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DANDY WARHOLS
 
Cool as the Dandy Warhols
Dandy Warhols
Also es gibt sie schon noch, diese besonderen Momente im Leben eines Musikjournalisten. Dann zum Beispiel, wenn man wieder einmal auf eine Band trifft, die genauso zugekifft und abgefahren ist, wie die Musik, die sie machen. Nehmen wir z.B. mal die Dandy Warhols. "Also so ein Interview mit Courtney ist so eine Sache", meint der Promoter, "aber der schläft sowieso. Ich schicke Dir mal den Drummer." Das aber mußte besagter Courtney, seines Zeichens Sänger und Kopf der Band gehört haben und bestand darauf, nun doch selber einzuschreiten. Courtney Taylor ist nun so, wie man sich gewissermaßen einen richtigen Rockstar vorzustellen hat: Unrasiert und fern der Heimat, betont salopp gekleidet, kunstvoll unfrisiert frisiert und mit jener Aura von "je ne sais quoi" umgeben, die es Plattenfirmen ermöglicht, in solche jungen Talente immens zu investieren. Ach ja: Und cool bis zum umfallen, natürlich.
Dandy Warhols
Einer der Tracks auf dem aktuellen Album heißt denn auch "Cool As Kim Deal". Das ist jetzt aber nicht auf eine bestimmte Freundschaft oder sowas zurückzuführen. "Nein, ich kenne Kim Deal nicht mal. Die Titel zu unseren Stücken beruhen alle auf plötzlichen Eingebungen. Das muß was magisches haben. Kim Deal ist aber definitiv cool. Und das ist doch das allerwichtigste: Cool zu sein", sagt Courtney. Dieses Ziel hat die Band gewiß erreicht. Die Warhols kommen aus Portland, Oregon, was zur Zeit eine ganze neue Welle cooler neuer Acts ausspuckt. Elliot Smith kommt daher und seine ehemalige Band Heatmiser. Über diese Schiene sind die Warhols auch an den Produzenten Tony Lash geraten. Obwohl: "Produzent" hört Courtney gar nicht gerne.

"Produzent ist doch Bullshit. Wir brauchen keinen, der uns sagt, wie wir zu klingen haben. Wir haben unseren eigenen Sound. Da stecken wir jede Menge Arbeit rein. Wir haben Layer auf Layer an Gitarrensounds aufgenommen. Sowas kann man gar nicht produzieren." Was auch immer. In der Bio zur neuen Platte "The Dandy Warhols Come Down" steht zu lesen, daß es Differenzen mit der Plattenfirma gegeben hatte, weil die Band zunächst keine ordentlichen Stücke zustandebekommen hätte.

"Quatsch. Das ist Blödsinn", erklärt Courtney, "es geht nicht darum, daß wir keine Stücke fertig hatten, sondern ich wollte bewußt ohne Stücke ins Studio gehen, um dort etwas wirklich kreatives machen zu können."

Dandy Warhols
Schön, wenn man sich so etwas leisten kann. Aber das war wohl nicht das Problem. Letztlich enthält die Platte einige respektable Hits. Andererseits gibt es auch endlose, eher seltsame und nicht unbedingt zu etwas führende Instrumentals. Besonders gegen Ende hin. Ist da nicht vielleicht doch was an der Aussage aus der Bio dran? Und was haben diese Stücke denn für eine Funktion? "Darüber haben wir nicht großartig nachgedacht. Gewöhnlich ist der Prozeß der, daß wir uns ins Studio hocken, jede Menge Dope rauchen und uns die Sachen immer wieder anhören. Dann geht das los: "Klingt gut", "Nee, spul nochmal zurück", "das ist zu lang", "das ist zu kurz" und so weiter. Und irgendwann paßt es dann."

Das hört sich ja sehr kreativ und impulsiv an. Ist es denn nicht wichtig, die Kontrolle zu behalten? "Es ist verdammt wichtig, die Kontrolle zu behalten, und zwar in allem - vom Sound bis zum Artwork (Die Idee mit der Panorama-Fotografie ist auch von Courtney, obwohl er mit dem Ergebnis nicht so zufrieden ist, weil der Fotograf ein Torfkopf war). Es ist wichtig zu erkennen, wann ein Stück fertig ist. Das ist bei unserer Art von Musik zwar manchmal schwierig, aber wir haben ja Erfahrung damit." Stichpunkt "Art der Musik": Viele der Warhols-Tracks bauen auf einem bestimmten Riff auf, was dann mehr oder minder durchgezogen wird.

"Als wir anfingen, war ich sehr daran interessiert, Sachen herunterzubrechen, zu zerstören. Es ging mir nicht darum, Songs mit komplexen Strukturen zu schreiben, wie Paul Simon z.B., sondern die totale Zerstörung des Songs. Das ist jetzt zwar nicht mehr so, aber es geht nach wie vor eher um die richtige Stimmung als sonstwas. Deswegen sind unsere Stücke vergleichsweise simpel." Die Konsequenz in der Reduktion und der Flirt mit selbstauferlegten Limitationen ergeben in den besten Momenten treibende Hits wie den "Junkie" Song. Ist das auch geplant? "Nein. Dieser Song sollte jemanden bestimmtes ganz gewaltig auf den Keks gehen." Hat dieser Plan geklappt? "Weiß nicht. Ich spreche nicht mehr mit ihr."

Hier nun offenbart sich ein ganz andere Seite Courtney's. Etwas, auf das man so gar nicht gekommen wäre: Während sich die Attitude der Band in Fuck-You-Posen und eben extremer Coolness ergeht, scheint unter der Oberfläche doch ein gewisses sensibles Element zu lauern (einer seiner Lieblingsfilme ist z.B.: "Barry Lyndon"). Denn die Texte, sofern man sie denn verstehen kann, sind extrem persönlicher Natur. "Die Texte sind verdammt wichtig für mich", beschreibt Coutney das, "ich habe mir die Seele aus dem Leib geschrieben. Die Texte sind nur deswegen nicht auf dem Cover, weil kein Platz mehr war." Da gibt's z.B. den Song "I love You", der in der Konsequenz die Essenz des Bestrebens der Warhols sein dürfte: Ein Song, der praktisch auf einer Note, einem Riff und dem Mantra-artig hervorgestoßenen "I love You, I love You, I love You" basiert.

"Ganz genau. Wenn Du Dir das mal überlegst, ist es doch genau das, was Dir durch den Kopf geht, wenn Du versuchst, eine Beziehung zu rationalisieren. Du stehst da, und überlegst - "was passiert jetzt? Liebst Du sie noch? Sollst Du sie ansprechen? Vielleicht lieber nicht. Oder sollst Du sie anrufen? Und dein Gewissen sagt: Wenn Du sie anrufen willst, dann tu's doch. Und dann zögerst Du wieder und dann denkst Du: Scheiß drauf. Und so weiter. Und all die Zeit hast du dieses "I love you" im Kopf. Mann, das war verdammt hart, diesen Song zu schreiben. Manchmal denke ich noch an sie. Ich glaube sogar, ich habe heute nacht von ihr geträumt..."

Dandy Warhols
All diese psychologischen Feinheiten spielen dann bei den Live-Shows keine große Rolle mehr. Da gehen die Warhols auch in eine andere Richtung. Dort gibt es eine äußerst clevere Dramaturgie, die mit einer düster-dräuenden Eröffnungsphase beginnt, in die Hits übergeht, und mit soliden Rockern ausklingt, um dann bei den Zugaben (inkl. "The Last Time" von den Stones, was das Rolling Stones T-Shirt von Bassistin Zia erklärte) richtig die Sau rauszulassen. Der Sound der Warhols ist auch recht ungewöhnlich. Zia's knackiger Korg-Synthesizer-Baß ermöglicht es ihr mit einer Hand Tambourine oder Maracas zu schwingen und ansonsten ist Betonung sehr viel mehr auf Rhythmus denn auf Rock ausgelegt. Zuweilen verstärkt sich die Band dann mit einem dritten Gitarristen und dann kommt eine Stimmung auf wie bei den frühen Velvet Underground oder wie bei Motorpsycho. Zuletzt zeigt sich auch der Humor der Band, indem nämlich Courtney das Publikum mit angelernten Germanismen ("Alles im Arsch") unterhält.

Alles eingedenk sind die Dandy Warhols eine richtig schöne Chaotentruppe alter Manier, wo sich Genie und Wahnsinn dankenswert ergänzen (ergänzt natürlich durch die notwendige Coolness).

[Erstveröffentlichung in Gästeliste #2, Oktober 1998]

Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-

Aktueller Tonträger:
The Dandy Warhols Come Down
(Intercord Schallplatten)

 
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