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KHRUANGBIN
 
Alt, Neu & Pfiff
Khruangbin
Auf die Idee, das Trio Khruangbin aus Houston als eine Band wie jede andere zu bezeichnen, käme vermutlich so schnell kaum jemand: Benannt haben sich Khruangbin z.B. nach dem thailändischen Wort für Flugzeug (bzw. wörtlich "Fliegendes Ding") - aber nicht etwa, weil die Band aus Thailand stammt, sondern weil Bassistin Laura Lee - die gerade die Sprache lernte - den Klang des Wortes mochte. Dann tragen Laura Lee und Gitarrist Mark Speer bei öffentlichen Auftritten grundsätzlich schwarze Perücken. Aber nicht, weil ihnen die Haare ausgefallen wären, sondern mit der Idee, nach den Shows auf diese Weise unerkannt zum Merch-Stand gelangen zu können. Musikalisch zeigen sich Khruangbin weitestgehend allem gegenüber offen, was sich nicht wehrt und lassen gerne auch folkloristische Elemente in ihre Musik einfließen. Auf Texte und Gesang im herkömmlichen Sinn verzichtete das Trio bislang - außer, wenn sie sich z.B. mit dem Neo-Soul-Wunderkind Leon Bridges für ein gemeinsames Projekt wie die EP "Texas Sun" zusammen tun. Dennoch haben sich Laura Lee, Mark Speer und Drummer Donald Ray "DJ" Johnson als weitestgehend instrumental agierendes Psychedelia-Trio insbesondere als Live-Act mittlerweile einen regelrechten Superstar-Status erarbeitet.
Nun liegt mit "Mordechai" das dritte Album vor. Hier sollte dann alles anders werden, denn nachdem die Band mit den beiden zuvor erschienenen Alben "The Universe Smiles Upon You" und "Con Todo El Mundo" unablässig getourt war, beschloss das Trio, eine Auszeit zu nehmen, um dann mit frischer Kraft gemeinsam an neuem Material arbeiten zu können. Dabei gelangte insbesondere Laura Lee zu einer Art Erleuchtung - als sie nämlich von einem Freund namens Mordechai eingeladen wurde, mit dessen Familie zu einem Wasserfall zu wandern und bei dieser Gelegenheit von Mordechai ermuntert wurde, von eben diesem Wasserfall zu springen, wobei dieser ihren vollen Familiennamen Laura Lee Ochoa rief, was sie dann als eine Art Taufe mit Wiedergeburt empfand. Das wiederum führte dann dazu, dass Laura anfing, ihre Gedanken in einer Art Poesiealbum festzuhalten. Als es im Anschluss dann daran ging, die neuen Songs einzuspielen, kam das Trio auf die Idee die Ideen aus diesen Notizbüchern als Grundlage für Lyrics herzunehmen, mit denen die neuen Stücke "angefüttert" wurden. Nun ist dabei nicht gleich ein Singer/Songwriter-Album entstanden - aber der Inhalt gewann gegenüber der Form dieses mal - dank Mordechai - deutlich an Gewicht. Warum war das bisher eigentlich anders? "Nun, bisher war es so, dass immer, wenn wir versuchten, einem unserer Songs Texte hinzuzufügen, sich das ein wenig gewollt anfühlte", erläutert Mark Speer, "und wir machen nichts, was sich nicht richtig anfühlt. Dieses Mal passte es aber und deswegen haben wir es einfach mal versucht." Das bringt uns zu einem interessanten Punkt, denn Mark sagte ein Mal, dass es einfach zu viele Musiker gäbe, die versuchten, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, während er es bevorzuge, eigentlich lieber erst mal die Möglichkeiten innerhalb des gewählten Settings auszuloten, bevor man sich nach Neuem umschauen sollte. Und Laura Lee sagte sogar, dass Khruangbin ohne bestimmte Absichten zu Werke gingen. "Also wenn man zum Beispiel einen Fehler macht, dann entdeckt man auf diese Weise manchmal etwas richtig Großartiges", überlegt Mark, "und wenn man versucht, das zu kontrollieren, dann verpasst man auf diese Weise einiges. Wir arbeiten also viel mit Zufällen und lassen dabei auch viel zu. Wenn man zum Beispiel aus Versehen an einer Stelle eine Zeile singt, die eigentlich für einen anderen Zusammenhang gedacht war, dann kann diese vielleicht besser klingen, als man das vorher aufgeschrieben hatte. Vielleicht sollte das dann besser auch so klingen. Die Leute, die immer sagen, dass sie über den Tellerrand hinausschauen wollten, sollten sich also auf diese Weise vielleicht fragen, ob sie im Teller schon alles angeschaut haben."
Wie funktioniert das Ganze dann konkret technisch? Auch wenn es sich so anhören mag, entstehen die Khruangbin-Songs ja nicht aus Jam-Sessions oder? "Selten", räumt Mark ein, "jedes Mal, wenn wir eine Scheibe angehen, ist das für uns furchteinflößend und gewagt. Es ist immer ein großes Abenteuer." Na ja - aber irgendwie muss man da doch anfangen. "Ich denke, das war wie immer", beschreibt DJ den Prozess, "es fängt immer mit Drums & Bass an - und dann schichtet Mark da Gitarrenparts drauf. Ich erinnere mich noch an die ersten Demos für die neue Scheibe, die wir in einem Hotelzimmer angehört haben - ich glaube es war der Song 'Shida' - und erst als Mark mit der Gitarre hinzukam, konnten wir erkennen, dass der Song Gestalt annahm. So ist das eigentlich immer. Erst wenn Mark da Struktur reinbringt und sagt, dass dieses oder jenes cool ist, können wir den Song dann auch einspielen." Geht es dann vielleicht dabei sogar darum, im Studio Risiken einzugehen? "Ja", bestätigt Mark, "man kann ja nicht immer wieder denselben Song aufnehmen. Auch wenn uns das oft vorgeworfen wird. Aber Angus Young hat ja man auf die Frage, was er den Kritikern sagen würde, die AC/DC vorwerfen, 15 x die gleiche LP herausgebracht zu haben, antwortete, dass sie dann eben dieselbe LP 16 x herausbringen würden. Der Punkt ist aber, dass der Zuhörer dann auch jede dieser LPs eindeutig als AC/CD-LPs erkennen kann. Und das ist bei uns genauso. Andererseits möchte man sich ja auch als Künstler weiterentwickeln und neu aufstellen. Ich denke unser Rezept lautet: Etwas Altes und etwas Neues mit einem Pfiff."

Worin besteht dann das zuvor von Mark erwähnte große Abenteuer? "Zeit", führt Mark aus, "es ist immer erschreckend, wenn man keine Zeit hat. Unser Label hat uns dieses Mal zwar mehr Zeit gegeben - aber nicht zum Schreiben, sondern für die Post-Produktion - was ich hasse, denn man kann ja keine Songs in der Post-Produktion schreiben." Gab es denn wenigstens genug Zeit, die Songs einzuspielen? Schließlich hören sich alle Khruangbin-Songs an, als seien sie nur ein Mal live im Studio eingespielt worden. "Sie sind schon live im Studio eingespielt", zögert DJ, "aber für gewöhnlich spielen wir sie mehrfach ein und nehmen dann den zweiten oder dritten Take. Alles, was danach noch kommt, klingt verbrannt und müde. Der erste Take ist dazu da, das System zu bereinigen und beim zweiten oder dritten Take passiert dann für gewöhnlich die Magie." Und die besteht worin? "Also normalerweise haben wir den Song fertig geschrieben, bevor wir ein Mischpult auch nur anfassen", erklärt Mark, "wir probieren dann, wie wir den Song spielen könnten, und stellen dabei oft fest, dass der Song in eine andere Richtung möchte, als wir uns das vorgestellt haben. Man muss dabei dann sein Ego überwinden und davon Abstand nehmen, bestimmen zu wollen, wo die Reise hingehen soll."

Khruangbin
Nun gibt es ja auf dieser Scheibe mehr Textzeilen als gewöhnlich - heißt das dann auch, dass Mark sein Ego als Gitarrist hintanstellen muss? "Ich liebe es sowieso Rhythmus-Gitarre zu spielen", meint Mark, "die Sache ist die: Wenn man einen Gitarrenpart spielt, der auch eine Melodielinie beinhaltet - was das ist, was wir hauptsächlich machen -, dann gibt es keinen Raum mehr für etwa eine Gesangsmelodie. Man muss das schon umarrangieren, wenn das funktionieren soll. Es gibt ja manchmal diese Sachen, wo Gitarren- und Gesangsmelodien gestaffelt werden - und das ist mir dann zu viel. Wir hatten uns ursprünglich überlegt, vielleicht später noch mit Overdubs zu arbeiten. Aber stattdessen haben wir dann angefangen, Textzeilen zu verwenden - und die saßen dann an Stellen, an denen eigentlich meine Gitarrenparts gelandet wären." Und weniger ist dann sozusagen mehr, richtig? "Ich würde das so sagen, ja", bestätigt Mark.

Nun ist es zwar so, dass im Vergleich zu den beiden anderen Khruangbin-Alben durchaus mehr gesungen wird - jedoch nicht in dem Sinne, dass hier nachvollziehbar Geschichten erzählt werden. Dennoch haben die einzelnen Songs schon eine Bedeutung - auch wenn viele Lyrics nur aus mantraartigen Slogans bestehen und es sogar mit dem Thema "Erinnerung" ein Leitmotiv für die ganze Scheibe gibt. "Wir werden aber jetzt nicht erklären, worum es in den einzelnen Songs geht", meint Mark vorauseilend. Das muss ja auch nicht sein - aber andererseits gibt es viele Spekulationen und Andeutung über die Bedeutung diverser Khruangbin-Songs (auch solcher ohne Worte). Die Frage wäre dann, ob es Khruangbin - trotz Texten - eher darum geht, die Musik für sich sprechen zu lassen? "Absolut", bestätigt Mark, "das war ja immer unser Credo. Kommen wir da auch noch mal auf das Thema 'Furchterregend' zurück. Ich habe immer Angst davor gehabt, Texte zu schreiben und ich habe Angst davor, zu singen. Das mag ich gar nicht. Ich mag es, Gitarre zu spielen - und das ist es dann für mich." Und wie übermittelt man dann eine über die Worte hinausgehende Bedeutung eines Songs? "Nun indem du dem Song zum Beispiel einen beschreibenden Titel gibst", führt Mark aus, "oder auch einen spezifischen Titel wie 'August 12th', der für verschiedene Menschen alles Mögliche bedeuten könnte. Wichtig ist, die Möglichkeit zur Interpretation zu gewährleisten, denn nur so kann der Song ein Eigenleben entwickeln." Und wie erreicht man so die Zuhörer? "Am besten durch das Live-Spielen", meint Mark, "denn dazu braucht es keine Worte. Ich zum Beispiel schaue mir ständig alle Menschen im Publikum an - bis hin dazu, dass diese sich beobachtet fühlen. Oder ich verstärke Sachen, die ich spiele, durch meine Körperbewegungen oder eine bestimmte Mimik. Das tut Laura ja auch. Man muss das Publikum einbinden und mitnehmen - sonst wird es ziemlich schnell langweilig. Wenn man das schafft, dann kann man die Leute auch auf eine Reise mitnehmen." Eine Reise also mit einem "fliegenden Ding" - nur dieses Mal vielleicht mit mehr Ansagen als sonst.

Weitere Infos:
khruangbin.bandcamp.com
www.facebook.com/khruangbin
linktr.ee/khruangbin?fbclid=IwAR2kwXB-pI5pJyqZXiOTnRjmjZhEqRCdLDRAwoRA8CouY1oHElDTK9t0-ug
www.youtube.com/watch?v=lo4KMGiy--Y
www.youtube.com/watch?v=oc50wHexbwg
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Tamsin Isaacs-
Khruangbin
Aktueller Tonträger:
Mordechai
(Dead Oceans/Cargo)
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