sachen einfach ausprobiert habe. Der Popkurs ist keine Plattform, wo man Popmusik 'lernt', sondern eine, die einem Raum gibt, um sich mit anderen Musikern mit ähnlichen Vorstellungen und Zielen zu verbinden."
Deshalb hat sie auch nicht das Gefühl, dass ihr beim freien künstlerischen Ausdruck im popmusikalischen Umfeld ihr theoretisches Musikwissen im Weg steht. "Ich denke, dass immer auch ein bisschen Know-how nötig ist, um die Ideen, die einem im Kopf herumschwirren, umzusetzen", ist sie überzeugt. "Entweder kann man das selbst oder man hat Leute um sich herum, denen man seine Vision - sei es mit Händen und Füßen und ohne Fachvokabular - mitteilen kann und die einem dann dabei helfen. Ich teile aber trotzdem die Meinung, dass es die eigene Kreativität durchaus einschränken kann, wenn man zum Beispiel zu viel darüber gelesen hat, wie perfektes Songwriting funktioniert. Ich glaube, am Ende liegt es in der Hand des Künstlers selbst, wie er sein Wissen nutzt, und da ist auch sicher jeder unterschiedlich: Die einen mag es einschränken, andere wiederum brauchen die Struktur zur Orientierung oder um sie sogar aufzubrechen. Wiederum andere fühlen sich erst frei in ihren musikalischen Entscheidungen, wenn sie von all dem noch nie etwas gehört haben und einfach ihrer Musikalität freien Lauf lassen können."
Letzteres beansprucht beispielsweise der frühere Port O'Brien-Frontmann Van William für sich, der uns im vergangenen Jahr im Interview gestand, er habe sich lange Zeit von Musiktheorie ferngehalten, aus Angst, den simplen Kern der Musik aus den Augen zu verlieren. Wie sieht Rabea das? "Für mich persönlich war das Musikstudium auf jeden Fall eine Bereicherung für das, was ich nun als Musikerin mache", antwortet sie. "Damit will ich nicht sagen, dass man studiert haben muss, um Songs zu schreiben oder um als Musiker erfolgreich zu sein. Ich würde aber mein Studium nicht missen wollen, da ich dort einiges gelernt habe, auf das ich nun beim Songwriting intuitiv zurückgreife. Ich möchte beim Songwriting nicht aktiv darüber nachdenken, ob das, was ich tue, gerade harmonisch anspruchsvoll ist - denn das macht meiner Meinung nach auch nicht unbedingt einen guten Song aus. Da ich in meinem klassisch geprägten Studium aber auch kaum etwas über Songwriting oder Popmusik gelernt habe, fällt es mir relativ leicht, solche Aspekte beim Songschreiben vorerst auszublenden."
Nachdem in den letzten Wochen die administrative Arbeit für die Veröffentlichung von "Ask For The Moon" viel Zeit verschlungen hat, freut sich Rabea nun ganz besonders auf die ab dem Valentinstag anstehende Bandtournee quer durch Deutschland - Lampenfieber inklusive. "Ich bin sehr glücklich, dass ich als Musikerin unterwegs sein kann, wunderschöne Abende auf Konzerten mit Menschen verbringen kann, die meine Musik gerne hören, und bin gespannt auf alles, was noch kommen mag", sagt sie abschließend. "Ich habe schon unglaublich viele Konzerte mit verschiedenen Bands gespielt, und ich kann mir vorstellen, dass sich einige denken: 'Na komm, das ist doch mittlerweile ein alter Hut für dich!' Aber das ist es nicht: Ich bin bei jedem Konzert noch so aufgeregt wie am ersten Tag, und wirklich kein Konzert ist wie das andere!"