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DESPERATE JOURNALIST
 
Vom Suchen und Finden des Wunderbaren
Desperate Journalist
Desperate Journalist greifen nach den Sternen. Mutig und ambitioniert entfernt sich das britische Quartett auf seiner "In Search Of The Miraculous" betitelten dritten LP weiter von seinen Ursprüngen und setzt mit spürbar üppiger und breitwandiger klingenden Stücken den mit der letztjährigen "You Get Used To It"-EP begonnenen Weg fort. Die zuvor so prägenden dunkel funkelnden Verweise auf Post-Punk, 80s-Wave und britisch gefärbten Indie-Pop erstrahlen so in einem neuen, helleren Licht. Die Düsterkeit des Vorgängers "Grow Up" weicht nun immer öfter einem Gefühl der Hoffnung und der Positivität, ohne dass die poetische Intensität der Texte darunter leiden würde. Die derzeit beste Band Großbritanniens, das wird beim Hören dieser umwerfenden Platte voller kreativer Leidenschaft schnell klar, heißt Desperate Journalist!
Gegründet haben Sängerin Jo Bevan, Gitarrist Rob Hardy, Bassist Simon Drowner und Schlagzeugerin Caroline Helbert (alias Caz Hellbent) Desperate Journalist vor vier Jahren, weil sie gelangweilt waren von all den "Style over Substance"-Bands, die damals im Dunstkreis von Post-Punk, Shoegaze und Indie-Goth, ihr Image über die Musik stellten. "Ich - und das gilt für die anderen in der Band genauso - hatte das Gefühl, dass wir es besser machen könnten, weil die Musik für uns eine Herzensangelegenheit war", erinnert sich Frontfrau Jo im Gespräch mit Gaesteliste.de und fügt lachend hinzu: "Ganz abgesehen davon hatte ich viele Ängste, die ich aufzuarbeiten hatte!"

In der Tat sind Desperate Journalist nicht nur musikalisch tiefgründiger als die Konkurrenz, dafür sorgt auch die Beschäftigung mit existenzialistischen Fragen und die betont persönliche Färbung der Texte ihrer Sängerin. "Ohne Zweifel habe ich das Songwriting schon oft, sehr oft dazu benutzt, um mir etwas von der Seele zu schreiben", gesteht Jo zerknirscht. "Ich hasse es, das zuzugeben, weil mir bewusst ist, welch ein Klischee das ist. Solch einen Blödsinn sagen normalerweise nur Leute wie Eric Clapton, aber ich muss gestehen, dass es mir zumeist sehr geholfen hat. Das Ganze hat schon therapeutischen Wert für mich." Das soll sich auch in Zukunft nicht ändern. Wo andere Bands mit wachsendem Publikum immer stärker abwägen, was sie teilen können und wollen, ist Selbstzensur für Jo undenkbar. "Wir wollen Songs schreiben, auf die wir stolz sein können, und ich würde nie etwas an meiner Herangehensweise ändern", sagt sie bestimmt. "Meine Aufgabe als Sängerin ist es, zu erklären, wie ich die Welt sehe, und es ist mir sehr wichtig, dabei so ehrlich wie möglich zu sein. Wenn ich gewisse extreme Emotionen ausdrücken will, dann funktioniert das nicht, wenn ich mich hinter Anspielungen verstecke, sondern nur, wenn ich genau das sage, was mir im Kopf herumschwirrt."

Doch auch wenn die Eckpfeiler unverändert bleiben, treten Desperate Journalist nicht auf der Stelle. Die Karriere des nach einem obskuren One-off-Song von The Cure benannten Londoner Quartetts ist geprägt durch ein Faible für künstlerischen Anspruch und einen unstillbaren Drang zu musikalischer Evolution jenseits engstirniger Genregrenzen, was sich auf der neuen LP in großspurigen Refrains, heroischen Soli und poetischer Intensität niederschlägt. "Ich bin sehr glücklich, dass wir inzwischen in der Lage sind, eine Platte zu bewerkstelligen, die so ambitioniert ist wie 'In Search Of The Miraculous'", sagt Jo. "Zuvor hatten wir eine Menge Spaß daran, die Möglichkeiten zu entdecken, aber inzwischen sind wir eine echte Einheit, und deshalb konnten wir uns an etwas heranwagen, das nuancierter und komplexer ist. Das ist einfach großartig!" Dabei war den vieren schon früh klar, dass in ihrer Band das Potenzial für Großes steckt. "Vom diesem ersten Moment an spürte ich, dass das etwas sein würde, das für uns alle sehr erfüllend sein würde", erinnert sich Jo an die ersten Treffen im Proberaum. "Ich war ja zuvor schon mit Simon in Bands gewesen und wusste, dass er ein toller Bassist ist und wir uns gut verstehen, und auch Robs Gitarrenspiel hat mich schon damals sehr beeindruckt. Caz hat mit dem Schlagzeugspielen erst für die Band angefangen, aber sie war sofort sehr intuitiv. Es klingt wie ein Klischee, aber vom Fleck weg war mir klar, dass wir richtig gut zusammenpassen."

Gemeinsam wagten sich Desperate Journalist nun ohne Scheu vor hochtrabenden Ideen an ein Album mit einem konzeptionellen Bogen, beseelt vom Wirken des niederländischen Performance-Art-Künstlers Bas Jan Ader, der Mitte der 1970er-Jahre bei seinem Versuch, allein den Atlantik in einem kleinen Segelboot zu überqueren, einen tragisch frühen Tod fand. Seine "In Search Of The Miraculous" überschriebene letzte Reise und die damit verbundene Idee, sein Leben als Kunstwerk auf der Suche nach Erhabenheit zu begreifen, wurde für Jo zu einem wichtigen kreativen Wegweiser. Denn wie schon beim letzten Album "Grow Up" war auch die Arbeit an der neuen LP begleitet von Veränderungen für die Sängerin - wenngleich sie dieses Mal deutlich positiver ausfielen. "Das war alles sehr aufregend, aber auch ein wenig angsteinflößend, weil plötzlich praktisch alles in der Art und Weise, wie ich mein Leben lebe, auf den Kopf gestellt wurde", verrät sie.

"Gleichzeitig las ich mehr und mehr über Kunst, da ich jetzt einen Job in einer Kunstgalerie habe. Auf meiner Suche nach Katharsis las ich auch viel über Bas Jan Ader, und für mich ergab es einfach Sinn, seine Arbeit als Inspiration für unsere Bildersprache zu nutzen." Die Parallelen zwischen ihrem eigenen umgekrempelten Leben und Aders Aufbruch ins Ungewisse faszinierten Jo genauso wie die Tatsache, dass der Holländer den Titel seiner Reise einem 1949 erschienenen Buch über den armenischen Mystiker und Philosophen George Gurdjieff entliehen hatte und sich für seine Zwecke zu eigen gemacht hatte. Auch die Tatsache, dass sich um das kurze Leben und Schaffen Aders viele Legenden ranken, gefiel ihr. "Es stimmt, oft ist es spannender, sich mit einem Künstler ohne digitalen Fußabdruck auseinanderzusetzen, mit jemanden, über den man nicht sofort alles erfahren kann", gibt sie zu. "Das ist fast ein wenig wie in einer romantischen Beziehung, in der man von jemandem fasziniert ist, bevor man sich richtig kennenlernt, und das ist Teil des Reizes. Dass das Mysteriöse heute oft wegfällt, ist schade, aber ich selbst bin auch nicht darauf bedacht, das umzukehren. Im Gegenteil: Ich bin jemand, der ständig zu viel von sich preisgibt."

"In Search Of The Miraculous" als Konzeptalbum zu bezeichnen, wäre dennoch falsch. Schließlich schälte sich der erzählerische Zusammenhalt der Lieder erst langsam heraus. "Weil ich das Buch über Ader las und weil mir gleichzeitig Gedanken zur Erhabenheit der Romantik durch den Kopf schwirrten, war ich bereits mit einer Menge Bilder ausgestattet, die einen prima Rahmen bildeten", erinnert sich Jo. "Das hat uns geholfen, das anfangs eher nebulöse Konzept zu verfeinern und in etwas zu verwandeln, das direkter ist."

Auch klanglich arbeiteten Desperate Journalist daran, ihren Sound für das neue Album weiterzuentwickeln und zu verfeinern, und setzen so das fort, was sich mit der im Vergleich zum selbstbetitelten Debüt spürbar detailreicheren Produktion von "Grow Up" angekündigt hatte. "Rob und ich sind schon echte Perfektionisten, ohne dass wir darauf abzielen, unsere Lieder überzuproduzieren. Wir möchten einfach alles so gut wie irgend möglich machen und genau das tun, wonach die Lieder verlangen", erklärt Jo. "Dabei wollen wir stets eine Balance finden zwischen der Intensität unserer Live-Konzerte und der Wucht der Gefühle, die in den Liedern steckt, gleichzeitig die Songs aber auch brillant, breitwandig und groß klingen lassen. Wir möchten das, was wir sagen wollen, perfekt kommunizieren, ohne dass es zu Lasten der Direktheit oder zu einer Verwässerung der auszudrückenden Gefühle gehen darf."

Die Hinwendung zu einem breiter aufgestellten Sound ist dabei weniger das Resultat einer bewussten Entscheidung oder mehr Zeit im Aufnahmestudio, sondern vielmehr das Ergebnis der durch die ersten Platten gewonnenen Erfahrungen bei der technischen Umsetzung ihrer Ideen. "Insbesondere Rob hat sich dieses Mal sehr stark in die Produktion eingebracht", verrät Jo. "Er hat diese unglaubliche Fähigkeit, die Sounds, die er im Kopf hat, auch tatsächlich zu realisieren. In Bezug auf die praxisbezogenen Dinge hat er im Laufe der drei Platten unglaublich viel aufgeschnappt. Ich dagegen weiß bisweilen noch nicht einmal, welcher Sound mir vorschwebt, wenn wir ins Studio gehen - ich habe eher ein bestimmtes Gefühl im Kopf. Deshalb arbeiten Rob und ich so gut zusammen, weil wir uns beide einig sind, wie es sich anfühlen soll, er aber auch weiß, wie es klingen soll. Vielleicht könnte man sagen, dass meine Vorstellung eher visuell ist, seine dagegen eher klanglich."

Bei ihren Konzerten werden Desperate Journalist seit November letzten Jahres durch den zusätzlichen Gitarristen Charley Stone unterstützt, bei der Arbeit an "In Search Of The Miraculous" fühlten sich Jo und die Ihren dennoch nicht durch ihre klassische Quartett-Besetzung eingeschränkt. "Nein, bislang war das noch nie ein Problem, wenngleich wir uns ganz langsam breiter aufstellen", erklärt Jo. "Zum Beispiel habe ich mir aus einer Laune heraus ein Hackbrett gekauft, das ich nun bei zwei Songs mehr schlecht als recht spiele. Allerdings waren wir uns von Anfang an einig, dass wir eine Gitarrenband sein wollten, wenngleich natürlich nicht im Sinne von Rockismus, denn es ist absolut lächerlich zu glauben, dass die einzig wahre Musik mit Gitarren gespielt wird. Wir mögen die Einschränkungen, die unser Line-up mit sich bringt. Ich glaube, es wäre gar nicht so leicht, wenn wir mit einem leeren Blatt Papier anfangen würden und uns alle Möglichkeiten offenstünden."

Vielleicht auch deshalb kann sich Jo für die nächste Platte Songs vorstellen, die ganz ohne die großen Gesten von "In Search For The Miraculous" auskommen. "Manchmal denke ich darüber nach, wie es wäre, etwas vollkommen Reduziertes zu machen", wagt sie einen vorsichtigen Ausblick. "Gerade jetzt, wo wir solch eine große Platte gemacht haben, fände ich es spannend zu sehen, was wir erreichen könnten, wenn wir uns viel stärker einschränken - insbesondere, weil wir jetzt alle viel bessere Musiker sind." Für den Moment freut sich Jo allerdings erst einmal darüber, wie perfekt ihre persönliche Entwicklung und die Evolution der Band Hand in Hand gehen. "Die Reise, die wir als Band und besonders ich persönlich in den letzten Jahren unternommen haben, war sehr, sehr intensiv, und jetzt bin ich sehr glücklich, dass ich der Zukunft der Band mit positiven Gefühlen entgegensehen kann. Das war zuvor nicht immer der Fall. Ich hatte auch ein wenig Angst, dass ich nicht in der Lage sein würde, ähnlich gefühlsbetonte und markante Songs zu schreiben, da ich nun viel optimistischer bin, aber ich bin überzeugt, dass unser neues Album auch unser bestes ist, und das macht mich sehr stolz."

Weitere Infos:
desperatejournalist.co.uk
facebook.com/DesperateJournalist
twitter.com/DespJournalist
instagram.com/desperatejournalist
desperatejournalist.bandcamp.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Pressefreigabe-
Desperate Journalist
Aktueller Tonträger:
In Search Of The Miraculous
(Fierce Panda/Cargo)
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