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ESTHER ROSE
 
Besessen
Esther Rose
Esther Rose hadert nicht mit dem Schicksal, sondern nimmt das Gute wie das Schlechte gleichermaßen an. Das sagt die Songwriterin aus den Südstaaten auch, nachdem das Schicksal ihr in den letzten Jahren ein einziges Auf und Ab zwischen insgesamt drei Umzügen, dem Zerbrechen einer langjährigen Beziehung, einem rastlosen Leben auf Tour - u.a. als Support für Altmeister Nick Lowe - aber auch prestigefördernde Kollaborationen mit Jack White auf dessen letzter Scheibe "Boarding House Reach" und natürlich am Ende auch die Pandemie und deren Folgen beschert hat. Gleich vorweg: Eine Lockdown-Scheibe ist ihre nun vorliegende dritte Scheibe "How Many Times" keineswegs geworden. Vielmehr hatte sie das Glück, das neue Material mit ihrer Band und Produzent Ross Farbe (der als Musiker sein Auskommen bei der E-Pop-Band Video Age hat) live im Studio zusammen einspielen zu können, bevor Corona über uns alle hereinbrach. Obwohl Esther in ihren Songs dann auch oft und gerne persönlich wird, möchte sie auch ihren nun vorliegenden, dritten Tonträger "How Many Times" dennoch keineswegs als Kapitel in einem musikalischen Tagebuch missverstanden wissen.
"Nein - das möchte ich nicht sagen, dass es ein musikalisches Tagebuch ist", überlegt Esther, "ich schreibe natürlich generell schon aus meiner eigenen Perspektive, aber ich hoffe doch, dass meine Songs so offen sind, dass die Menschen einen eigenen Bezug dazu entwickeln können. Sie sind autobiographisch, aber mein Tagebuch ist dann doch ganz schön anders als meine Songs." Was möchte Esther denn mit ihren Songs stattdessen vermitteln - vielleicht eher eine Art Interpretation oder Kommentar ihrer Erfahrungen oder Beobachtungen? "Ja, sicher, das ist eine gute Art das zu beschreiben", pflichtet sie bei, "ich muss aber diesen Unterschied zwischen dem Tagebuch und dem Song-Schreiben machen, weil Song-Schreiben einfach ein Handwerk ist, das sich zwar mit Poesie und Symbolismus beschäftigt, aber auch die musikalische Seite beinhaltet. Es geht dabei also nicht um eine direkte Wiedergabe des Erlebten. Es ist auch ein Teil meines Lebens. Ich schreibe ständig Songs über das, was ich erlebe - und das ist meine Motivation im Leben." Wie hat sich die ganze Sache mit dem Schreiben von Songs für Esther denn entwickelt - und warum hat sie sich auf der musikalischen Seite die Country-Musik als Startpunkt ausgewählt? "Mal sehen - ich denke, ich fühlte mich ursprünglich zur Country-Musik aufgrund deren Simplizität hingezogen", erinnert sich Esther, "ich habe mit dem Song-Schreiben ja auch erst in einem späteren Alter angefangen und habe erst mit 28 gelernt, Gitarre zu spielen. Ich war also eine Anfängerin und da half mir die Einfachheit der Country-Musik. Man kann da mit drei Akkorden so viel ausdrücken. Das ist auch der Grund, warum ich mir viel Hank Williams zur Inspiration angehört habe." Viele Leute sagen ja, dass Country-Musik das beste Medium sei, um Geschichten zu erzählen. "Also ich denke, dass man in allen Genres Geschichten erzählen kann", wirft Esther ein, "ich weiß zwar, dass die Leute das der Country-Musik zuschreiben - aber eigentlich kann ich das überall hören. Ich würde das nicht auf die Country-Musik beschränken wollen." Im Web heißt es, dass Esther über ihr Waschbrett-Spiel bekannt geworden sei. "Wer behauptet das?", fragt Esther, "das Waschbrett war meine Eintrittskarte für die Musikszene in New Orleans. Ich konnte damals ja noch keine Gitarre spielen und konnte auf diese Weise Teil der Szene werden. Als ich dann die Gitarre spielen konnte, habe ich mein Waschbrett aber an die Wand gehängt."
Esther Rose
Esthers neues Album ist ja auch kein reines Country-Album mehr. "Ja, da ist etwas ganz Interessantes passiert. Jedes Mal, wenn ich eine Scheibe aufnehme, müssen wir ein paar Stücke rauslassen, weil ich mehr schreibe, als ich für eine LP brauche. Anfangs habe ich dann gerade die Songs rausgenommen, die NICHT so Country-lastig waren. Als ich aber mit der Band gesprochen habe, haben die gerade die Songs ausgesucht, die mehr Drums hatten, etwas kraftvoller waren und eben weniger Country-lastig sind. Die Band hat mir also geholfen, auf diese Weise mein Songwriting-Handwerk anzunehmen und in eine Richtung eines eigenen Genres zu gehen. Wir haben jetzt eine Mischung aus 60s Folk, 90s Alt-Country, Pop-Musik. Es ist eigentlich die Suche nach einem eigenen Sound, die das Ganze auszeichnet." Dabei half ja gewiss auch Produzent Ross Farbe, der ja als Mitglied der Band Video Age eigentlich aus der E-Pop- und New Wave-Ecke kommt. "Ja, Ross ist der Mann der Stunde", meint Esther, "er war bereit und ich war es auch. Er stand einfach in New Orleans zur Verfügung. Er ist deswegen cool, weil er seine Bandmaschine mitbringt. Er ist sozusagen 'tragbar' - was ich liebe, denn ich mag es sehr, in Häusern Musik aufzunehmen. Ich mag es, an Orten aufzunehmen, die viel Licht haben. Also haben wir unser Equipment in einem zum Venue umgebauten Eckladen namens 'The Tigermen Den' aufgebaut. Ross hat gute Ohren, er hat einen tollen Sound, es ist angenehm mit ihm zu arbeiten - er ist einfach ein toller Mensch." Das hört sich nach einem recht organischen, analogen Prozess an. "Ja, das war auch so", bestätigt Esther, "da gibt es aber eine interessante Background-Geschichte. Wir haben meine ersten beiden Scheiben in einem Studio namens Mashed Potato aufgenommen, das ein paar Freunde von mir aufgebaut haben und aus dem inzwischen ein Label wurde. Es gibt da diese ganze Bewegung. Die ganze Underground-Country-Szene in New Orleans ist nicht zuletzt aufgrund dieses Studios aufgeblüht." Und das ist ein analoges Studio? "Ja, wir haben alle unsere Scheiben live auf Tape eingespielt", bestätigt Esther, "denn ich denke, dass das die Performance aller Musiker befeuert, weil wir ja so gezwungen sind, zusammen zu spielen und uns so auf die Integrität des Songs konzentrieren müssen. Nachdem ich das gesagt habe, muss ich aber hinzufügen, dass ich mich diesbezüglich festlegen möchte. Ich bin eigentlich offen für alle Arten des Aufnehmens. In New Orleans gibt es aber gerade viele Studios, die sich auf analoge Aufnahmetechniken spezialisiert haben." Und was folgt daraus? "Nun, ich weiß, wie ich meine Songs repräsentiert haben möchte", überlegt Esther, "und demzufolge suche ich mir Leute, die das verstehen."
Hat Esthers Musik denn eine therapeutische Wirkung? "Das erinnert mich an die Frage nach dem Tagebuch", zögert Esther, "ich will die Leute schon dazu drängen, zur Therapie zu gehen. Musik ist schließlich keine Therapie. Therapie ist Therapie. Oder empfindest du meine Musik als Therapie?" Es ging ja nicht um Therapie für andere, sondern darum, ob Esthers Songwriting für sie selbst therapeutische Wirkung haben könne. "Ach so", meint Esther, "das denke ich aber auch nicht. Ich glaube vielmehr, dass es ganz natürlich ist, das Bedürfnis zu haben, die eigene Seele bloßzulegen. Es ist vielleicht sogar ganz gesund, als darstellender Künstler eine ambivalente Einstellung zu diesem Thema zu haben. Ich bin einfach so besessen davon, Songs zu schreiben, dass ich gar nicht anders kann. Ich habe endlich etwas gefunden, das für mich Sinn im Leben macht und ich habe das Gefühl, dass ich noch viel mehr in dieser Richtung machen kann. Das ist für mich die beste Art, das zu beschreiben." Das heißt, dass Esther ihre Musik hauptsächlich für sich selbst macht? "Ja, ganz bestimmt", lacht sie, "alles, was sich sonst noch daraus ergibt, ist ein Extra-Bonus." Was zeichnet einen guten Song für Esther aus? "Wow", zögert sie, "um ganz ehrlich zu sein, ist es oft so, dass mich die liebsten Songs, die ich geschrieben habe, zum weinen bringen. Es da also diese nicht wirklich fassbare, aufrichtige Offenheit in meiner Wahrnehmung und der Darstellung dessen, was ich zu sagen suche, die so etwas auslöst. Das ist nicht einfach zu erreichen. Vieles von dem, was wir mit Musik verbinden, ist ja sehr emotional - und das ist nicht leicht anzuzapfen. Es passiert auch nicht bei jedem meiner Songs. Wenn ich aber diese emotionale Integrität selbst verspüren kann, dann weiß ich, dass ich meinen Job gemacht habe." Es gibt ja auch kein Rezept, so etwas zu realisieren. "Nein - aber der Prozess ist eigentlich immer gleich", überlegt Esther, "man kann natürlich seine Inspirationen aus verschiedenen Quellen beziehen - aber im Kern geht es darum, dass der Song immer sehr gegenwärtig im Moment ist."

Gehört Esther Rose eigentlich zu den Musiker(inne)n mit einem Masterplan für die Zukunft? "Nein", lacht sie, "das kann man schon daran sehen, wie oft ich umziehe. Ich habe aber immer einen Stapel Songs, die ich jederzeit aufnehmen könnte und ich warte einfach auf eine Gelegenheit, das auch zu tun. Ich schreibe immerzu und habe immer etwas zu sagen. Das ist momentan ja alles ziemlich schwierig - aber langsam wird es ja hoffentlich wieder besser. Im Moment geht mir aber alles zu langsam."
Weitere Infos:
estherrosemusic.bandcamp.com
www.estherrose.net
www.facebook.com/therealestherrose
www.instagram.com/therealestherrose
twitter.com/estherrose
www.youtube.com/watch?v=8efh5ylAJ8w
www.youtube.com/watch?v=iUpTPkd_qdg
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Akasha Rabut-
Esther Rose
Aktueller Tonträger:
How Many Times
(Full Time Hobby/Rough Trade)
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