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Interview-Archiv

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ELIZA SHADDAD
 
Wunschfrau unerwünscht
Eliza Shaddad
Die britische Songwriterin Eliza Shaddad hatte gerade eine hektische Phase in ihrem Leben hinter sich gebracht, als sie zusammen mit ihrem Ehemann, dem Produzenten Ben Jackson im heimischen Cornwall von der Pandemie in eine Phase der Nachdenklichkeit und Reflektion gezwungen wurde. Für die Frau, die Philosophie und Jazz-Gesang studiert hatte, bevor sie über den Umweg als Staßenmusikerin zu ihrer Berufung als Songwriterin in eigener Sache fand, war das eine eher ungewohnte Situation. Zuvor hatte sie etwa in sieben Ländern gelebt, war ständig auf Tour gewesen und hatte es drauf angelegt, ihren Sound in eine immer lautere, rockigere Ruchtung zu führen. Wie das aber manchmal so ist, gaben ihr die Umstände dann schließlich das Thema für die neuen Songs vor und alleine die Tatsache, dass diese dann im heimischen Schlafzimmer aufgenommen wurden (anstatt wie ursprünglich geplant mit Band im Studio), führte dazu, dass der Sound des neuen Albums dann wieder sehr viel ausgeglichener, und transparenter angelegt ist, als das unter "normalen" Umständen der Fall gewesen wäre.
Das erklärt natürlich auch, dass das neue Album weniger rockig ausgefallen ist. War es aber vielleicht auch eine bewusste stilistische Entscheidung, die Songwriter-Elemente wieder stärker zu betonen? "Als ich begann, Musik zu machen, hatte ich mich ursprünglich stark auf klassische Folkmusik konzentriert - und das hatte einen großen Einfluss auf mein Songwriting", berichtet Eliza, "danach arbeitete ich aber mit einer Band und fühlte mich dann stärker von den Dingen inspiriert, die ich gehört habe, als ich aufwuchs. Dann wollte ich die Musik in diese düsterere, rockigere, zornigere Richtung lenken. Das passte zu der Phase meines Lebens in der ich mich damals befand. Ich fühlte, dass ich damals sehr darum kämpfen musste, als 'rockiger' wahrgenommen zu werden und dachte also, dass meine letzte Scheibe ein Statement in dieser Richtung sein müsste. Als ich dieses Statement dann allerdings auch gemacht hatte, habe ich mir gedacht: 'Okay - nun bin ich frei, alles machen zu können'. Da ich von der Lockdownsituation her sehr unabhängig agieren konnte und mit jemand zusammenarbeitete, der mir alle Freiheiten ließ, wollte ich diese dann auch nutzen. Es wäre also akkurat zu sagen, dass die neue Scheibe einen besser ausbalancierten Sound hat. Diese Scheibe spiegelt mehr von mir wieder." Es ist aber auch keine Folk-Scheibe geworden, wie uns die aktuelle Bio weismachen will. Was allerdings die Texte betrifft, orientiert sich Eliza tatsächlich stärker an den Traditionen großer Liedermacher. "Nun ja, es gibt ja jetzt einige kürzere Songs auf der Scheibe - was für mich ja eher ungewöhnlich ist. Ich hatte ja viel Zeit zu schreiben und bin da in einen bestimmten Groove gekommen, denn ich hatte jeden Tag einen Zeitraum, an dem ich schreiben konnte. Einige Dinge sind da ziemlich mühelos entstanden und andere machten mehr Arbeit. Die Situation hat aber auf jeden Fall geholfen." Sind die neuen Songs mit einem neuen Anspruch in Sachen Songstruktur angegangen worden? Denn viele der Songs kommen mit konventionellen Strophe/Refrain-Strukturen daher und einige Zeilen werden auch fast Mantraartig eingesetzt. "Nun absichtlich mache ich sowas nicht", zögert Eliza, "es ist aber so, dass ich in der Produktionsphase nicht mehr an der Struktur eines Songs herumarbeite, wenn er erst mal geschrieben ist." Huch - Eliza Shaddad kennt so etwas wie fertige Songs? Das ist aber für eine Songwriterin sehr ungewöhnlich, denn viele ihrer Kolleg(innen) arbeiten ja zeitlebens irgendwie an ihrem Material herum. "Ja, das ist so", lacht Eliza, "ich habe erst gestern mit einer anderen Songwriterin über dieses Thema gesprochen, und sie hat mir genau dasselbe erzählt. Sobald ich die Texte und die Gitarrenmotive stehen habe, ist ein Song für mich fertig. Ich muss aber auch dazu sagen, dass ich einen Song nicht für fertig erkläre, bevor ich damit nicht glücklich bin. Aber wenn ich glücklich bin, dann ist er fertig und wir können an der Produktion arbeiten. Das liegt daran, dass mir die Texte so wichtig sind. Wenn Text und Geschichte stehen, dann ist der Song für mich fertig. Ich habe es in dieser Hinsicht wohl tatsächlich einfacher, als viele meiner Kollegen."
Eliza Shaddad
Was ist denn dann auf der anderen Seite die Herausforderung für die Songwriterin Eliza Shaddad? Etwa überhaupt einen Anfang zu finden? "Ja", gesteht sie, "das ist wahrscheinlich richtig. Ich lasse mich da sehr von meinen Gefühlen leiten. Wenn ich mich nicht in der richtigen Stimmung befinde, wenn ich am Computer sitze, beeinträchtigt das außerordentlich meine Lust, Songs zu schreiben." Und was ist das Wichtigste? "Dass alles zusammenpasst", erklärt Eliza, "ich bin sehr fokussiert auf die Details des Produktionsprozesses. Wenn wir etwas verändern, muss ich erst immer noch mal das ganze Album hören, um zu schauen, dass wirklich alles zusammen passt. Bei einer EP ist das natürlich nicht so schwer - aber bei einem ganzen Album kann einen sowas schon ein wenig in den Wahnsinn treiben." Im Titeltrack "The Woman You Want" erklärt Eliza ihrem Gegenüber, dass sie manchmal eben nicht die Frau sein könne, die sich der andere wünscht. Warum hat sie gerade diesen Song zum Titeltrack gemacht - und singt sie nicht eigentlich davon, die Person sein zu wollen, die sie selber sein möchte? "Also erstmal suche ich mir den Albumtitel aus den Titeln, die ich den Songs gegeben habe aus - und nicht umgekehrt", führt Eliza aus, "und dann muss ich zugeben, dass dieser Titel für mich und die Leute um mich herum durchaus eine Herausforderung darstellt, denn in dieser Phase der Pandemie, wo es nichts zu tun gab und wo es keine Ablenkung gab, da lernte man sich auf ganz neue Weise kennen. Man fühlt da auch einen gewissen Druck eine bestimmte Person sein zu müssen, weil andere das von einem erwarten. Und da habe ich mich tatsächlich gefragt, ob ich wirklich eine solche Person sein wollte. Als ich den Text schrieb, stellte ich fest, dass das aber auch der Tenor aller anderen Songs war. Sogar der Song 'In The Morning', den ich über den Tod meiner Großmutter schrieb, die ich durch Demenz verloren habe, hatte einen massiven Einfluss darauf, wer ich wirklich gerne sein wollte und was ich als Frau darstellen wollte. Dieser Gedankengang erwies sich dann als sehr gute Klammer, die alles andere zusammenfasste." Das Witzige ist dabei ja, dass der Eindruck entsteht, dass Eliza auch dann über sich selbst singt, wenn sie sich in ihren Texten an andere wendet. "Oft ist das so", zögert Eliza, "ich will dir mal etwas verraten: Eine Sache, mit der ich echt Probleme habe, ist es Geschichten zu erzählen, die nicht auf mich selbst bezogen sind. Ich versuche das zwar oft und ich wünsche mir auch, dass ich das besser könnte. Ich suche mir dann ein Thema aus den Nachrichten oder etwas in das ich mich emotional einbringen könnte und versuche dann zu schreiben und zu schreiben und zu schreiben - aber erst, wenn ich emotionale Ebenen berühre, die mich persönlich betreffen, komme ich dann das Gefühl habe, dass ich da einen verlässlichen Kern getroffen habe, mit dem ich oder das Publikum sich identifizieren könnte. Es ist also so, dass ich oft gar nicht über mich schreiben will - aber das Ganze dann doch einen persönlichen Rahmen bekommt, der alles zusammenhält. Manchmal will ich das gar nicht - aber ich habe gemerkt, dass das meine Songs auch besser macht."

Wie findet Eliza dann zu ihren inhaltlichen Themen? "Es geht eher darum, was ein Gefühl in mir auslöst", meint Eliza ausweichend, "es funktioniert einfach am Besten, wenn alles auf einem Gefühl aufbaut - sei es Glück, sei es Traurigkeit - egal was. Das ist für mich der Beginn eines Songs. Was dann ansonsten noch an Textideen oder musikalischen Motiven hinzukommt, muss darauf aufsetzen." Wann und wie kommt denn die Musik ins Spiel? "Von Anfang an", meint Eliza, "ich schreibe immer Text und Musik zusammen. Manchmal setze ich bei einer bestimmte Textzeile an, die hängen geblieben ist oder bei einem bestimmtes Riff, was ich im Kopf habe - aber meistens beginne ich von neuem mit einer blanken Seite." Was waren die musikalischen Inspirationen für die neuen Songs? "Viele 60s und 70s Soul-Songs, die meine ständigen Begleiter während der Pandemie waren", überlegt Eliza, "und dann habe ich mich in Kacey Musgraves 'Golden Hour'-Scheibe verliebt - gerade zu der Zeit als ich geheiratet habe. Es ist nämlich eine glückliche Scheibe und ich habe dadurch festgestellt, dass man auch eine Scheibe machen kann, wenn man sich glücklich fühlt." Während viele Musiker ja sagen, dass sie nur schreiben könnten, wenn es ihnen nicht gut geht. "Ja - aber auf 'Golden Record' gab es so viele langsamere Songs mit Raum zum atmen, dass mir klar wurde, dass man auf diese Weise arbeiten könnte, wenn man macht, was man möchte", ergänzt Eliza, "als ich mich von der Idee verabschiedet hatte, eine Schlafzimmer-Scheibe zu machen, wollte ich dann auch gleich, dass sich das neue Album üppig und körperlich rüberkommt - erstmals auch mit Streichern - und gleichzeitig wollte ich viel Raum lassen, damit es sich wirklich schön anhört."
Apropos "schön anhören": Vor kurzem veröffentlichte Eliza eine in diesem Sinne besonders schön klingende Coverversion des Songs "Don't Let Me Be Misunderstood" - in dem Fall als Hommage an die ursprüngliche Version von Nina Simone - der dann zwar in der Fernsehserie "Behind Her Eyes" zum Einsatz kam - nicht aber den Weg auf die neue Scheibe fand. "Nina Simone ist gewiss eine meiner größten Inspirationsquellen", gesteht Eliza, "ich glaube, dass mein Publisher erzählt hatte, dass man nach einem Nina Simone- Song für eine geplante Fernsehserie suchte. Das war ein schlechtes Timing, weil ich gerade auf Tour gehen wollte - aber ich liebte den Song und ich dachte, dass ich da was draus machen konnte. Wir haben den Song also aufgenommen und sie haben sich schließlich für unsere Aufnahme entschieden - wobei wir einige Änderungen wegen des Timings vornehmen müssten. Eigentlich hatte ich vorgehabt, den Song mitten in der Kampagne zum neuen Album zu veröffentlichen - dann jedoch ist er vorher erschienen. Es war allerdings ein ganz guter Indikator für die Richtung, in die sich mein neuer Sound entwickelte und die Änderungen, die sich andeuteten - passte dann aber doch nicht ganz zum Rest des Albums, weswegen ich ihn letztlich nicht mit draufnahm. Es war insgesamt eine gute Erfahrung - aber zunächst mal nur eine einmalige Angelegenheit. Ich wäre aber nicht abgeneigt, in Zukunft auch mehr Musik für Film oder Fernsehen zu machen." Wie könnte es denn für Eliza Shaddad musikalisch weiter gehen? "Ich denke, der Mix wird den Weg in die Zukunft weisen", meint Eliza, "ich will aber noch viel mehr über Strukturen und Harmonien lernen. Das ist so eine Art Projekt für mich. Der Mix ist es also für mich - wobei ich davon ausgehe, dass sich das alles noch verändern und weiterentwickeln wird."
Weitere Infos:
www.elizashaddad.com
elizashaddad.bandcamp.com
www.instagram.com/elizashaddad
twitter.com/ElizaShaddad
www.facebook.com/ElizaShaddad
www.youtube.com/user/etlaitzia
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Jodie Canwell-
Eliza Shaddad
Aktueller Tonträger:
The Woman You Want
(Ferryhouse/Rough Trade)
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