GL.de: Lydia, wo bist du, während du diese Fragen beantwortest, und wie ist die Stimmung?
Lydia: Das ist eine großartige erste Frage. Ich habe den bequemen Sessel am Fenster in meinem Schlafzimmer frei geräumt und auf Spotify das "Nils Frahm Radio" angeschaltet. Jetzt sitze ich mit hochgelegten Füßen da und die Stimmung ist gut.
GL.de: Wie fühlt es sich an, im Frühjahr 2019 Lydia Cole zu sein - und was ist der größte Unterschied zu der Zeit, als du mit der Musik angefangen hast?
Lydia: Im Moment befinde ich mich in einer interessanten Phase, was meinen Gemütszustand betrifft. Ich sehe bevorstehenden Touren entspannt entgegen, vielleicht auch aufgrund der zwei schönen Touren, die wir bereits in diesem Jahr bestritten haben. Die Tour zu Hause in Neuseeland hat mich persönlich erfrischt und professionell bestätigt. Bei jeder Show war das Publikum freundlich und der Saal voll. Ich habe mich zudem mit der Tatsache arrangiert, dass manche Leute mich oder meine Musik einfach nicht mögen. Und ich empfinde mehr Akzeptanz für meinen Körper und all die Unvollkommenheiten, die sich früher wie Probleme anfühlten. Gleichzeitig mache ich mir große Sorgen um den Planeten und darum, wie manche Menschen miteinander umgehen. Ich verbringe viel Zeit damit, Podcasts, Interviews und Artikel über die Klimakrise und die Übermacht der Weißen zu verschlingen, und dann fühlt es sich bisweilen sehr oberflächlich und sinnlos an, weiterhin Konzerte zu buchen und wie gewöhnlich Pläne zu schmieden. Ich nehme so viele persönliche Veränderungen vor, wie ich kann, um sorgsam mit dem Planeten umzugehen, aber ich fühle mich dabei weiterhin oft machtlos. Nach der Tour in Neuseeland im Februar und März habe ich beschlossen, keine Flugreisen mehr zu unternehmen, es sei denn, sie sind unbedingt erforderlich. Für die Konzerte, die bereits im September für Barcelona gebucht waren, musste ich schnell mehr Shows in ganz Deutschland, der Schweiz und Frankreich finden, damit wir von Berlin aus mit dem Zug anreisen können. Ich bin nur eine Person, aber ich denke, es ist wichtig - auch für meine eigene Gesundheit -, nach meinen Überzeugungen zu leben. In Bezug auf die Musik habe ich ziemlich feste Pläne für meine nächste Veröffentlichung, und das ist ziemlich aufregend.
GL.de: Gab es einen bestimmten Auslöser dafür, dass du Musikerin werden wolltest?
Lydia: Ich denke, es gab einige. Ich erinnere mich, dass ich elf war und meine Klasse am Ende des Schuljahres "My Heart Will Go On" singen musste. Meine Reaktion auf die Musik war sehr emotional, und ich erinnere mich auch an andere Lieder, die mich als Kind gefühlsmäßig sehr beeinflusst haben. Im Jahr darauf hörte ich Radio in meinem Schlafzimmer und spürte, dass es mir nicht mehr reichte, nur zuzuhören. Ich fühlte mich gezwungen, mitzumachen. Einer meiner Brüder im Teenageralter spielte bereits Gitarre in der Schule, also borgte ich mir seine Nylonsaitengitarre aus und suchte online nach Gitarrentabs für die Songs, die ich im Radio gehört hatte. Auf diese Weise lernte ich Songs von Travis, Coldplay, Avril Lavigne, The Cranberries und einer Kiwi-Band namens Zed zu spielen. Ich habe auch Stunden damit verbracht, realistische Porträts zu zeichnen von Musikern, die ich liebte. Es gibt eine Zeichnung von Chris Martin vom 16.09.02 - meinem 15. Geburtstag. Im folgenden Jahr schrieb ich mein erstes Lied, und ich denke, das war der Punkt, an dem es kein Zurück mehr gab. Ich hörte auf, viel für die Schule zu lernen, und fing an, in vielen Fächern durchzufallen. Ich erinnere mich, wie ich hinten im Klassenzimmer saß, Gedichte und Texte schrieb und eine kleine Comic-Version von mir zeichnete, in der ich eine Gitarre hielt. Tagträumen und Gedichte schreiben waren die einzigen Dinge, die mir Spaß machten und die ich kontrollieren konnte, seit ich als Teenager anfing, mit Angstzuständen und Depressionen zu kämpfen. Ungefähr in diesem Alter entdeckte ich auch Ryan Adams und sah, dass auf der Welt Platz für traurige, persönliche Lieder war. Ich fand darin Zuflucht und Ermutigung.
GL.de: Wie hat sich dein Musikgeschmack über die Jahre entwickelt?
Lydia: Als Kind war es vor allem die kleine Sammlung meiner Familie aus den 80ern und 90ern, die mich mit Musik versorgte, bis ich zehn war. Dazu zählen, mit den für mich wichtigsten Songs in Klammern:
The Beach Boys ("In My Room", "I Can Hear Music")
Dire Straits ("Walk of Life", "So Far Away", "Money For Nothing")
Simon & Garfunkel ("The Dangling Conversation", "Homeward Bound")
The Cranberries ("Disappointment", "Dreaming My Dreams")
Larry Norman ("Pardon Me")
Ladysmith Black Mambazo ("Unomathemba")
Mit 16 habe ich dann wie gesagt Ryan Adams entdeckt - durch meinen damaligen Freund. Wir waren depressive Teenager (und kein gutes Paar), und es waren das Drama und die Traurigkeit von Ryan Adams' Liedern, die uns zusammengebracht haben. Im Alter von 24 habe ich dann begonnen, als Barista zu arbeiten, und dabei kam ich zum ersten Mal mit Funk, HipHop und Reggae in Berührung. Ich lernte, dass sogar Musik im Hintergrund eines geschäftigen Cafés eine große Sache sein kann, und begann zu begreifen, dass sie unterschiedliche Menschen auf unterschiedliche Weise reagieren lässt. Ich verabschiedete mich von der Idee, dass es "gute Musik" und "schlechte Musik" gibt, und fing an, Geschmack, Erfahrung und Stimmung zu schätzen.
Mit 26 Jahren zog ich schließlich von meinen Eltern weg und mit fünf anderen jungen Leuten in ein kleines Haus. Ich denke, hier begann ich wirklich als Mensch zu wachsen, und durch meine Mitbewohner entdeckte ich viel neue Musik. Ich erinnere mich an emotionale Momente dort, als ich The War On Drugs, Sufjan Stevens, Matt Corby, Tame Impala und The Paper Kites entdeckte.
GL.de: In Neuseeland hattest du dir mit deinen ersten Platten bereits einen Namen gemacht und warst Finalistin beim nationalen Songwriting-Award Silver Scroll. Trotzdem hast du irgendwann entschieden, deine Koffer zu packen und einen Neuanfang in Berlin zu wagen. Wie kam es dazu?
Lydia: In gewisser Hinsicht laufen die Dinge in Neuseeland großartig für mich. Ich veröffentliche dort seit zehn Jahren Musik, und das Publikum, vor dem ich spiele, wächst eher, als dass es schrumpft. Gleichzeitig habe ich in einigen Bereichen die dunkle Seite der Branche gesehen. Die Szene dort ist klein. Wenn man es sich mit jemandem verscherzt, sitzt man schnell völlig auf dem Trockenen. Zugleich ist die Branche dort ziemlich von Hype und Image besessen. Ich bin mir sicher, dass dies für die Musikindustrie überall zutrifft, aber in Neuseeland ist es besonders ausgeprägt. Bisweilen fühlte ich mich so wie als Teenager in der Schule, und das hat mir gar nicht gefallen. Erst mit 26 Jahren zu Hause auszuziehen, fühlte sich sehr spät an, aber es hat mir gezeigt, dass sich das Leben erst richtig öffnet und interessant wird, wenn man sich dazu zwingt, riskante oder beängstigende Dinge zu tun. Es war Zeit für mich, die winzige Neuseeland-Blase hinter mir zu lassen und zu sehen, was anderswo möglich ist, solange ich noch jung genug war, um die Energie dafür zu haben und mich für das Visum zu qualifizieren. Außerdem habe ich mich auch in einen in Berlin lebenden Typen verliebt...
GL.de: Es gibt unzählige Lieder darüber, die Koffer zu packen, ein One-Way-Ticket zu kaufen und über Nacht abzuhauen. Du dagegen hast etwas länger über deinen Umzug nach Berlin nachgedacht. Wie hast du dich auf den großen Sprung vorbereitet?
Lydia: Ein Jahr bevor ich tatsächlich umgezogen bin, habe ich angefangen, ein Lied namens "Travelling Man" zu schreiben. Es erzählt detailliert meine Geschichte, wie ich der Liebe quer durch die ganze Welt folge. Sobald ich in Berlin angekommen war, habe ich das Lied vollendet und werde es bald aufnehmen und veröffentlichen. Die Entscheidung, nach Berlin zu gehen, fiel, als mein letztes Album, "The Lay Of The Land", halb fertig war, doch ich musste zunächst noch bleiben und das Album fertigstellen. Ich denke, das war ein großer Segen. Es gab mir die Zeit, mein letztes Jahr in Auckland zu genießen, mit all meinen Freunden und meiner Familie, all dem guten Kaffee und den besonderen Naturgebieten. Ich schrieb auch Gedichte und zeichnete Bilder, um über den Verlust meines vertrauten Lebens und die Möglichkeiten des neuen nachzudenken. Ich war während all dem emotional sehr präsent. Es brannte gewissermaßen. Wenn ich jetzt zurückdenke, weiß ich nicht, wie ich den Mut dazu hatte, es trotz so viel Unbekanntem vor Augen zu wagen, aber ich bin sehr froh, dass ich es getan habe.
GL.de: Wie verschieden ist das Leben in Europa und speziell in Berlin von dem, was du dir aus einer Entfernung von 10.000 Meilen vorgestellt hast?
Lydia: Vor meinem Umzug nach Berlin war ich noch nie in Europa gewesen. Unzählige Leute hatten mir schon erzählt, wie sehr sie Berlin liebten, und das war ziemlich überwältigend. Deshalb habe ich mich entschlossen, so wenig wie möglich zu erwarten und stattdessen die Stadt im Laufe der Zeit selbst auf mich wirken zu lassen. Ob all des Hypes um Berlin habe ich wohl eine zusammenhängendere Stadt erwartet. Die Leute schienen es zu lieben und zu kennen, also dachte ich, ich würde eine Stadt vorfinden, die definierbarer ist. Ich könnte (und sollte) öfter das Haus verlassen und viel mehr erkunden, aber selbst nach zwei Jahren kenne ich Berlin definitiv noch nicht wirklich. Aber vielleicht ist das auch ein Teil der Attraktivität - eine Stadt der vielfältigen Ebenen, Widersprüche und Kontroversen.
GL.de: Du hast in den vergangenen Monaten viel über die Schwierigkeiten gesprochen, die mit dem Umzug einhergingen. Was ist das Positivste daran, nun hier zu sein?
Lydia: Es ist ein Klischee, aber der Umzug nach Berlin hat mir etwas über mich und die Welt beigebracht, Dinge, die ich in Neuseeland möglicherweise nicht hätte lernen können. Bevor ich nach Berlin zog, warnte mich eine Freundin - eine in Neuseeland lebende sehr weise Deutsche - vor dem Kulturschock, den ich erleben würde. Sie sagte: "Mitgefühl für dich selbst ist eines der wichtigsten Dinge, die ein sensibler Mensch zu meistern hat, weil die Welt dich herumschubsen wird, egal ob du stehst oder gehst." In Berlin zögern die Menschen auch physisch tatsächlich nicht, wenn es darum geht, etwa in einer Warteschlange nach vorne zu kommen. Manchmal wirst du wirklich aus dem Weg geschubst. In Neuseeland passiert so etwas einfach nicht! Trotzdem war ich schockiert, dass ich nach all der Entwicklung, die ich in meinen 20ern durchlaufen hatte, in dunklen Zeiten ziemlich fies zu mir selbst sein kann. Das haben wir die Herausforderungen des Übergangs gezeigt. Aber es hat mir auch gezeigt, wie belastbar ich bin und wie viel ich erreichen kann. Manchmal dauert es Stunden oder Tage, aber irgendwann komme ich immer aus dem Bett. Abgesehen davon: In Europa zu leben ist für eine Musikerin wie mich sehr praktisch, da ich die Wahl habe, mit dem Zug anstatt mit dem Flugzeug auf Tour zu gehen.
GL.de: In der Vergangenheit hast du dich als sehr empfindsam für deine Umgebung beschreiben. Berlin sorgt dabei sicherlich für Inspiration en masse, gleichzeitig besteht die Gefahr der sensorischen Überlastung. Wie gehst du damit um?
Lydia: Ich denke, Letzteres war genau das, was mir die Ankunft und den Übergang in das Berliner Leben so schwer gemacht hat. Ich habe so viele Veränderungen gleichzeitig vorgenommen. Neue Beziehung, neue Wohnung, neue Stadt, neues Land, neue Sprache, neuer Lichteinfallwinkel, neue Jahreszeiten, neue Temperaturen, neue Freunde, neue Lebensmittel, neues Transportsystem, neue Währung, neue Marken, neue Produkte, neue Gesetze. Ich glaube, mein Verstand hat für ungefähr ein Jahr abgeschaltet, vielleicht sogar ein bisschen länger. Ich habe immer noch Shows gespielt und alles getan, um mein Leben zu leben, aber meine Fähigkeit, es zu genießen, war eingeschränkt. Ich glaube, meine ganze Gehirnleistung war auf das Überleben fixiert. Es dauerte 18 Monate, bis ich wieder Bilder machte, Vögel, Gebäude oder den Himmel fotografierte: Dinge um mich herum, die ich als schön empfinde. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich wieder bei mir selbst angekommen war.
GL.de: Das kürzlich als Single veröffentlichte Lied "The Sacred" handelt von den Schwierigkeiten, die du in deinem ersten Jahr in Berlin hattest. Du hast auch mehrfach erwähnt, wie sehr du dich auf deine Rückkehr nach Neuseeland für die Tour in diesem Frühjahr gefreut hast und insgeheim sogar mit dem Gedanken gespielt hast, bald für immer in deine alte Heimat zurückzukehren. Direkt nach deiner Rückkehr nach Berlin hast du dann aber gemerkt, wie glücklich du warst, wieder hier zu sein. Kannst du das näher erläutern?
Lydia: Ja, was für eine Überraschung! Ich hatte diese Tour in Neuseeland kaum erwarten können, und es war sehr heilsam, wieder dort zu sein, Familie und Freunde, Kinder und Orte zu sehen, die ich liebe. Es hat mich daran erinnert, dass es Menschen auf der Welt gibt, die mich wirklich kennen, schätzen und verstehen - ohne dass ich mich erklären muss. Ich liebte es, dort zu sein. Ich sagte den Leuten, dass ich 2020 dorthin zurückziehen würde, weil ich mich endlich gesund, geerdet, glücklich und zuversichtlich fühlte. Bei meiner Rückkehr nach Berlin spürte ich jedoch mit einem erfrischten Geist und voller Energie ein Potenzial, das ich zuvor noch nicht wahrgenommen hatte. Mir wurde klar, wie viele Möglichkeiten ich hier noch habe. Perspektive ist alles. Das habe ich die ganze Zeit gewusst, aber du kannst deine Perspektive nicht zwingen, sich zu ändern. Erst wenn wir Gefühle anerkennen, können wir beginnen, uns darüber hinauszubewegen. "The Sacred" zu schreiben, zu veröffentlichen und damit auf Tour zu gehen, hat mir geholfen, meine Gefühle der Trennung und der Verlorenheit auszudrücken, zu heilen und mein Leben fortzusetzen.
GL.de: Welche Rolle spielt Timothy Armstrong dabei, dein Partner auf und abseits der Bühne?
Lydia: Timothy spielt viele Rollen. Er ist der stille Fels, auf den ich mich stütze, ein immer hilfsbereiter Freund. Er ist auch ein talentierter und erfahrener Quell für technisches Wissen und sorgt für die elektronischen Elemente in meinem Live-Set. Er würde alles, was er tut, fallen lassen, um mir zu helfen - kreativ, persönlich, praktisch. Er kümmert sich um das, was mir wichtig ist, und er schätzt meine Gefühle, egal wie verwirrend sie sind. Tränen machen ihm keine Angst.
GL.de: Deine Stärke als Songwriterin liegt vor allem in deiner Ehrlichkeit: Du trägst dein Herz auf der Zunge. Kann man sagen, dass das als Notwendigkeit begonnen hat, weil du in den Kampf mit deinen persönlichen Dämonen verwickelt warst und es inzwischen eher ein Werkzeug ist, das du einsetzen kannst, aber nicht zwingend benutzen musst?
Lydia: Ich wüsste nicht, wo ich mein Herz lieber tragen würde als auf meiner Zunge! Daran wird sich nie etwas ändern. Du hast allerdings recht. Als ich mit 15 anfing zu schreiben, hatte ich Probleme mit meiner geistigen Gesundheit. Das Schreiben von Liedern und Gedichten war meine Therapie, meine Art, Schönheit und Sinn in meinen Gefühlen zu finden. In diesem Alter wuchs meine Fähigkeit, Gefühle zu empfinden, sehr schnell, aber mein Gehirn holte erst viele Jahre später auf! Ich denke, das ist es, was diese Teenagerjahre für manche Menschen so schwer macht Ich denke oft über meine geistige Gesundheit nach. Ich denke, jetzt bin ich gesünder, aber manchmal fühle ich immer noch die gleichen Zwänge. Im Allgemeinen komme ich besser zurecht, und ich spüre sehr selten das Gefühl der Angst, das ich früher hatte. Auf diese Weise fühle ich mich nicht gezwungen, mich der Musik als einer Art von Therapie zuzuwenden. Obwohl ich, wenn ich das manchmal tue, immer wieder beeindruckt bin, wie therapeutisch Musik für mich ist.
GL.de: Du hast in deinem ersten Jahr in Berlin nicht viel geschrieben, aus Angst, zu ehrlich zu sein. Hast du das getan, um dich zu schützen, oder dachtest du, dass diese Gefühle dein Publikum überfordern würden?
Lydia: Es war definitiv eine persönliche Entscheidung, die mir damals vage bewusst war. Ich wollte wirklich nicht an dem emotionalen Ort sein, an dem ich war. Ich habe das nicht verleugnet, ich habe es einfach gehasst - und ich wollte einfach nicht zu viel Zeit damit vergeuden. Ich denke, auf diese Weise habe ich der Verarbeitung dieser Emotionen effektiv den Rücken gekehrt, was ziemlich ungesund ist. Ich vergrub meinen Kopf im Sand. Ich glaubte, nicht die Energie zu haben, mich damit auseinanderzusetzen.
GL.de: Ganz allgemein: Wonach suchst du, wenn du Songs schreibst, und wie hat sich das über die Jahre verändert?
Lydia: Im Kern möchte ich eine spirituelle Erfahrung mit der Musik machen. Wenn mir das gelingt und ich das einfangen kann, dann scheinen einige Leute dort ebenfalls etwas Wertvolles zu finden. Das hat sich im Laufe der Jahre nicht geändert. Meine Songs sind nur Momentaufnahmen dieser Situationen, Gefühle und Erkenntnisse. Die meisten meiner Songs wurden in einem Rutsch, manchmal in zwei, geschrieben und ähneln Tagebucheinträgen. Im alltäglichen Chaos der heutigen Welt scheint mir das allerdings ein wenig bedeutungslos zu sein. In letzter Zeit hat es mir die Sorge um die Klimakrise schwer gemacht, aus dem Bett zu kommen oder das Geschirr zu spülen, geschweige denn Touren zu buchen oder Aufnahmesessions zu planen. Aber vielleicht müssen meine Lieder nicht den Weltfrieden bringen. Vielleicht kann ein einfacher spiritueller Moment dazu beitragen, Sinn in all dem Wahnsinn zu finden.