Gemeinhin fällt das Wort "Herausforderung" in Musikerkreisen, wenn es darum geht, echtes Neuland zu entdecken und sich fernab der eigenen Wohlfühlzone neu zu erfinden. The Tremolo Beer Gut dagegen gehen seit mehr als zwei Jahrzehnten den entgegengesetzten Weg und finden neue Herausforderungen in strikten Regeln, die sich das Quartett aus Kopenhagen gleich zu Beginn seiner Karriere auferlegt hat. Kaum Proben, keine Musikvideos, wenige Tourneen, die Verwendung des immer gleichen Bandfotos auf allen Plattencovern und die Verwendung von ausschließlich gut aussehenden (!) Mikros im Studio sind nur einige der Rahmenbedingungen, mit denen es der wuchtigen Instrumental-Combo seit Ende der 90er-Jahre gelingt, an ihren alten Idealen zwischen Garagen-Rock und Surf-Rock festzuhalten, ihre Songs aber auch immer wieder dezent in neue Richtungen zu bugsieren und dabei den Spaß am eigenen Tun großzuschreiben. "You Can't Handle…" heißt das just veröffentlichte neue TGB-Album, auf dem die Band trotz all der Dogmen in der Vergangenheit mit einer wesentlichen Neuerung überrascht. Gäste gab es auch schon auf früheren Platten, doch nie waren es mehr als auf diesem, dem ersten neuen Werk mit eigenen Songs seit sage und schreibe 13 Jahren. Sune Rose Wagner (TBG-Gründungsmitglied und später bei The Raveonettes), Jon Spencer und Cristina Martinez (Boss Hog) mischen dieses Mal genauso mit wie Evan D. Foster (The Sonics und Boss Martians), The Courettes, Chris Barfield (The Huntington Cads), Jarno Varsted und Patrik Bartosch (Eggstone). Kürzlich hatten wir die Gelegenheit, mit Schlagzeuger Yebo, Gitarrist The Great Nalna und Bassist Per Sunding ein Interview zu führen. Der andere Gitarrist Jengo glänzte mit Abwesenheit, aber seine Kollegen versicherten uns, dass er in ihren Antworten im Geiste mit dabei sei.
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GL.de: Die offensichtliche erste Frage lautet natürlich: Warum zum Teufel hat das so lange gedauert?
The Great Nalna: Lange? Das Album ist früher erschienen, als ich erwartet hatte!
GL.de: Im Ernst, was hat euch dazu bewogen, nach all den Jahren wieder eine Platte mit neuen, eigenen Liedern zu machen?
Yebo: Unser Publikum hat danach verlangt, so einfach ist das! Die Menschen gingen auf die Straße und unterzeichneten Petitionen. Einige versprachen sogar, das verdammte Ding zu kaufen, wenn wir unsere wohlgeformten athletischen Ärsche von der TBG-Couch bekommen und diese Songs aufnehmen würden. Nein, wir wissen, dass wir darüber seit Jahren Scherze machen, aber es gibt wirklich keine gute Erklärung dafür. Jedes Jahr auf der TBG-Weihnachtsparty bei Husmanns Vinstue in Kopenhagen haben wir vereinbart, dass wir im kommenden Jahr das nächste Album aufnehmen werden. Dann haben wir den Deal mit reichlich Aquavit und Bier besiegelt... und irgendwie wieder vergessen. Ehrlich gesagt ist ein Teil des Materials schon vor mehreren Jahren geschrieben worden und hat nur darauf gewartet, dass wir uns endlich zusammenraufen. Das ist nicht einmal schwer, es macht ja sogar Spaß. Ich finde, wir sollten aktiver sein Das könnte ein Diskussionspunkt für die nächste Weihnachtsparty sein.
GL.de: The Tremolo Beer Gut gibt es schon seit weit über 20 Jahren - was macht heute den größten Unterschied zu den frühen Tagen aus? Es ist nicht das Cover der neuen LP, für das ihr wieder das gleiche Foto wie bei allen bisherigen Werken benutzt habt!
Per: Nun, in der Tat wird der größte Unterschied auch im Cover offenbart, wenn man genau hinschaut...
The Great Nalna: Bei dieser Platte war die Herangehensweise etwas anders als sonst, da es bei den meisten Tracks einen ersten Durchlauf - vom maßgeblichen Songautor - auf der akustischen Gitarre gegeben hat, bevor wir die Lieder dann im Studio arrangiert und geprobt haben, um sie anschließend sofort aufzunehmen.
Yebo: Seltsamerweise war es eine Anomalie, Musik auf Vinyl zu veröffentlichen, als wir anfingen. Unser Debüt war in der Tat die erste Vinyl-LP, die unser Label Crunchy Frog jemals veröffentlicht hat. Auch war es viel schwieriger, gutes Internet zu finden, damals, als die CD noch König war und Dinosaurier die Erde betraten.
GL.de: Statt euch - wie heute üblich - ständig neu zu erfinden, haltet ihr einfach an euren ursprünglichen Ideen, an eurem ursprünglichen Sound fest. Habt ihr jemals den Drang verspürt, etwas radikal anderes auszuprobieren?
Yebo: Nein. Wir haben das in anderen Bands getan, und obwohl wir ziemlich an unseren Stärken festgehalten haben, liegt ein Weg von Stereo zu Mono und dann zu duophonischem Split-Stereo hinter uns. Wir haben wir ein Cover-Album und eine Live-LP gemacht. Dieses Mal lief alles ziemlich spontan (abgesehen davon, dass wir 13 Jahre darauf gewartet haben), ganz ohne Plan oder Dogma.
GL.de: Was macht den garagigen Surf-Rock für euch so besonders?
The Great Nalna: Allein die Tatsache, dass traditioneller Surf-Rock so auf ein bestimmtes Schema und eine bestimmte Instrumentierung fixiert ist, sorgt bei uns ganz automatisch für den Wunsch, die Mauern niederreißen. Vielleicht rücken wir so ein Stück weit vom Surf-Rock ab, zumindest in unseren Köpfen, oder vielleicht auch nur in meinem!
GL.de: Auch wenn ihr alle Ecken eures Genres ausleuchtet, arbeitet ihr doch innerhalb eines selbst auferlegten klar abgesteckten Rahmens. Was reizt euch daran?
The Great Nalna: Abgesehen davon, dass ein Bass nur 4 Saiten hat, sehe ich wirklich keine selbst auferlegten Einschränkungen. Zumindest für die Studioarbeit verbringen wir viel Zeit damit, neue Instrumente und Dinge zu erforschen...
GL.de: So sehr ihr an alten Idealen festhaltet, ist ´"You Can't Handle" mit all seinen Gästen doch ein Ausreißer. Wie kam es dazu?
The Great Nalna: Wie bereits erwähnt, wurde es beim Weihnachtsessen und in anderen berauschten Momenten vorgeschlagen, nicht zuletzt, um eine "echte" Garagenplatte mit Gastsängern zu machen. Zudem sind wir all den Gästen seit Jahren immer wieder begegnet, das schrie einfach nach Kollaborationen auf einem TBG-Album. "Barfield‘s Gambit" entstand durch Zufall, nachdem Chris [Barfield] einige Akkorde auf Facebook postete. Ich lag nach einer Knieoperation flach und antwortete. Wir tauschten noch ein paar weitere Ideen aus, aber dieser Song passte am besten zu TBG.
Yebo: Der erste Gastauftritt, den es auf einer unserer Platten gab, war bereits 2001 oder so, als Jon Spencer für "Tahonga Lounge Babe (Most Groovy)" Gesang per Telefon beisteuerte. Das wurde auf einem alten Band-Anrufbeantworter aufgezeichnet. Das klang und funktionierte sehr gut und auf der nächsten LP hatten wir noch ein paar Gäste mehr. Die Jungs von PowerSolo, Mangan von The Cardigans, The Micragirls etc. Es ist also nichts völlig Neues, aber ich denke, dass die COVID-Situation es ironischerweise einfacher gemacht hat, diese Gastbeiträge per Telefon oder über das Internet einzusammeln, auch wenn wir sie vom Computer dann auf Tonband überspielen mussten, um oldschool zu sein. Wir könnten das ständig machen, aber während COVID war es fast der einzige Weg, irgendetwas zu tun, und so kamen wir auf die Idee, andere Leute teilhaben zu lassen. Es ist, als würden wir großartige Schauspieler für eine Rolle casten, die sie bereits von Natur aus perfekt ausfüllen. Zombierella sexy und geheimnisvoll klingen zu lassen - das ist nicht schwer. Es wäre schwer für sie, NICHT so zu klingen! Gleiches gilt für den coolen, bedrohlichen Gesang, den Evan Foster für "Jive Jimmie Juma" beisteuerte, den Gitarrenpart, den uns unser altes Mitglied Sune Wagner zu "Hot! Hot! Heatwave!" lieferte, und so weiter und so fort!
GL.de: Sind trotz der beeindruckenden Gästeliste auf "You Can't Handle..." noch Traumkollaborationen unverwirklicht?
Yebo: Ich versuche, mit Poison Ivy in Kontakt zu treten. Kennt die jemand? Ich denke, sie hat sich total zurückgezogen, aber wie cool wäre es, mit ihr zusammenzuarbeiten? Ich wäre froh, wenn sie nur wüsste, dass wir existieren. Der Rest wäre das i-Tüpfelchen. Ein sehr grooviges i-Tüpfelchen!
GL.de: Von Beginn an hat euch ein gewisser Oldschool-Vibe umgeben - eure zweite Platte erschien sogar nur in Mono! -, trotzdem veröffentlicht ihr inzwischen auch digitale Singles und auch CDs. Ein notwendiges Übel?
The Great Nalna: Ich sehe kein Übel in Streaming, CD, DAT-Tapes oder was auch immer. Sogar Vinyl war irgendwann neu, oder?
Yebo: Wir haben unsere Musik eigentlich immer auf CD veröffentlicht und jetzt, da der digitale Vertrieb im Internet möglich ist, waren wir auch dafür offen. Unseren Sounds in so viele Ohren wie möglich zu bekommen, war uns schon immer ein Anliegen, obwohl Vinyl das Format ist, für das die Musik geschaffen wurde. Aber Musik ist Musik, und ehrlich gesagt sehen wir das ziemlich locker. Wir waren sowieso nie eine Hi-Fi-Band, und eine digitale Version einer TBG-Aufnahme macht es nicht plötzlich zu Hi-Fi.
GL.de: Trotz der Pandemie - habt ihr Pläne, Träume, Erwartungen für die nähere Zukunft?
Yebo: Haben wir Pläne? Beim bereits erwähnten jährlichen Essen im Husmanns nehmen wir uns immer viel vor... Wir haben nicht viel Zeit, um zu touren, aber wir haben Ambitionen zu touren, wenn es möglich ist.
The Great Nalna: Dort unterwegs zu sein, wo das Essen und der Wein gut sind, ist immer ein Traum. In Brasilien zu touren war fantastisch. Ich würde gerne zurück nach Südamerika, Mexiko, etc. etc. gehen.
Yebo: Wir lieben es, in neue Teile der Welt zu kommen, kehren aber auch gerne an Orte wie Russland, USA, Brasilien, Frankreich, Deutschland, Benelux usw. zurück, wo wir in der Vergangenheit eine gute Zeit hatten.
GL.de: Zum Schluss - was macht euch derzeit als Musiker besonders glücklich?
Yebo: Eine Platte wie diese zu machen. Sie "kalt" anzugehen und nicht zu wissen, was das Ergebnis sein würde, und am Ende festzustellen, dass wir vielleicht unsere beste LP gemacht haben, empfinde ich als große Belohnung. Nach 13 Jahren ohne Studioalbum hatte ich mich tatsächlich gefragt, ob wir das überhaupt noch draufhaben. Auch das Gefühl, dass wir eine Reihe von Fans da draußen haben, die mit uns mitfiebern und das neue Zeug hören wollen, fühlt sich großartig an. Mann o Mann, wir haben richtig was abgeliefert! Zwei feine US-Labels an Bord zu haben, um uns zu helfen, mehr Menschen dort zu erreichen, ist auch spannend.
The Great Nalna: Live spielen und mit TBG auf Tournee gehen war schon immer eine Riesenfreude! Jedes 8. Jahr eine Platte zu machen, ist genauso toll! Dass wir noch nie ausgiebig auf Tournee gegangen sind (und nie proben) sorgt dafür, dass der Funke nicht erlischt und wir eine Gruppe glücklicher (betrunkener) Jungs bleiben, die ab und zu richtig Gas gibt.
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