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LIZ COOPER
 
Nichts zu verstecken
Liz Cooper
Der Versuch, Liz Cooper in irgendeiner Hinsicht fassen zu wollen, ist von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Nicht nur aber auch deshalb, weil es in ihrem Rock'n'Roll-Playground-Ansatz schlicht keinen Platz für Kategorien, Stile, Genres oder Formate gibt und sich die Sache mit dem Rock'n'Roll eh weit über die eigentlichen musikalischen Implikationen hinaus erstreckt. Es hilft da auch nicht, dass Liz im Web keine ordentliche Bio vorzuweisen hat, es liebt, nicht nur in ihren kurzweiligen Musikvideos und Spielfilm-Parodien über Verkleidungen in andere Rollen zu schlüpfen, ihren Bandnamen The Stampede für die zweite LP-Veröffentlichung "Hot Sass" gedropped hat, nach acht Jahren in der Musikmetropole Nashville nach New York gezogen ist, in ihren Lyrics kunterbunte Albtraumszenarien mit psychedelischen Gedankenströmen zu nachtschattigen Gedichten zusammenfasst und sich trotz ihres flamboyanten Lebenswandels als "introvertierten Charakter" bezeichnet.
Auf der Suche nach Liz Cooper stößt der geneigte Interessent bei seiner Recherche nicht nur auf eine gleichnamige Jazz-Sängerin, sondern auch auf eine Reihe interessanter Veröffentlichungen wie gleich drei Live-Mitschnitte vor ihrem Debüt-Album "Window Flower", eine in Chicago aufgenommene Live-EP mit Songs eben dieses Albums sowie zuletzt eine Cover-Version von Simon Garfunkels "America", die Liz zusammen mit Courtney Marie Andrews und Molly Sarlé einspielte und der bereits Weihnachten veröffentlicht wurde. Was hat es denn damit auf sich? "Oh - im letzten Jahr wurden wir alle drei zu dieser Künstler-Freizeit auf Nantucket Island eingeladen", berichtet Liz, "wir wussten da nicht so recht, was wir machen sollten und waren alle auf der Suche nach etwas Ruhe. Wir haben zwei Wochen dort verbracht und uns da auch erst getroffen. Ich hatte Courtney zwar vorher schon mal auf Tour getroffen, aber erst bei diesem Treffen in dem fast surreal anmutenden Haus in Nantucket richtig kennengelernt, was sehr schön war. Wir haben uns dann entschlossen, den Song eines Morgens gemeinsam zu singen, weil wir ihn alle sehr mochten. Das ist auch schon die ganze Geschichte dahinter." Warum war es für Liz notwendig, für ihr zweites Album den Bandnamen The Stampede wegzulassen - zumal Drummer Ryan Usher immer noch mit dabei ist? "Ich habe die Stampede weggelassen, weil ich - ehrlich gesagt - keine Lust mehr auf den Namen hatte", gesteht Liz, "den Namen habe ich mir ausgedacht, als ich 19 war und heute bin ich 29. Und dann war das auch so, dass der Name eine Erwartungshaltung an einen Americana-Sound weckte. Die Leute haben mich immer gefragt, ob ich Country Musik mache - und davon hatte ich irgendwann genug. Meinen eigenen Namen zu verwenden hat auch damit zu tun, dass es da nichts mehr gibt, hinter dem ich mich verstecken könnte oder müsste. Was ich heute repräsentiere ist das, was mich ausmacht. Diese Scheibe habe ich auch mit einer neuen Gruppe von Leuten aufgenommen, sodass es auch keine Notwendigkeit gab, den Namen beizubehalten."

Zu dieser neuen Gruppe von Leuten gehört auch Produzent Benny Yurco in dessen Studio Little Jamica Recordings im ländlichen Burlington im Staate New York Liz und ihre Musiker Ryan Usher, Joe Bisirri und Mchael Libramento das neue Album einspielten. Stilistisch eingrenzen lässt sich das, was dabei entstand kaum. Es ist einfach Rock'n'Roll, bei dem so ziemlich alles möglich erscheint. Denkt Liz überhaupt über Genres und Stile nach, wenn sie ihre Songs in Angriff nimmt? "Nein - denn das wäre der Tod der Musik", schmunzelt Liz, "ich meine immer, man muss einfach das machen, was sich im Moment wahrhaftig anfühlt. Das haben wir jedenfalls für diese Scheibe so gemacht. Wie ich ja sagte, habe ich mit anderen Leuten gearbeitet und und ich habe mir auch andere Musik angehört als bei der ersten Scheibe. Es ist also alles so wahrhaftig, wie es möglich ist und nicht von irgendwelchen Genre-Überlegungen oder sonst etwas befleckt. Das ist übrigens etwas, was ich von Benny Yurco gelernt habe. Der sagt nämlich, dass man sich nicht in eine bestimmte Stimmung versetzen kann und dann eine bestimmte Art von Scheibe machen kann. Man muss die Songs einfach so schreiben, wie sie aus der eigenen Erfahrung im Moment entstehen und dann dafür Sorge tragen, dass das dann knackig auf den Punkt gebracht wird." Man sagt ja auch, dass Rock'n'Roll gar kein Genre sei, sondern ein Lifestyle. "Das denke ich auch", stimmt Liz zu, "wenn man auf Tour geht und sich ganz seiner Kunst hingibt, sind sowieso die ganzen Grenzen aufgelöst. Um seine Kunst so aufrichtig wie möglich zu machen, muss man so tief wie es geht in diese Welt eintauchen. Natürlich auf eine gesunde Art, denn wir haben ja alle von vorangegangenen Musikern zu allen Zeiten gelernt, dass man sich mit dem Rock'n'Roll-Lebensstil auch selbst zerstören kann. Ich lebe aber diesen Rock'n'Roll- oder Künstler-Lifestyle. Es gibt da aber keine Show. Das, was ich zeige, bin alles ich. Alles, worüber ich auf dieser Scheibe spreche, alles, was ich ausdrücke, was ich denke, was mich inspiriert, was mich glücklich macht, was mich ausgleicht, alles, was passiert - das bin einfach ich."
Wie entstehen denn Liz' Songtexte? Weitab von irgendwelchen gängigen Storyteller-Strukturen scheint sie eine Art von morbider Poesie anzustreben. Teilweise reimen sich ihre Texte ja sogar. Und das, obwohl sie die Songs auf ihrer letzten Tour schrieb. "Ja, das stimmt", bestätigt Liz, "ich habe viele Songs im Tourbus geschrieben. Für die letzten zwei Jahre vor der Pandemie waren wir eigentlich nonstop auf Tour - ich musste also Zeiten finden, in der ich dann Songs schreiben konnte. Ich glaube aber nicht, dass ich nach einem bestimmten Prozess verfahre - das kommt alles so aus mir heraus. Für mich ist das schon irgendwie eine Art von Poesie - obwohl ich mich nie wirklich intensiv mit Poesie auseinandergesetzt habe. Ich denke, es ist einfach meine eigene Art von Poesie. Ich habe mich für diese Scheibe tatsächlich zunächst auf die Texte fixiert. Ich wollte nicht, dass die Leute bloß von meinem Gitarrenspiel beeindruckt sind - obwohl das schon eine meiner Stärken ist. Ich denke aber auch, dass ich etwas zu sagen habe und das wollte ich in den Mittelpunkt stellen und sicherstellen, dass das auch rüberkommt." Gibt es denn ein Thema für die neue Scheibe? "Hot Sass" ist ja eher ein Platzhalter für allen möglichen "heißen Scheiß". Geht es vielleicht um eine Art Positionsbestimmung? "Definitiv", bestätigt Liz, "es ging mir darum, die Bereiche zu erforschen, die vielleicht etwas unbequem zu erforschen waren. Wie der Titel 'Hot Sass' schon vermuten lässt, geht es hier um eine Art Version meiner selbst, die der Welt um mich herum und zugleich auch mir selbst den Stinkefinger zeigt. Ich hatte aber tatsächlich Schwierigkeiten, selbst herauszufinden, was das Thema ist, denn ich lebte ja zugleich in der Welt, über die ich singe und war mir über meine Rolle noch nicht im Klaren. Definitiv geht es darum, die dunkleren Bereiche meines Geistes zu erforschen und diese Erkenntnisse dann auch zu akzeptieren. Es geht darum, als Persönlichkeit zu wachsen, denn wenn man nicht wächst, dann lernt man gar nichts. Es ist ja nicht alles angenehm im Leben."

Was ist denn die Herausforderung für Liz als Songwriterin? "So aufrichtig und ehrlich wie möglich mit seinen Texten zu sein - und vor allen Dingen einen Song fertigzustellen", erklärt Liz, "es gibt so viele Künstler, die etwas anfangen - dann zu viel darüber nachdenken und die Songs nicht zu Ende führen. Ich bin diesbezüglich auch manchmal schuldig - und gerade deswegen betrachte ich es als Herausforderung. Wenn man etwas, was einen selbst berührt auf die ehrlichste Art zu sagen hat und sich dann dazu bekennt, das bis zum Ende zu verfolgen, dann führt das zu einem tollen Ergebnis." Was ist denn die Funktion der zuweilen zumindest eigenartigen instrumentalen Breaks, Intros und Zwischenspiele - die im Falle des letzten Tracks "Smoke Break" ja sogar ein Songformat einnehmen? "Nun das ist einfach eine weitere Form sich auszudrücken", gibt Liz zu Protokoll, "solche Sachen können dich der Realität des Songs entreißen und aufhorchen lassen. Der letzte Track sollte einfach einen filmischen Eindruck hinterlassen. Warum wir das machen, hängt damit zusammen, dass ich generell an der Filmproduktion, Soundeffekten, klassischer Musik und cineastischen Momenten interessiert bin. Das ist ja auch Teil des Reizes in New York zu leben - weil hier alles so filmisch ist. Das ist etwas, das wir einfach so machen. Wir haben da bei der Produktion einen eher zufälligen Moment einfangen." Wie ist denn die pandemische Situation in NY? "Wir haben vor einem Monat eine Show gespielt und das war auch toll - aber damals machte die Delta-Variante ja auch noch nicht die Runde", berichtet Liz, "langsam begreifen die Leute ja wieder, wie ernst die Lage immer noch ist. Davon abgesehen ist der Sommer sehr schön gewesen, weil die Leute wieder glücklicher und freier waren. Hier zu leben in der Pandemie war ja ganz schön intensiv. Ich bin aber froh, diese Erfahrung in dieser Zeit gemacht zu haben, denn ich habe eine ganze Menge gelernt in meinem ersten Jahr in NY."
An anderer Stelle sagte Liz, dass sie sich selbst eher als introvertierte Persönlichkeit betrachte - was man ja gar nicht so recht glauben mag. Hat die Pandemie in kreativer Hinsicht vielleicht sogar geholfen - weil es ja die Notwendigkeit gab, sich auf sich selbst zu besinnen? "Ich bin definitiv eine introvertierte Person", bestätigt Liz, "aber ich denke, dass die Pandemie nichts und niemandem geholfen hat. Vielleicht war es in dem Sinne förderlich, dass ich gelernt habe, ruhig sitzen zu bleiben und in meine tiefsten Tiefen hineinzuhorchen. Ich fühle mich aber dennoch ziemlich seltsam. Das einzige, was ich in der Zeit kreativ machen konnte, war viel zu malen. Etwas, was ich anderenfalls nicht gemacht hätte. Aber was Musik und das Schreiben betrifft, gab es für mich keine Chance mich diesbezüglich zu betätigen. Ich konnte das alles gar nicht verarbeiten, denn ich brauche Zeit für so etwas. Wenn mir andere Künstler erzählt haben, dass sie in der Zeit so viel geschrieben hätten, dann habe ich mich immer gefragt, wer diese Leute eigentlich sind, denn ich konnte das einfach nicht. Nun ja: Jeder hat ja seine Art, mit sowas umzugehen - aber ich konnte im letzten Jahr einfach nicht kreativ sein."
Weitere Infos:
www.lizcoopermusic.com
www.facebook.com/lizcooperofficial
lizcooper.bandcamp.com/
twitter.com/lizcoopermusic
www.youtube.com/watch?v=IQsMaBZ2rAQ
www.youtube.com/watch?v=XkHOMcChZsk
www.youtube.com/watch?v=CgrAocJw174
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Cara Merendino-
Liz Cooper
Aktueller Tonträger:
Hot Sass
(Sleepyhead/Thirty Tigers/Membran)
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