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THE KVB
 
Die Utopie in der Dystopie
The KVB
"Unity" ist nun auch schon wieder das - je nach Zählweise - ungefähr siebte Album von Nicholas Wood und Kat Day, die besser bekannt sind als Coldwave-E-Pop-Duo The KVB. Mit dem von dem Indie-Spezialisten Andy Savours produzierten Werk schlägt das nach einer längeren Residenz in Berlin inzwischen in Manchester ansässige und nun auch verheiratete Paar in musikalischer und inhaltlicher Hinsicht ein neues Kapitel in der insgesamt doch recht wechselvollen gemeinsamen Historie auf. Dabei überraschen Nick, Kat und der Produzent Andy Savours mit einem unerwartet poppigen Touch und erstaunlich positiven Vibes. Da das Album nun auf der Spitze einer weiteren imposanten Welle der uns doch schon seit einer gefühlten Ewigkeiten begleitenden Pandemie erscheint, drängt sich die Frage auf, ob es sich dabei dann auch um ein klassisches Lockdown-Album handelt?
"Also die die Songs haben wir bereits 2019 bei einem Aufenthalt in Spanien geschrieben", berichtet Nick, "Anfang 2020 haben wir dann mit der Produktion begonnen, und gerade mal einen Song fertig stellen können, als dann die Pandemie anfing. Es ist also kein klassisches Pandemie-Album geworden." Und dabei scheint es geradezu so, als sei das Werk absichtlich in eine eher aufmunternde, positiv ausgerichtete Richtung produziert worden - sozusagen als Gegenpol zur allgemeinen dystopischen Grundstimmung. "Nun ja, es ist ja auch viel passiert in diesem Jahr", meint Kat, "und ist es nicht fast schon unheimlich, wie sich die Bedeutung des neuen Materials im Angesicht der Pandemie in eine prophetische Hinsicht geändert zu haben scheint?" The KVB verstehen sich ja als audiovisuelles Projekt. Natürlich gibt es auch wieder Video-Projekte und Visualisierungen für die Live-Repräsentation. Das Video für den Titeltrack des Albums "Unité" spielt dabei mit einer dezidierten "Blade Runner"-Ästhetik. "Das liegt daran, dass wir vor dem Lockdown in Asien waren und uns von der Architektur dort haben inspirieren lassen", erläutert Kat, "und auch von der Ästhetik des Films 'Into The Void'." Da wir gerade bei Filmen sind: Was ist denn aus dem Plan von The KVB geworden, zuerst einen Film zu machen und dann die Musik dazu? Denn bisher sind Kats Visuals ja immer ihre Interpretation der Musik des Duos. "Ich weiß nicht", zögert Kat, "ich bin ja keine Filmemacherin, die mit Narrativen arbeitet und ich möchte mich auch nicht dazu zwingen eine zu sein. Ich habe einen etwas anderen, immersiven Ansatz. Ich bin eher eine Bildermacherin als eine Geschichtenerzählerin." Das ist aber ein gutes Stichwort, denn in den Texten zum neuen Album verbergen sich zwar keine regelrechten Narrative - aber jede Menge Inhalte, Inspirationen, Referenzen, Kontexte und Andeutungen, die erst mal interpretiert und dechiffriert werden wollen. Die Bezüge reichen dabei von der Architektur, über sozialkritische und philosophische Elemente bis zur Poesie. Wie kommt das denn alles zusammen? "Ich bin sicher, dass du anhand meiner Visuals erraten kannst, dass ich geradezu vom Thema Architektur besessen bin", räumt Kat ein, "dieses Thema findet immer seinen Weg in die Visuals und auch in die Texte. Und was die Poesie betrifft: Wir sind halt Fans des Dichters Keston Sutherland. Er hat schon unser letztes Album beeinflusst. Das ist interessant, weil seine Werke und Vorträge zugleich viszeral wie auch körperlich sind - was ich liebe, denn wenn ich das auf die Visuals übertrage, haben diese eine greifbare, körperliche Wirkung." Gilt das dann automatisch auch für die Musik? "Auf jeden Fall", bestätigt Kat, "ich denke, dass sich das alles gegeneinander aufwiegt."
The KVB
Nun ja: Für Musik, Visuals und Poesie kann man das ja noch nachvollziehen. Aber Architektur ist doch eher eine Kopf- als Körpersache, oder? "Oh, ich bin total besessen von der Idee des Brutalismus", gesteht Kat. Gemeint ist dabei nicht der deutsche Begriff der rohen Gewalt, sondern eine Strömung der Architektur, in der ab den 50er Jahren mit unbehandeltem, sichtbaren Beton (französisch "béton brut") gearbeitet wurde. Le Corbusier manifestierte dieses Prinzip mit seiner "Unité d'habitation" in Marseille. Davon abgeleitet wurde unter anderem dann auch der Titel des Albums "Unity" und natürlich der Titel des Songs "Unité". "Ja - diese Strömung in der Architektur war der Ausdruck hoffnungsvoller Zeiten", fährt Kat fort, "und ich denke, dass wir heutzutage mehr Hoffnung brauchen als jemals zuvor, weißt du? Wir brauchen ein wenig Utopie in unserer Gesellschaft in unseren trübsinnigen Zeiten und Hoffnung ist da genau das Richtige." Heißt das, dass "Unity" dann eher utopisch als dystopisch ausgerichtet ist. "Ist denn nicht auch immer ein bisschen Dystopie in der Utopie?", fragt Kat zurück, "es kann ja nicht das eine ohne das andere geben." Wortspielereien, Ambivalenz und doppelte Wortbedeutungen sind schon ziemlich wichtig für The KVB, oder? "Ja, das lieben wir total", meint Kat und Nick ergänzt: "Das ergibt sich eben so. Wir fühlen uns dazu hingezogen und wir mögen es, wenn etwas nicht allzu offensichtlich ist."

Kommen wir mal zur Musik: Ein wichtiges Stilmittel von The KVB ist eine gewisse Unerbittlichkeit und auch eine Portion Monotonie. Auf dem neuen Album wird diese allerdings öfter als gewohnt durch Melodien und Hooklines aufgebrochen. Geht es dabei vielleicht auch um die Spannung zwischen Extremen? "Haha", freut sich Kat, "der Schlüssel zu allem ist immer die Simplizität." "Wir mögen aber auch Melodien", wirft Nick ein, "eigentlich versuchen wir immer auch melodisch zu sein. Zugegebenermaßen waren wir in der Vergangenheit ja zuweilen recht krachig unterwegs - aber dieses Mal sollte es unbedingt melodischer und auch klarer sein." Dennoch: Was fasziniert The KVB denn an der Monotonie - wie sie ja z.B. auch im Krautrock gewinnbringend eingesetzt wird? "Nun, die Wiederholungen und der Minimalismus des Ganzen", meint Nick, "das ist schon eine Inspiration für uns. Wir haben für gewöhnlich immer einen Krautrock-Track auf dem Album." Das mal eingedenk: Was zeichnet gute Songs für The KVB aus? "Nun, wenn ein Song in dem Kopf stecken bleibt", erklärt Kat, "wenn du zum Beispiel einen Song schreibst und dann nicht schlafen kannst, weil du den Song in deinem Kopf hörst, dann ist das ein guter Song." Funktioniert das auch mit Club-Tracks? "Es geht um die Variationen", führt Kick aus, "wir mögen es, verschiedene Sachen auf einem Album zu haben und uns nicht zu sehr auf eine Sache zu fixieren. Wir mögen Pop-Songs aber auch Club-Tracks und experimentellere Sachen. Wir mögen die Abwechslung."

Was auf der neuen Scheibe ins Ohr springt, ist die Tatsache, dass Kat deutlich mehr singt, als in der Vergangenheit - wo Nick ja oft alleine die Vokal-Arbeit übernahm. Auch das führt zu mehr Abwechslung. "Na ja, es war halt Zeit für mich es zu machen - ich hatte mich bisher halt noch nicht so selbstbewusst gefühlt, es auch zu tun", gesteht Kat. "Eigentlich hat Kat von Album zu Album immer ein bisschen mehr gesungen", überlegt Nick, "dieses Mal wollten wir das alles ein bisschen besser verteilen. Auf den Demos singe ich noch alles selbst - aber auf den fertigen Versionen ist es dann Kat. Das ist auch eine schöne neue Entwicklung für unseren Sound." Okay - warum sind dann aber die Stimmen so abgemischt, dass sie teilweise im allgemeinen Wall Of Sound unterzugehen drohen? "Hast du unsere älteren Sachen gehört?", fragt Kat lachend, "demgegenüber ist die neue Scheibe dann doch nun wirklich ein Pop-Album." "Wir haben zwei Versionen der Songs gemacht", führt Kick aus, "eine, bei der die Stimmen lauter sind und eine, wo sie eben in den Hintergrund treten. Und wir haben uns aus ästhetischen Gründen für die Versionen mit den etwas leiseren Stimmen entschieden. Wir sind schließlich keine Pop-Stars." Dieser Aspekt scheint The KVB wirklich am Herzen zu liegen. "Ja, denn wir möchten, dass die Leute uns wirklich zuhören sollen und versuchen sollen, herauszufinden, was wir sagen." Kat hat auch eine Meinung zu diesem Thema: "Uns geht es eher um die Atmosphäre als um Pop-Texte", meint sie. Im Wesentlichen setzt sich diese Art von Vexierspiel dann auch auf der Bühne fort, wo sich Nick und Kat eben nicht als Popstars inszenieren, sondern als Figuren, die ganz hinter ihrer Musik (und den Visuals) in den Hintergrund treten - auf diese Weise aber auch ganz in ihrer Musik aufgehen.
Was ist aber mit dem Thema Emotionen? Darauf legen ja viele Songwriter gesteigerten Wert - auch wenn sie es gar nicht darauf anlegen, Pop-Songs zu schreiben. Ist Atmosphäre dann für The KVB vielleicht auch eine Art Emotion? "Für uns ist eben die Atmosphäre ausschlaggebend", beharrt Kat, "und vielleicht hast du sogar recht mit dieser Vermutung." Was ist denn die Herausforderung, wenn man Songs aus dieser Perspektive angeht? "Ich würde sagen, uns nicht zu wiederholen", zögert Kat, "denn wir haben ja schon so viele Songs geschrieben. Es ist natürlich so, dass die Leute natürlich auch die alten Sachen mögen, aber trotzdem wollen wir uns ja herausfordern und uns weiterentwickeln. Was natürlich nicht heißen soll, dass wir für die Fans nicht auch die Lieblingssongs spielen wollen, denn wenn ich zu einem Konzert gehe und mein Lieblingssong nicht gespielt wird, dann wäre ich ja auch enttäuscht."

Als Nick anfing, Musik zu machen, begann er ja mit einer anderen Stilistik - mit Postpunk und Rock - wie sieht er denn die musikalische Entwicklung des Projektes und den Ausblick in die Zukunft? "Nun, es gab immer schon elektronische Elemente und Synthesizer in meiner Musik", erinnert sich Nick, "das ist natürlich sind seither zehn Jahre vergangen und meine Interessen haben sich ja auch gewandelt. Seit Kat sich angeschlossen hat und Synthesizer spielt, sind wir auch experimenteller geworden." "Ja, und dabei hatte ich ursprünglich gar nicht vor, eine Musikerin zu werden", wirft Kat ein, "ich hatte ja an der Kunsthochschule studiert und das war also nicht mein Plan. Ich bin aber froh und dankbar, dann doch diesen Schritt gemacht zu haben, weil ich das sehr genieße." Und was birgt die Zukunft? "Nun, das nächste Jahr scheint ein besonders ereignisreiches zu werden", verrät Kat, "wir haben eine große Tour durch Europa und die USA geplant und dann auch durch Asien und die Mongolei." Die Mongolei? "Na ja - das ist eigentlich nur ein Festival außerhalb von Ulan Bator, zu dem wir eingeladen worden sind", räumt Nick ein - was die Sache aber nicht weniger faszinierend erscheinen lässt. "Wir haben aber schon in China gespielt und die Resonanz war sehr gut dort", ergänzt Kat, "es gibt dort viele junge Leute, die sich für Musik begeistern können und das ist schön, das zu sehen. Wir waren auch in Japan und das hat uns auch gut gefallen - und uns zudem Ideen für die Visuals gegeben." "Die Menschen in Asien sind auch sehr höflich", meint Nick, "sie klatschen für alles, was wir spielen - egal, welche Sounds das sind." Warten wir mal ab, was die Pandemie dazu meint. An Nick & Kat soll es jedenfalls nicht liegen, denn da sie auf der Bühne alles alleine machen, ist es für sie relativ einfach, spontan zu reisen.
Weitere Infos:
thekvb.bandcamp.com
www.thekvb.co.uk
www.facebook.com/thekvbmusic
twitter.com/TheKVB
www.instagram.com/thekvb
www.youtube.com/watch?v=RPFbVQx_iYE
www.youtube.com/watch?v=sLL2Ka9gHIU
www.youtube.com/watch?v=hb7A6j6VrYs
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
The KVB
Aktueller Tonträger:
Unity
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