GL.de: Norbert, wie geht's?
Norbert: Ich sitze bei gedimmtem Licht bei mir im Musikzimmer. Die Stimmung könnte besser nicht sein, weil heute die Pakete mit den LPs unseres Debütalbums angekommen sind.
GL.de: Was ist der größte Unterschied zwischen deiner neuen Soloplatte und dem, was du mit One On One gemacht hast?
Norbert: Der größte Unterschied ist wohl die Herangehensweise. Alles ist professioneller geworden. Wir nehmen uns mehr Zeit beim Songwriting, wir nehmen uns mehr Zeit im Studio und haben ein besseres Studio. Ohne Dominic von Level 3 Entertainment würde die Platte bei Weitem nicht so klingen, wie sie heute eben klingt. Generell läuft dank Oise (von End Hits Records] und Marco [von Avocado Booking] alles sehr viel professioneller ab. Das ist einfach etwas anderes. Da sind auf einmal Termine, die man einzuhalten hat, da ist auf einmal Struktur drin. Das tut uns sehr gut, jemanden zu haben, der a) einen Plan hat und b) auch noch weiß, wie er umzusetzen ist. Bei One on One war das mehr so... nennen wir es "experimentell". Vier vor und los!
GL.de: Du drehst auf verschiedene Art und Weise schon eine ganze Weile deine Runden durchs Musikbusiness. Gab es einen bestimmten Auslöser, einen zentralen Wendepunkt, an dem du wusstest, dass du eine Platte wie "Habitat einer Freiheit" machen möchtest?
Norbert: Ehrlich gesagt nicht. Ich wollte zwar unbedingt mal etwas anderes ausprobieren, aber dass am Ende diese Platte rauskommt, war zum damaligen Zeitpunkt so nicht absehbar. Das hat als Singer-Songwriter-Projekt angefangen und dann, Gott sei Dank, eine Eigendynamik entwickelt, die letzten Endes zu dieser Platte geführt hat.
GL.de: Uns ist klar, dass das eigentlich unser Job ist, aber dennoch: Wie würdest du "Habitat einer Freiheit" mit nur drei Worten beschreiben?
Norbert: In so etwas bin ich furchtbar schlecht. Das ist übrigens auch ein Grund, warum wir unsere Bio nicht selbst geschrieben haben. Zum einen halte ich wenig bis nichts von Selbstdarstellung, und zum anderen gibt es einfach andere, die das wesentlich besser können. Ich bin jedenfalls froh und dankbar, dass uns Hendrik Otremba die Sache abgenommen hat. Ich überlasse die Beschreibung also dem Hörer. Dann sind wir beide fein raus - ist doch fair, oder (lacht)?
GL.de: Ganz allgemein gefragt: Wonach suchst du, wenn du heute Songs schreibst, und wie hat sich das über die Jahre verändert?
Norbert: "Suche" würde ich es nicht nennen. Entweder ich habe etwas, das mir unter den Nägeln brennt, etwas, das mir auf dem Herzen liegt und einfach raus muss, oder eben nichts. Dann wird es immer zäh. Denn eigentlich steht die Musik für das nächste Lied ja schon. Dann versucht man es doch mit dem Suchen und dem Überlegen. Bringt aber alles nichts. Es passiert einfach gar nichts in deinem Kopf oder in deiner Seele, bis man dann z.B. völlig unverhofft in der Zeitung oder in einem Buch einen Satz liest. Oft reicht wirklich nur ein Satz, und dann geht das Kopfkino schon los. "Nur für Verrückte" im "Steppenwolf" zum Beispiel. Alter, in dem Satz steckt die ganze Welt! Es ist zwar immer noch ein Haufen Arbeit, bis aus den ganzen Hirnfürzen ein fertiger Text wird, aber dann ist der Anfang gemacht. Manchmal ist es auch ein Ereignis, eine Sekunde. Unterm Strich "suche" ich aber immer Themen, die mich auch wirklich selbst beschäftigen, und hoffe dann, dass es anderen vielleicht auch so geht. Ich weiß, dass das Glücksspiel ist, aber ich kann einfach nicht zu irgendeinem Thema etwas schreiben, wenn es mich nicht wirklich selbst beschäftigt. Ich suche also nach dem, was mich beschäftigt. Warum nicht gleich so? Die Frage hätte man auch wesentlich kürzer beantworten können...
GL.de: Die Welt geht den Bach runter und alle singen davon. Macht es das für dich derzeit leichter oder vielleicht sogar schwieriger, weil sich mehr Künstler denn je auf die gleichen Inhalte stürzen?
Norbert: Als Band macht es die Sache, glaube ich, schwerer. Nicht weil sich mehr Künstler auf die gleichen Themen stürzen, sondern eher, weil ich glaube, dass das keiner hören will. Ich kann mich auch täuschen, aber tendenziell glaube ich, dass man es als Band mit seichter Unterhaltungsmusik und einfachen, belanglosen Texten leichter hat. Das ist nichts Neues, aber gefühlt nimmt diese Art der Musik gerade zu. Vielleicht auch gerade, weil die Welt den Bach runtergeht.
GL.de: Du sagst: "Ein Text ist gut, wenn du flennst." Wer treibt dir die Tränen in die Augen?
Norbert: Besonders gut zum Heulen bringen mich z.B. Tom Waits und Herbert Grönemeyer. Es gibt darüber hinaus natürlich noch weitere gute Texter und Texte. Sven Regner schreibt unfassbar gute Texte. Bruce Springsteen. Ludwig Hirsch. Bill Withers. Cro-Mags - wer auch immer da jetzt der wirkliche Texter war. Jeder, der "Life Of My Own" schon mal mitgesungen, mitgelebt und mitgefühlt hat, wird das bestätigen können. Ein Text muss dich einfach packen.
GL.de: Das Album ist in enger Zusammenarbeit mit dem zuvor bei The Heartbreak Motel, Zero Mentality, Frère oder Die Negation aktiven Alan Kassab entstanden. Fällt es dir leicht, mit anderen zusammenzuarbeiten, oder ist das etwas, das du über die Jahre lernen musstest?
Norbert: Mittlerweise fällt mir das relativ leicht. Ich kann jetzt natürlich nur für mich sprechen und vielleicht haut es jetzt gleich ein paar meiner ehemaligen oder aktuellen Weggefährten vom Hocker, aber gefühlt fiel mir das schon immer leicht. Natürlich gibt es auch Tage, an denen es nicht so gut läuft und man den anderen am liebsten auf den Mond schießen würde. Alles andere wäre glatt gelogen. Grundsätzlich lohnt es sich aber immer, zu diskutieren und sich mit gewissen Passagen oder ganzen Liedern etwas länger auseinanderzusetzen. Wenn man das immer im Hinterkopf hat, fällt es einem auch relativ leicht. Man ist allein niemals so stark wie im Team, und es lohnt sich immer, die Kontrolle abzugeben. Heißt ja auch nicht, dass man sie nicht wieder an sich reißen kann (lacht).
GL.de: Was macht dich derzeit als Musiker am glücklichsten?
Norbert: Dass sich die ganze Arbeit jetzt endlich auszahlt. Das eigene Album in der Hand zu halten, ist einfach ein wunderschönes Gefühl. Außerdem freu ich mich jetzt, ehrlich gesagt, auch darauf, endlich live zu spielen. Alle Vorbereitungen neigen sich langsam dem Ende zu, und es kann endlich losgehen!