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ADA LEA
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Schieberegler für das Unterbewusstsein
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Die Songs auf dem zweiten Album der kanadischen Songwriterin Alexandra "Ada Lea" Levy seien (wie) ein "Buch mit herzzerreißenden, rückblickenden Geschichten des Stadtlebens... in Montreal". So heißt es in der aktuellen Bio von Ada Lea. Nicht ganz zu unrecht, denn obwohl Ada das Album in Zusammenarbeit mit dem angesagten Indie-Produzenten Marshall Vore in Los Angeles eingespielt hat, schuf sie - ob beabsichtigt oder nicht - eine Art musikalisches Portrait ihrer Heimatstadt Montreal. Das ist insofern bemerkenswert als dass sich kanadische Musiker weit weniger auf die Spezifika ihres Heimatlandes beziehen, als zu vermuten stünde. Dass aber Ada Lea keine Songwriterin von der Stange ist - und sich demzufolge auch musikalisch nicht alleine an US-Standards orientiert -, lässt sich auch an dem seltsamen Titel ihres zweiten Albums "One Hand On The Steering Wheel The Other Sewing A Garden" ablesen. Und der hängt wieder damit zusammen, dass Ada nicht nur als Musikerin tätig ist, sondern sich auch anderweitig ausdrückt - etwa als Malerin oder durch die Poesie.
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"Ja, ich nahm an einem Workshop mit der experimentellen Poetin Sarah Burgoyne teil"; erzählt Ada, "eine Aufgabe, die sie uns stellte, war verschiedene Photographien zu nehmen und ein kleines Gedicht zu jedem zu schreiben. Dann sollten wir alles zusammenlegen und der Leser würde dann versuchen, Verbindungen zwischen diesen Photos herzustellen - die es aber tatsächlich gar nicht gab. Ich liebe die Idee, dass durch die Interpretation jedes Einzelnen solche Verbindungen geknüpft werden könnten." Auf gewisse Weise macht der Titel aber auch inhaltlich Sinn, denn Ada singt auf der neuen Scheibe entweder davon, irgendwohin (im Auto?) oder zu Hause (im Garten?) bleiben zu wollen. "Ich weiß gar nicht mehr, was genau zu dem Titel geführt hat", zögert Ada, "aber ich wusste dann irgendwann, dass es der richtige Titel sei. Aber du hast recht: Im Rückblick könnte er auch inhaltlich Sinn machen." Ein Elefant, der heutzutage ja stets im Raume steht, ist die Pandemie. Hatte diese einen Einfluss auf die Produktion des neuen Albums? "Nein - ich habe die Songs schon vorher geschrieben", erklärt Ada, "eigentlich direkt nachdem wir das erste Album 2019 veröffentlicht haben. Nachdem wir die Tour zum Album beendet hatten, hatte ich ein Stipendium in Banff in der Provinz Alberta - und dort habe ich die Songs dann geschrieben. Aufgenommen haben wir das Material dann schon im Januar 2020." Wie kommt man denn an ein Stipendium dieser Art? "Man bewirbt sich sozusagen mit einem Projektvorschlag", berichtet Ada, "und das war, mein Album zu schreiben. Dann gibt es mehrere Optionen, an Unterstützung zu kommen, denn diese Stipendien werden von privaten Sponsoren oder der Regierung subventioniert."
Einige von Adas Songs haben surreale, traumähnliche Qualitäten. Welche Rolle spielen das Unterbewusstsein - oder vielleicht sogar Träume - bei ihrer Arbeit? "Hm - ich kann mich jetzt nicht daran erinnern, jemals mit einer Idee für einen Song aus einem Traum aufgewacht zu sein - aber ich denke schon, dass mein Unterbewusstsein eine gewisse Rolle in meinem kreativen Prozess spielt. Dieser kreative Prozess ist ja darin begründet, das eigene Ego zu umgehen und die Ideen zu finden, die du wahrscheinlich am ehesten verbergen möchtest. Es gibt natürlich verschiedene Stadien dieses Prozesses. Anfangs sucht man nach einem offenen, freien Raum und editiert nichts. Die zweite Phase ist dann die, wo man editiert und sich dem Kern nähert und die dritte Phase ist die, wo man die ursprüngliche Offenheit gar nicht mehr anzapfen muss, um performen zu können. Das ist ein bisschen so, als bewege man die Schieberegler auf einem Mischpult. Mal betont man dieses und mal jenes." Möchte denn nicht manchmal auch die Musik selbst in eine bestimmte Richtung lenken? "Wie meinst du das? Ob ich mich von der Musik dann leiten lasse?", fragt Ada, "das ist definitiv etwas, was passiert wenn man sich hinsetzt und etwas ausprobiert. Man spielt nichts Bestimmtes und dann hörst du etwas, was interessant sein könnte. Man muss einfach offen sein und solche Momente dann erkennen können." Was möchte oder muss Ada denn in ihrem kreativen Prozess kontrollieren? "Was ich kontrollieren möchte? Hm - natürlich soviel wie mir eben möglich ist. Es geht ja essentiell um mich und da geht es immer auch um Kontrolle. Man darf nur nicht nach einem starren Muster vorgehen. Man muss erkennen können, wann ein starres Muster produktiv sein könnte oder eben nicht. Ich habe zum Beispiel ein ganzes Jahr an den Overdubs gearbeitet und meine Vocals so oft aufgenommen, dass ich nie die richtige Balance finden konnte. Meine Therapeutin hat mir empfohlen, diese Art von Perfektionismus aufzugeben - ansonsten würden wir dieses Album niemals fertig bekommen. Ich habe dann alles in die Tonne gekloppt und es mit einem einzigen Take versucht. Perfektionismus kann manchmal hinderlich sein. Man verliert dann den Fokus - und das ist das Schwierigste daran."
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Woran liegt es denn - Ada Leas Meinung nach -, dass das neue Album letztlich weniger vertrackt und überhaupt deutlich anders klingt als das Debüt? Gab es vielleicht andere Inspirationsquellen? "Nun, ich war mir dieses Mal der vielen Dinge gewärtig, die ich beim ersten Album gelernt hatte", berichtet Ada, "zum Beispiel, dass es gar nicht notwendig ist, immer alles zu verkomplizieren und dass ich mir ruhig erlauben könnte, die Dinge etwas sparsamer anzugehen. Als ich mit Marshall arbeitete, haben wir uns oft darüber unterhalten, wie es wäre, wenn wir dieses und jenes versuchen würden und wenn wir dann zu dem Schluss kamen, dass etwas nicht notwendig ist, dann haben wir es gleich weg gelassen. Selbst zum Schluss hin hat der Mixing-Engineer auch noch Vorschläge gemacht und einiges entfernt." Da Marshall Vore ja auch einige Instrumente auf dem Album spielt, ist er ja wahrscheinlich auch mehr als einfach nur der Prozent gewesen? "Nun, ich hatte zwei oder drei Tage mit Marshall, bevor wir mit der Arbeit begannen und haben Tableaus für die einzelnen Songs entworfen. Da sind wir zusammen schon ziemlich weit gekommen, bevor die anderen dann hinzukamen. Dabei haben wir auch über Sounds und Instrumente gesprochen und erst als die anderen hinzukamen ist er in den Kontrollraum gewechselt." Stilistisch möchte sich Ada Lea ja trotzdem nicht festlegen. Das reicht dann vom Folksong über klassischen Piano-Pop und einer Prise Blues bis hin zu angedeutetem New Wave-Rock. Wie hat sie sich denn darauf vorbereitet? "Als ich in Banff war, gab es verschiedene Möglichkeiten. Ich habe mir eine Studio-Hütte ausgesucht, in der es bereits ein Piano gab und man konnte sich alles, was man sonst noch braucht hinzubestellen", erzählt Ada Lea, "ich habe mit dann Bass, Gitarre, Drumkit, Lautsprecher und Verstärker ausgesucht und habe dann für meine Demos alles selbst eingespielt. Tatsächlich haben wir dann auch einige dieser Demos - oder doch Teile davon - für die Aufnahmen verwendet, weil die ziemlich cool klangen."
Was betrachtet Ada Lea als größte Herausforderung? "Das ist eine sehr gute Frage", zögert sie, "ich denke es war zu entscheiden, wie ich die Songs präsentieren wollte. Wenn man einen Song schreibt, ist man sich des Weiteren nie ganz sicher, ob der gut ist oder ob er es Wert ist, sich weiter damit zu beschäftigen. Das ist auch eine Herausforderung. Ich bin dann so verfahren, dass ich einen Song an einem Tag geschrieben und am nächsten aufgenommen habe. Dann brauchte ich darüber nicht darüber nachzudenken und brauchte das gar nicht zu bewerten. Dann habe ich auch dem Material eine Playlist für meine Freunde gemacht und sie dann gebeten, die Songs zu bewerten. Die Herausforderung ist also zu erkennen, ob es wert ist, einen Song zu erforschen." Jemand von außen hinzuzuziehen ist ja sicher keine schlechte Idee. "Ja - denn es ist so, dass die erste Idee immer aufregend und interessant scheint - und je länger man dran arbeitet, desto mehr stellt man alles in Frage und kann dann gar nichts mehr entscheiden. Jemanden anderen zu involvieren, ist dann schon sehr wertvoll."
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Und was hat Ada Lea musikalisch beeinflusst? "Es gibt natürlich immer Inspirationen, die sich unbewusst einschleichen", räumt Ada ein, "aber ich kann nicht sagen, dass ich mir etwas Spezifisches ausgesucht hat. Als ich das Album aufnahm, habe ich viel von Muna angehört. Meine Musik hört sich überhaupt nicht an, wie das, was sie machen, aber wir sind Fans voneinander. Wenn ich Musik mache, dann denke ich überhaupt nicht über Genres oder Stile nach - und es ist schon seltsam sich vorzustellen, wie das alles zusammenkommt - aber es geht mir mehr um Gefühle oder Gedanken und Stimmungen die dann alle irgendwie zusammenfinden."
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Weitere Infos:
www.adaleamusic.com
adaleamusic.bandcamp.com www.facebook.com/adaleamusic twitter.com/adaleamusic www.instagram.com/adaleamusic www.youtube.com/watch?v=uXcmZLLDt1c www.youtube.com/watch?v=nHR4ly4THdI www.youtube.com/watch?v=KCZ97Q0mOC0
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Interview: -Ullrich Maurer- Foto: -Kristina Pedersen-
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Aktueller Tonträger: One Hand On The Steering Wheel The Other Sewing A Garden (Saddle Creek/Rough Trade)
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