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TORRES
 
Der Soundtrack des Lebens
Torres
Das Jahr 2020 hatte sich Mackenzie Scott alias Torres eigentlich anders vorgestellt. Nach einer privat wie businesstechnisch schwierigen Phase wollte sie mit ihrem zu Jahresbeginn veröffentlichten Album "Silver Tongue" eigentlich endlich wieder so richtig durchstarten, als die COVID-19-Pandemie ihre Pläne durchkreuzte, während sie gerade in Europa auf Gastspielreise unterwegs war. Zurück in New York, tröstete sich die Amerikanerin mit neuen Songs, die nun auf ihrem famosen fünften Album, "Thristier", erscheinen, einem Album, das nach den grüblerischen letzten Werken überschwänglich und gewagt Scotts rockige Seite betont. Mitte Juni hatte Gaesteliste.de die Gelegenheit, mit Mackenzie über das neue Album und vieles mehr zu sprechen.
GL.de: Mackenzie, lass uns das unausweichliche Thema gleich zu Beginn aus dem Weg räumen. Die Pandemie hat auch dich kalt erwischt. Kannst du der Tournee-Zwangspause rückblickend dennoch etwas Gutes abgewinnen?

Torres: Oh ja! Natürlich war nichts Gutes an all den Krankheits- und Todesfällen, aber persönlich konnte ich dem Ganzen durchaus etwas Positives abgewinnen. Die Situation hat mich dazu gezwungen, zu Hause zu bleiben und mich wie ein normaler Mensch zu verhalten, und das hat mich in vielen Aspekten meines Lebens weitergebracht. All meine zwischenmenschlichen Beziehungen und ganz besonders meine romantische Beziehung haben davon profitiert. Das gilt auch für mein häusliches Leben. So habe ich etwa gelernt, lange Zeit am Stück stillzusitzen, was ich nie zuvor getan hatte. Man könnte auch sagen: Ich habe gelernt, mit mir selbst zu leben, mit meinen eigenen Gedanken, mit meinen eigenen Ticks. Ich habe gelernt, mich selbst zu mögen (lacht)!

GL.de: Es gibt also Dinge, die du in die vielbeschworene "neue Normalität" hinüberretten willst?

Torres: Auf jeden Fall. Ich denke, ich werde mir in Zukunft einfach mehr Gedanken machen, wie und mit wem ich meine Zeit verbringen möchte. Ich habe gelernt, dass es mir durchaus gefällt, mich mal abzukapseln. Das bedeutet aber auch, dass die Zeit, die ich mit anderen verbringe, etwas wirklich Besonderes sein soll. Vielleicht könnte man sagen, dass ich nur noch Sachen machen möchte, die etwas Besonderes sind - und ich denke, viele andere Menschen denken genauso!

GL.de: Kaum warst du wieder daheim, hast du dich gleich in die Arbeit an neuen Liedern gestürzt. War das deine Art, die Unsicherheit zu verarbeiten, die von der Pandemie ausging?

Torres: Ja, definitiv! Zunächst einmal habe ich einen Monat benötigt, um mir darüber klar zu werden, was da eigentlich gerade vor sich geht, aber danach habe ich meine Zeit dazu genutzt, darüber nachzudenken, was als Nächstes kommt, und das war großartig, weil das meine einzige Beschäftigung war, ohne dass ich gleichzeitig an Pressetermine oder das Auf-Tournee-Sein denken musste. Das hat mir geholfen, meine Bodenhaftung wiederzuerlangen, um mich dann täglich dem Schreiben zu widmen und zumindest über die Zukunft nachzudenken, auch wenn ich damals nicht wusste, wann ich die Gelegenheit bekomme, die Musik aufzunehmen, zu veröffentlichen oder sie live zu spielen. Mir selbst diese Struktur vorgeben zu können, empfand ich als sehr hilfreich.

GL.de: Hast du gemerkt, dass die veränderten Umstände sich auch in deinem Songwriting niedergeschlagen haben?

Torres: Ja, auf jeden Fall! Um ehrlich zu sein, fühlte es sich beim Schreiben so ähnlich an wie damals, als ich anfing zu schreiben - die Lieder, die nie jemand zu hören bekommen hat. Ich habe einfach Songs rausgehauen, weil sich das gut anfühlte, nicht, weil ich mich mit dem Ziel hingesetzt habe, ein Lied zu verfassen. Ich habe einfach mal vier Akkorde gespielt und dann geschaut, was dabei herauskam! Alles war dieses Mal textlich und musikalisch viel ungezwungener. Ich hatte zunächst das Gefühl, dass mir die Arbeit zu leicht fällt. Es kam mir seltsam vor, dass das so einfach war! Ich hatte Angst, dass manche Hörer die Lieder für zu simpel halten würden, dass es nicht genug Reibungsfläche gab. Dann aber dachte ich an Brian Eno und seine "Oblique Strategies". Dort gibt es eine Karte, auf der es heißt: "Don't be afraid of things because they're easy to do." Genau das habe ich mir zu Herzen genommen!

GL.de: Für gewöhnlich verarbeiten Musiker gerne das in ihren neuen Songs, was sie seit der Veröffentlichung ihres letzten Werkes erlebt haben. In den zurückliegenden Monaten haben alle zu Hause gesessen und die Wände angestarrt, die Themenpalette ist dadurch kleiner geworden. Hat dich das beim Schreiben beeinflusst?

Torres: Ja, das hatte ich auf jeden Fall im Hinterkopf. Das hat dafür gesorgt, dass ich mehr denn je auf meine eigenen Gefühle gehört habe und mich auf das konzentriert habe, was mir selbst wirklich wichtig ist. Natürlich wusste ich, dass viele Musiker dieser Tage den Lockdown thematisieren werden und das Gefühl, daheim gefangen zu sein, aber um nicht auch in diese Falle zu tappen, habe ich mir eher ausgemalt, wie die Dinge nach dem Ende der Pandemie aussehen werden, anstatt mich zu sehr an den Alltag während der Pandemie zu klammern.

GL.de: Mit der musikalischen Ausrichtung deiner Platte kannst du einmal mehr überraschen, aber bist du eigentlich bisweilen selbst auch verwundert, welche neuen Facetten des Soundtracks deines Lebens sich da offenbaren?

Torres: Ja! Beim Schreiben dachte ich manchmal: "Oh, das klingt ja viel heiterer, als ich das erwartet hätte! Das ist wohl meiner derzeitigen Gefühlslage geschuldet." Das Ganze ist ein Prozess der Selbstfindung. Ich freue mich sehr, wenn jemand sagt, dass meine Platten immer anders klingen, denn es ist mir wichtig, nie zweimal das Gleiche zu machen. Ich mag es, die Hörer zu überraschen, weil ich überzeugt bin, dass genau das der Weg zu einer fantastischen, lebenslangen Karriere ist. Letztlich versuche ich, immer den Song zu schreiben, den ich gerade selbst hören will - und deshalb klangen meine Lieder über die Jahre auch so unterschiedlich. Im Moment steht mir der Sinn nach Songs, zu denen man tanzen und Spaß haben kann. Dagegen hätte ich vor fünf Jahren vielleicht gesagt, dass ich trübselig und düster sein möchte. Jetzt allerdings will ich grooven, ich will meinen Körper bewegen, ich will mich emporheben lassen, ich möchte mich heiß und verschwitzt fühlen, also habe ich einfach die passende Platte dafür gemacht.

GL.de: Letzte Frage: Was macht dich derzeit besonders glücklich?

Torres: Wow! Das ist so eine schöne Frage, aber sie ist unglaublich schwer zu beantworten… Ich hätte nicht erwartet, dass ich das sage, aber ich denke, es ist die Tatsache, dass ich mich mehr denn je in meiner Haut wohlfühle und endlich an dem Punkt bin, an dem ich mich selber mag, nachdem das so viele Jahre nicht der Fall war. Zu mögen, wer und was ich bin, sorgt dafür, dass ich mich weniger depressiv und weniger verunsichert fühle. Ich kann jetzt endlich mein Leben genießen!
Weitere Infos:
torreslovesyou.com
www.facebook.com/TORRESMUSICOFFICIAL
twitter.com/torreslovesyou
www.instagram.com/torreslovesyou
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Shervin Lainez-
Torres
Aktueller Tonträger:
Thirstier
(Merge Records/Cargo)
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