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Interview-Archiv

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JOHANNA AMELIE
 
Die emotionale Perfektionistin
Johanna Amelie
"Mit Musik will ich eine Verbindung zu anderen herstellen", sagt Johanna Amelie und genau das gelingt ihr auf ihrem zweiten Album mit leuchtenden Vorbildern wie Joni Mitchel, PJ Harvey oder Regina Spektor ganz ausgezeichnet. Nach einem Schicksalsjahr markiert "Beginnings" für die in Berlin heimische Singer/Songwriterin einen Neuanfang, der sich nicht nur in nachdenklich gestimmten Texten niederschlägt, in denen sie ihre eigenen Erfahrungen mit viel Poesie universell greifbar macht, sondern auch musikalisch sofort hörbar ist. Entstanden ihre wunderbar filigranen Lieder in der Vergangenheit zumeist auf der Gitarre, rückt nun das Klavier in den Fokus, wenn sie sich von dunkelschön-melancholischen Nummern ("Hammock") über luftig-sphärischen Dream-Pop ("Hands") zu herzergreifendem Piano-Pop ("Public Pain") vorarbeitet und gleichzeitig aber auch mit dem wunderbar verspielten "Yes" oder dem betont zart instrumentierten "Mountains" ihre Vergangenheit nicht vollends vergisst. Gaesteliste.de sprach mit ihr über ihren zauberhaften Neubeginn.
Der LP-Titel "Beginnings" würde fraglos gut zu einem Debütalbum passen, aber Johanna Amelie hat bereits einen weiten Weg hinter sich gebracht. Geboren in München, wächst sie in Süddeutschland und Hessen in einer extrem musikalischen Familie auf, geht aufs Internat in Frankreich und verbringt Zeit in Indien, bevor sie für ihr Musikproduktionsstudium in Berlin landet. Doch bevor 2014 ihr erster eigener Tonträger "Cloud In A Room" erscheint, wird eines ihrer Lieder von Jazz- und Soul-Sängerin Jocelyn B. Smith gecovert, für den Nachfolger "Distance" findet Johanna Amelie im Jahr 2018 nicht nur ein englisches Label, mit The-Strokes-Produzent steht ihr bei den Aufnahmen auch eine international renommierte Koryphäe zur Seite, bevor sie letztes Jahr mit der EP "One Moon" ein weiteres Ausrufezeichen setzt. Auch sonst ist sie stets in Bewegung. Rund 300 Konzerte hat sie in den vergangenen Jahren gespielt und dabei nicht nur halb Europa, sondern sogar Neuseeland und Ghana bereist. Erfahrungen, die bleibenden Eindruck bei ihr hinterlassen haben. "Von meinen Konzertreisen gefiel mir die Tour in Italien sehr, auch Island fand ich magisch, aber am meisten mochte ich Ghana", sagt sie. "Dort mit Bands vor Ort zu proben und Konzerte zu spielen und sich über Musik auszutauschen, war richtig schön. Accra ist eine riesige Stadt am Meer, die Künstlerinnen und Künstler dort beschäftigen sich mit völlig anderen Themen als meine Kolleginnen und Kollegen in Berlin, das war inspirierend und erfrischend."

Überhaupt ist es Johanna Amelie sehr wichtig, mit anderen Musikerinnen und Musikern zu kollaborieren - und das gilt nicht nur für die Musik an sich. Als Mitinitiatorin des V-Breakfasts ist ihr die Sichtbarkeit von Frauen in der Musikbranche ein besonderes Anliegen, denn auch wenn inzwischen viel mehr Frauen auf der Bühne stehen und Künstlerinnen stärker von den Medien wahrgenommen werden, ist längst noch nicht alles gut. "Das V-Breakfast (Visibility-Breakfast) ist eine Berliner Community für female*artists, die wir vor drei Jahren gestartet haben", erklärt sie. "Mittlerweile gibt es über 450 Mitglieder in der Gruppe. Wir treffen uns einmal im Monat, tauschen uns aus, besprechen Themen, die uns wichtig sind, und setzen uns für die Sichtbarkeit von female*artists ein. Wir haben schon einige Aktivitäten zusammen unternommen, z.B. haben Alin Coen und ich gemeinsam 40 Frauen für den GEMA Musikautoren Preis nominiert, der in der Vergangenheit überwiegend von männlichen Kollegen gewonnen wurde. Von unseren 40 Nominierten hat leider nur eine Frau gewonnen, und nicht nur deshalb: Aus meiner Sicht gibt es noch viel zu tun."

Vielleicht, weil sie sich selbst als "emotionale Perfektionistin" bezeichnet, hat Johanna Amelie auch bei ihren Aufnahmen seit den frühesten Tagen ihrer Karriere immer wieder helfende Hände eingeladen. Auch an "Beginnings" sind wieder einige ihrer "famous friends" beteiligt. "Ich bin durch die Zusammenarbeit mit anderen Künstlerinnen und Künstlern sehr inspiriert", verrät sie. "Die Gitarre, die Tristan Brusch auf dem Song 'Horizon' gespielt hat, hat er sich selbst ausgedacht, und ich finde, diese Gitarre verleiht dem Song den nötigen Spaß-Faktor. Meine Co-Produzentin Luisa Ortwein, die an Songs wie 'Norway', 'Yes' oder 'Public Pain' mitgearbeitet hat, hat meine Ideen noch mal auf ein ganz anderes Level gehoben. Zusammen mit Max Quentmeier ist sie außerdem verantwortlich für die coolen Basslinien auf dem Album. Ich bin stolz, dass Tanya Wells und Larissa Pesch, zwei meiner Lieblingssängerinnen, die Songs um einen wunderschönen Harmonie-Gesang ergänzt haben. All diese Freundinnen und Freunde von mir haben sich auf dem Album eingebracht und mit ihren Beiträgen die Klangfarben um Emotionen vertieft, finde ich."

Doch auch wenn die Lieder auf "Beginnings" durch die Unterstützung noch heller erstrahlen, sind sie doch schon in ihrem Kern großartige Song-Perlen mit dem gewissen Etwas - unverfälscht, feingliedrig und poetisch. "Für mich ist Songwriting das Handwerk oder die Kunst, eine persönliche, menschliche Erfahrung in eine globale Erfahrung zu transformieren", sagt sie über ihre Herangehensweise. "Plötzlich kann dann etwas, das ich fühle, auch von anderen Menschen gefühlt werden. Ich persönlich habe schon Songs in meinem Leben gehört, die mich verändert haben. Hätte Regina Spektor niemals "Samson" gesungen, wäre ich heute womöglich eine völlig andere Person. Wenn sich nur ein Mensch von meinen Songs inspiriert fühlt, habe ich meinen Job wahrscheinlich schon richtig gemacht. Ich mag vor allem Lyrics, die mich zum Schmunzeln bringen oder in mir das Gefühl auslösen, 'hier bin auch ich zu Hause'. Ich finde Songs von Künstlerinnen und Künstlern toll, die immer wieder neuartige und innovative Storys raushauen. Besonders gut darin sind, wie ich finde, zum Beispiel PJ Harvey oder Moritz Krämer."

Auch sie selbst versteht es blendend, ihre Welt immer wieder aus ungewohnten Blickwinkeln zu betrachten und so der Singer/Songwriter-Konkurrenz eine Nasenlänge voraus zu sein. Doch was ist eigentlich zuerst da? Der Geistesblitz, die interessante Analogie, oder doch eher ein Thema, das auf unerwartete Weise beleuchtet werden will? "Zuerst ist das Gefühl da, dann entsteht ein Thema und dann die Musik", erklärt sie. "Beim Schreiben meiner Texte lasse ich mich von den unterschiedlichsten Dingen inspirieren. Es kann beispielweise ein Gedicht sein, das ich lese, oder ein Telefonat, das ich mit jemandem führe, ein Traum, den ich träume, und so weiter. Manchmal kommt es auch dazu, dass sich verschiedene "Happenings" dann zu einem Song vermischen. Neuerdings versuche ich, gezielter Themen in Songs unterzubringen, die mir wichtig sind."

Letzteres ist auch auf "Beginnings" spürbar, denn 2019 war für sie ein Jahr der Trauer, des Schmerzes und des Loslassen-Müssens, ein Jahr überschattet vom Tod ihrer Mutter. Das neue Album symbolisiert für sie einen Neuanfang, den Wunsch, ihr Leben aktiv in die Hand zu nehmen und eine neue Art der Freiheit, Klarheit, Schönheit, Präsenz, Akzeptanz und Stärke zu finden. Dazu nutzt sie bei den Liedern der neuen LP inzwischen öfter die Tasten als die Gitarre, auch wenn der Anstoß dazu eher zufällig kam. "Letztes Jahr habe ich in der Band Point No Point Keys und Synthesizer gespielt. Ich habe mir selbst in dieser Rolle super gefallen und meine Liebe zu Tasteninstrumenten und zum Sounddesign wieder neu entdeckt", erklärt sie. "Der Opener auf dem Album, 'Hammock' ist der Song, der mir am meisten Spaß gemacht hat. Ich habe hier den 'Flöten-Sound' auf dem Keyboard gebastelt, das Klavier und auch eine der Geigen selbst eingespielt."

Obwohl es oft die Tiefschläge des Lebens sind, die ihr den Anstoß geben, blickt Johanna Amelie mit ihren neuen Songs stets auf das Positive und vertont so auch die Freude am eigenen Tun. Ihre detailverliebten Lieder sind deshalb bei aller unterschwelligen Traurigkeit ungemein aufmunternd und erhebend und treffen zwischen Zeitgeist und Zeitlosigkeit stets den richtigen Ton. Dabei ist ihr Erfolgsgeheimnis denkbar einfach. "Ich mache ehrlich gesagt einfach die Musik, die mir gefällt", sagt sie mit einem Schulterzucken und unterstreicht mit "Beginnings" eindrucksvoll, dass für sie selbst in Zeiten, in denen die Musikindustrie zunehmend in klar abgesteckten Schubladen denkt, der eigene Weg der beste ist.
Weitere Infos:
johannameliemusic.com
facebook.com/johannaameliemusic
instagram.com/johannaameliemusic
johannaamelie.bandcamp.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Junala-
Johanna Amelie
Aktueller Tonträger:
Beginnings
(Brilljant/Indigo)
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