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KATHLEEN EDWARDS
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Einatmen - Ausatmen
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Als die Kanadierin Kathleen Edwards 2014 - zwei Jahre nach der Veröffentlichung ihres letzten Albums "Voyageur" von 2012 - ankündigte, dass sie sich aus dem Musikbusiness zurückziehen und stattdessen in ihrer Heimat Stittsville ein Café betreiben wolle, war die Überraschung unter den Fans natürlich groß. Denn gerade mit jenem - von ihrem damaligen Boyfriend Justin Vernon von Bon Iver produzierten - Album schien sich Kathleen musikalisch freigeschwommen zu haben und auch bei den an die Veröffentlichung anschließenden Konzerten erweckte sie nicht den Eindruck, unzufrieden mit ihrer Rezeption zu sein. Freilich ist Kathleen Edwards keine Künstlerin, die sich durch oberflächliche Äußerlichkeiten greifen ließe. Der Titel ihres nun vorliegenden, neuen Albums "Total Freedom" lässt vermuten, woran es ihr damals wohl ermangelte. Als im letzten Jahr der Songwriter Neal Casal Selbstmord beging, nahm Kathleen dieses Ereignis zum Anlass, über die sozialen Medien anzudeuten, dass auch sie - wie Casal - mit Depressionen zu kämpfen hatte, was dann die kreative Auszeit im Nachhinein schlüssig machte. Was hat Kathleen denn letztlich veranlasst, hier und jetzt ein neues Album einzuspielen?
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"Ich liebe es, Musik zu machen - aber ich war froh, dass ich einen zweiten Job in meinem Café habe", erklärt Kathleen, "es war nämlich wundervoll, mir eine Auszeit von der Musik nehmen und etwas machen zu können, bei dem ich nicht unter dem Druck stand, auf Tour gehen oder Songs schreiben zu müssen und dabei jeden Tag verletzlich zu sein. Ich hatte also Zeit, so lange gesunden zu können, bis ich wieder darauf freuen konnte, wieder Musik zu machen. Denn so konnte ich mein Leben wieder neu aufbauen." Und wie steht Kathleen heute zum Musizieren? "Nun, es ist schön und befriedigend, wenn man Songs schreibt und sich darauf verlassen kann, eine kreative Ader zu haben", überlegt sie, "was mir aber wirklich gefehlt hat, war die Verbindung zu anderen Menschen, die ich über meine Musik erreichen konnte." Heißt das vielleicht, dass Musik früher eher ein therapeutisches Medium für Kathleen war, während es heutzutage eher um die kommunikativen Aspekte geht? "Ja, das würde ich ganz genau so sehen", bestätigt Kathleen. Gab es eigentlich spezifische Anlässe, die Kathleen jeweils bewogen haben, mit der Musik aufzuhören bzw. dann auch wieder anzufangen? Oder war das eher eine natürliche Entwicklung? "Nun - als ich mit meinem damaligen Gitarristen Colin Cripps verheiratet war, war dieser stets eine Quelle des Trostes und der Unterstützung für mich", verrät Kathleen, "als diese Beziehung dann endete, fühlte sich das für mich an, als würde mir der Boden unter den Füßen weggezogen. Und zwar, weil ich dann alles alleine machen musste - und es war sehr schwer, alles alleine zu machen. Ich konnte dann auch nicht damit umgehen, dass meine Musik nicht in der Weise geschätzt wurde, wie ich mir das vorgestellt hatte. Nicht in Bezug auf Geld, Berühmtheit oder Erfolg, sondern in Bezug auf die Anerkennung. Ich hatte immer das Gefühl, bescheiden und selbstironisch sein zu müssen. Ich hatte aber nie das Gefühl, dass meine Arbeit wirklich wertgeschätzt wurde. Ich hatte dann ja auch ein Verhältnis mit Justin Vernon von Bon Iver begonnen - und er produzierte mein Album. Es wurde dann aber nur darüber berichtet, dass ich mit ihm liiert war - aber nicht darüber, dass ich die Songs geschrieben und aufgenommen hatte. Ich wurde einfach als Country-Sängerin abgetan. Das fand ich demoralisierend."
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Das führte ja schon damals dazu, dass sich Kathleen musikalisch insofern neu aufgestellt hatte, als dass sie sich weg vom ursprünglichen Americana-Setting hin zu einer stilistisch offeneren, poppigen Richtung entwickelt hatte. Interessanterweise setzt das neue Album genau dort wieder an. In der Tat lassen sich die "verlorenen Jahre" - zumindest musikalisch - überhaupt nicht heraus hören. "Der Unterschied zu damals ist der, dass ich mir heutzutage keine Sorgen mehr über die Dinge mache, über die ich mir früher Sorgen machte", führt Kathleen aus, "ich vergleiche es nicht mehr mir meinen alten Sachen, ich frage mich nicht, ob es zu ähnlich oder zu unterschiedlich sein könnte, ob es gut genug ist oder nicht oder ob ich den Leuten beweisen müsste, dass ich hart genug gearbeitet und eine gute Scheibe gemacht habe. Ich fühlte mich nun einfach frei genug, ohne Druck das schreiben zu können, was ich geschrieben habe." Es gibt ja Leute, die sagen, dass man Musik idealerweise als Hobby betrachten sollte - also wenn man es sich leisten kann. "Ja, das denke ich auch", überlegt Kathleen, "wenn ich Eltern, deren Kinder sich für eine Laufbahn in der Musik interessieren, einen Ratschlag geben sollte, was sie tun sollen, dann wäre das: 'Geht ihnen aus dem Weg!' Einfach weil man es so verdammt ernst nehmen muss, wenn man Musik machen will, dass die Hilfe von Eltern die Sache gewiss nicht besser macht; denn diesen Kampf muss jeder alleine für sich kämpfen. Ansonsten ist es reine Zeitverschwendung. Ich stimme dir aber zu, dass es hilft, wenn man die ganze Sache als Hobby betrachten kann. Ich beneide Leute, die in dieser Position sind. Früher konnte ich nie verstehen, wie man Musik nur zum Spaß machen kann - weil mir die Sache so ernst war. Heute sehe ich das aber anders."
Tendenziell gibt es ja viele düsteren Themen auf der Scheibe. Ist es fair zu sagen, dass damit diese negativen Energien aus dem Weg geräumt wurden? "Teilweise ja", zögert Kathleen, "bestimmt war das so bei 'Ashes To Ashes'. Ich habe das über einen Mann geschrieben, der mit 42 Jahren gestorben ist, als er seinen Weg freiräumte. Ich kannte ihn aus dem Café und er war mein Lieblingskunde. Bei der Beerdigung suchte seine Familie Trost in der Bibel. Das hat mich insofern wütend gemacht, als dass ich mich fragte, welche Hilfe das für seine Kinder sein solle, wenn da ein älterer Herr aus der Bibel vorliest. Das ist natürlich düster - war aber auch sehr läuternd für mich." Wie kann man denn anderen Menschen helfen? Durch die Musik? "Meine Cousine kommt öfters in mein Café und liest ein Buch, beobachtet Menschen oder spricht mit anderen Menschen. Sie meinte ein Mal, dass ihr eine Frau erzählt habe, dass dieser Ort ihr Leben gerettet habe. Sie war gekommen, um ihre sterbende Mutter auf ihrem letzten Weg zu begleiten und empfand mein Café dann als sicheren Zufluchtsort. Das bedeute mir mehr, als dass ich Geld mit meinem Café verdienen kann - auch wenn sich das blöde anhört, weil ich auch gerne Geld für meinen Lebensunterhalt verdiene. Das sind aber die Dinge, die früher gar nicht so richtig verinnerlichen konnte - wenn mir zum Beispiel jemand sagte, dass ihm einer meiner Songs durch eine schwere Zeit geholfen habe - oder wenn das Café ein sicherer Hafen sei. Heute sind mir diese Dinge wichtiger als in einem schönen Hotel zu wohnen oder einen Club zu finden, in dem ich auftreten kann." Einer der neuen Songs, der das Thema "Freiheit" auch irgendwie auf den Punkt bringt, ist der Track "Options Open" - den Kathleen zwar in einem anderen Kontext schrieb, der aber ihre momentane Position recht gut auf den Punkt bringt. Denn zur Freiheit im weiteren Sinne gehört ja auch, dass man sich alle Optionen offen hält. "Ja, das ist auch der Grund, warum der Song auf dieser Ebene funktioniert, obwohl ich den Song ursprünglich für jemanden geschrieben habe, dem ich versichern wollte, dass ich ihn liebe", überlegt Kathleen, "aber jetzt hat dieser Song auch die Botschaft, dass - außer mir - niemand mehr zu bestimmen hat, was gut für mich ist. Und das trifft ja auch auf jedermann zu. Niemand hat zu entscheiden, was dich sicher, bequem und glücklich macht. Ich mag diese Idee: wenn man sich alle Optionen offen hält, dann bietet das Leben dir all diese unglaublichen Möglichkeiten - und nur du hast zu bestimmen, was gut und richtig für dich ist."
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Musikalisch arbeitete Kathleen dieses Mal sehr eng mit ihrem Drummer Peter von Althen zusammen - indem sie ihn bat, das Klangbild für die fertig geschriebenen Songs zu finden. Hatte sie dieses bereits beim Schreiben der Songs im Hinterkopf? "Ich hatte fertige Songs und ich hatte Songs, an denen ich noch arbeitete. Ich habe diese dann zu Peter gebracht und er hat dann entschieden, was funktionierte oder nicht. Er hat zum Beispiel die Idee gehabt, den Song 'Hard On Everyone' mit einer Art War On Drugs-Ansatz zu spielen - obwohl es bis dahin ein langsamer Akustik-Song war. Ich würde sagen, dass er der wichtigste Mann auf dem Album ist." Woher stammt denn die Idee, in diese Richtung zu gehen? "Ich wollte einen gewissen Geist für die Songs haben und ich liebe die Art, wie Peter spielt - mit dieser fröhlichen Energie. Das wollte ich in die Songs übertragen. Was mir wichtig war, war der Gedanke, dass die Songs eine gewisse Leichtigkeit ausstrahlen sollten. Man sollte nicht den Eindruck bekommen, dass sich da jemand lange Zeit Gedanken darüber gemacht hatte, wie wir die Songs arrangieren könnten. Es sollte sich anfühlen wie einfach einzuatmen und auszuatmen. Und so sind wir die Songs angegangen - wie eine klassische Rockscheibe aus den 70ern etwa, von Van Morrison oder Joe Cocker oder sogar War On Drugs. Es sollte sich nicht gewollt anhören, sondern mühelos." Ging es dabei darum, den Hörer auf eine Reise mitzunehmen? "Kann sein", zögert Kathleen, "aber ich habe das für mich selbst gemacht - und weniger weil ich jemand mitnehmen wollte. Und ich habe das gemacht, was ich mochte und nicht das, von dem ich dachte, das es anderen gefallen könnte." Auch das gehört ja zum Freiheits-Aspekt. Freuen wir uns also, dass Kathleen Edwards auf diese Weise zur Musik zurückgefunden hat.
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Weitere Infos:
kathleenedwards.bandcamp.com
www.kathleenedwards.com www.instagram.com/kittythefool www.facebook.com/kathleenedwardsmusic twitter.com/kittythefool www.youtube.com/channel/UCOp3gg8Nn6hE5Fb-cbJppVQ
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Interview: -Ullrich Maurer- Fotos: -Pressefreigaben-
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Aktueller Tonträger: Total Freedom (Dualtone/SPV)
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