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JIM WHITE
 
Das Jubiläum des Außenseiters
Jim White
Jim White gehört zu den großen Mystikern der Songwriter-Szene. Weniger, weil er sich bewusst rätselhaft gibt (das ist eher ein Nebenprodukt seines künstlerischen Schaffens), sondern weil er selbst - ohne großartigen Masterplan - wie ein neugieriges Kind durch das Leben stolpert und dabei einräumt auch nicht immer alles, was er tut, sieht, erlebt oder erzählt verstehen zu wollen. Und das, obwohl er mittlerweile schon mehr als 60 Lenze zählt. Es überrascht aufgrund seines abenteuerlichen Lebenswandels dann auch nicht, dass zwischen den Veröffentlichungen des "Transnormal Skiperoo" (so der Titel seiner LP von 2007) schon mal mehrere Jahre liegen können und dass er noch nie den Weg auf unsere Bühnen fand. Aufgrund der Initiative des Vereins "Klub der 40" kommt es im Rahmen einer Europa-Tour nun zumindest zu einem Abstecher nach Köln - auch wenn das kommende Album "Misfit's Jubilee" noch gar nicht fertig ist. Grund genug, Jim zumindest mal ein paar allgemeine Sachen zu fragen. Zum Beispiel, welche interessante Geschichte er zum Titel seines noch aktuellen Albums von 2017, "Waffles, Triangles & Jesus" zu erzählen hat.
Jim White
"Das eigentlich Interessante passierte erst, als ich dem Album schon einen Namen gegeben hatte", führt Jim aus, "ich führe ein Notizbuch, in dem ich alle möglichen Gedanken notiere, während ich mein normales Leben führe. Eines Tages vor vielen Jahren kam mir irgendwann die Phrase 'Waffles. Triangles and Jesus' in den Sinn. Ich schrieb das auf und schaute es mir immer wieder mal an und fragte mich, was das zu bedeuten haben könnte. Ich hatte nie eine Ahnung. Nachdem das letzte Album fertig war, wollte es einfach so genannt werden und ich habe zugestimmt. Projekte, in die man tief eintaucht, entwickeln zuweilen ihr Eigenleben dieser Art. Typischerweise google ich dann immer um zu sehen, ob nicht schon jemand den gewählten Titel schon verwendet hat - aber dieses Mal habe ich mir die Mühe gar nicht erst gemacht - weil ich mir sicher war, dass die drei Worte noch niemals zusammen in der englischen Sprache verwandt worden waren. Kurz nachdem die Scheibe veröffentlicht worden war, schrieb mich aber ein Fan aus North Carolina an und fragte, ob ich das Album nach einem Restaurant in der Nähe seines Hauses genannt habe - denn dieses hieß 'Triangle Waffles' und hatte auf der Markise einen Schriftzug, der sagte 'Jesus Loves You'. Das erinnerte mich daran, dass vieles, was Außenstehende in meiner Arbeit als Surrealismus interpretieren, tatsächlich einfach ein Bestandteil des täglichen Alltags des Lebens im Süden ist." Nun - ganz so einfach ist die Sache freilich nicht, denn schon bei unserem ersten Interview mit Jim White im Jahre 1997 erklärte der Mann, dass er die Gabe der Vorhersehung habe und etwa beim Durchblättern einer Zeitung schon vorab sagen könne, was ein paar Seiten später stehe. Vermutlich ist die Sache mit dem Dreickswaffeljesus eher eine Folge dieser Gabe. Wie gesagt: Jim White gehört halt zu den großen Mystikern seiner Zunft.

"Waffles, Triangles & Jesus" erschien ja schon vor drei Jahren - aber untätig wird er ja seither nicht gewesen sein, oder? "Nein - ich habe mich eine Menge mit visueller Kunst beschäftigt", verrät er, "ich mache zum Beispiel Folk-Art-Collagen aus gefundenen Objekten. Manchmal wird mein Haus dabei so voll, dass ich auf eine Art Kunst-Konstruktions-Tournee gehen muss. Und natürlich habe ich mein neues Album 'Misfit's Jubilee' aufgenommen - und zwar im letzten Sommer in Antwerpen und Athens, Georgia. Es ist sehr verschieden von meinen anderen Alben geworden und enthält ziemlich viel Indie-Rock. Es besteht aus jenen Songs, die ich über die Jahre geschrieben habe, die nicht zu meiner Southern-Gothic-Identität passten. Tatsächlich gehören einige meiner Lieblingssongs in diese Kategorie - und da ich jetzt 63 bin und auch nicht jünger werde, dachte ich mir, dass ich es eher bald als später machen sollte. Wer will schon einen 70-jährigen Fuzz-Gitarre zu einem üblen Backbeat spielen sehen? Also außer Rolling Stones Fans meine ich jetzt..."

Das letzte Album war ja hingegen eher Country-lastig und an Gospel-Musik ist Jim ja auch noch interessiert. Hat er denn da im Laufe der Jahre nicht doch irgendwelche Vorlieben entwickelt? "Ich habe nach wie vor keinerlei Masterplan", gesteht er, "wenn ich mir Musik anhöre - was nicht oft passiert -, dann sind das hauptsächlich Sachen, die mir Freunde empfohlen haben. Suchen tue ich eigentlich nichts mehr. Eine meiner Töchter ist 13 - und wir hören uns zusammen die Musik an, die sie mag - Billie Marten, Billie Eilish, K. Flay oder Panic At The Disco. Wir unterhalten uns auch über die Künstler und diskutieren, was diese von anderen absetzt." Bei unserem letzten Gespräch 2007 erzählte uns Jim noch, dass eben diese Tochter, die damals ja noch ein Baby war, sein musikalisches Regime bestimmte. "Ich habe aber auch eine 21 Jahre alte Tochter, die in einer ernsthaften Beziehung mit dem Gitarristen der total bekannten Indie-Band Grouplove ist. Also hören wir uns auch deren Musik an und diskutieren, was funktioniert und was sie kraftvoll macht. Es ist schön eingängige Popmusik. Es gibt etwas Gutes in jeder Art von Musik. Wenn sie das Herz oder den Bauch erreicht, ist das alles, was zählt … also es sei denn, es geht darum, Düsternis zu ermutigen - das ist es dann, wo ich eine Grenze ziehe." Was zeichnet gute Musik denn für Jim aus? "Viele Musik klingt heute so ähnlich", überlegt er, "es hilft also, wenn jemand versucht, Genres unterschiedliche Aspekte abzugewinnen. Ich mag afrikanische Musik, Wüsten-Blues, südamerikanische Musik und so etwas. Was mich aber in meiner Sprache interessiert, sind Künstler, die kraftvolle Texte schreiben - wie zum Beispiel Sam Baker, Laura Veirs oder Adam Fawcett."
Und was hat Jim noch im Köcher? "Ich produziere demnächst das Album einer venezuelanischen Künstlerin", berichtet er, "es geht um traditionelle Folkloremusik, die die Zerrissenheit ihres Landes thematisiert. Ich weiß gar nicht, was sie singt - aber ich kann die hypnotisierende Kraft ihrer Musik nachvollziehen. Sie ist sehr einnehmend und voller seltsamer Ton-Verschiebungen und melodischer Muster." Was hat es eigentlich mit den unzähligen Video-Snippets auf sich, die Jim über seine Social-Media-Channel veröffentlicht? "Ich habe eine Menge über die Podcasts gehört", erläutert er, "also habe ich versucht, mal ein Spoken-Word-Stück zu machen, um zu sehen, wie schwierig das wohl wäre. Nun - ich bin ein Perfektionist und insofern hat es drei Monate gedauert, das zu schreiben und zu produzieren. Es heißt 'Monkey-Land' und läuft zweieinhalb Stunden. Das biete ich Fans auf einem USB-Stick mit 15 GB Material an - auch mit Filmen, die ich gemacht habe, Geschichten, die ich geschrieben habe und Fotos, die ich geschossen habe. Es ist schon erstaunlich, wie viel heutzutage auf so ein kleines Stück Plastik passt!" Und was ist aus Jims geplanter Autobiographie "Incidental Contact" geworden? "Der erste Entwurf ist jetzt fertig", berichtet er, "der ist ganz gut geworden - also jedenfalls, was mein Gefühl betrifft. Ich habe das an ein paar Agenten in den US geschickt. Eine davon hat das Manuskript zwar akzeptiert - mich dann aber gebeten es auf eine Weise abzuändern, die keinen Sinn für mich machte. Davon habe ich natürlich abgesehen. Ich habe mich dann bezüglich des Verlagswesens kundig gemacht und - Überraschung - festgestellt, dass es wie das Musik-Business ist. Man händigt also sein Material für einen Hungerlohn aus und sieht später nie wieder einen Pfennig. Und man hat keinen Einfluss darauf, wie und wem das Buch präsentiert wird. Da ich aber ein eingebautes Publikum über meine Musik-Karriere habe, denke ich, dass ich es selbst veröffentlichen und die Einnahmen dazu verwenden werde, ein weiteres Buch in Form eines nicht-biographischen Romans zu schreiben. Es macht einfach keinen Sinn, die Gewinne aus deiner Arbeit mit Fremden zu teilen - speziell da es heutzutage so schwierig ist, überhaupt Profit zu machen."

Was kann uns Jim denn über den Film "Gutterbee" sagen, zu dem er gerade den Song "Jolly Crocoldile" geschrieben hat? "Die dänischen Typen von Desoto Caucus, die die Musik für den Film zusammenstellten, sind gute Freunde von mir", berichtet Jim, "sie haben mich gebeten, einen Song für den Film zu schreiben und mir eine verrückte Szene aus dem Film geschickt. Ich habe einfach geschrieben, was mir in den Sinn kam. Die hahnebüchene Tendenz zur Selbstzerstörung scheint ja heutzutage ein übliches Thema zu sein. Den Film habe ich selber aber noch gar nicht gesehen."

Weitere Infos:
jimwhite.net
www.facebook.com/jimwhiteofficial
www.youtube.com/watch?v=EnGEnUGQ-4k
www.youtube.com/watch?v=_Z3TkrkFSV0
www.mixcloud.com/Marcus_Bäcker/songs-to-play-geburtstagsausgabe-13-dezember-2018-erstausstrahlung-674fm/
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Jim White
Aktueller Tonträger:
Waffles, Triangles & Jesus
(Loose/Rough Trade)
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