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SASAMI
 
So ein Theater
Sasami
Sasami Ashworth hat in ihrer Karriere schon so Einiges erreicht - obwohl sie erst seit 2018 als Solo-Künstlerin tätig ist. Man könnte sagen, dass sie ihre musikalische Laufbahn sorgsam vorbereitet hat: Nachdem sie 2012 die Eastman School Of Music in NY cum laude absolviert hatte, arbeitete sie nämlich zunächst als Filmkomponistin, Arrangeurin und Musiklehrerin in ihrer Heimatstadt Los Angeles, bevor sie sich 2015 für einige Jahre als Keyboarderin der Band Cherry Glazerr ihrer Freundin Clementine Creevy anschloss. Als Cherry Glazerr dann 2018 bemerkten, dass die Band eigentlich gar keine Keyboarderin bräuchte, stieg Sasami dort aus und begann an eigenem Material zu arbeiten. Nachdem sie zunächst befreundete Acts wie Mitski, Soccer Mommy oder Snail Mail bei Live-Auftritten unterstützte, erschien 2018 dann ihr selbst betiteltes Solo-Debüt, das Sasami heutzutage als Selbstfindungsalbum im Indie-Pop-Modus kategorisiert. Nachdem das Kapitel damit für sie erst mal abgeschlossen war, machte sich Sasami anschließend für ihr nun vorliegendes, zweites Album "Squeeze" auf die Suche nach neuen Themen - und wurde dabei ausgerechnet in der japanischen Mythologie fündig.
Sind Konzepte also wichtig für Sasami? "Ja - besonders wenn wir die neue Scheibe mit meiner letzten vergleichen", erläutert sie, "so ist die neue Scheibe eher wie ein Drehbuch oder ein Theaterskript als eine Autobiographie, wie das erste Album. Ich wollte dieses mal verschiedene Szenarien erschaffen, die dann verschiedene Emotionen erzeugen anstatt wieder autobiographisch zu arbeiten." War das Album denn von der Pandemie betroffen? "Definitiv", meint Sasami, "jeder, der in der Pandemie etwas geschrieben oder aufgenommen hat, ist davon betroffen worden. Denn wenn man selbst nichts erleben kann, dann findet man das, worüber man schreibt, ja in seinen Erinnerung oder bei den Emotionen von etwas erlebten. Für mich fühlte es sich also ganz natürlich an, ein Phantasie-Album zu machen, denn in der Pandemie-Zeit passierte ja nicht so viel. Man musste sich also schon anstrengen, aus der Phantasie genug zu beschwören, um ein ganzes Album machen zu können." Kommen wir mal zum Thema der Scheibe: Auf der Suche nach neuen Themen für ihre Scheibe stieß Sasami auf eine Figur aus der japanischen Mythologie - die "Nuru Onna". Übersetzt heißt das "nasse Frau" und gemeint ist damit eine Gestalt mit dem Körper einer stacheligen Seeschlange und dem Kopf einer Frau, die - gleich einer Sirene - ihre Opfer vom Strand mit einem Trick ins Wasser lockt und diese dort erdrückt und ertränkt. Auf diese Gestalt stieß Sasami, weil sie sich mit ihrer Herkunft, als Tochter einer koreanisch-stämmigen Mutter der Volksgruppe der Zainichi (einer in Japan lebenden ethnischen Minderheit) beschäftigte. "Ich denke, es ist für alle Künstler normal, sich von anderen Kunstformen inspirieren zu lassen", führt Sasami aus, "ich fühlte mich zum Beispiel von japanischen Filmen wie 'Hausu' und 'Lady Snowblood' und den 'Yokai' genannten mythischen Figuren des japanischen Volksglaubens inspiriert (die in den genannten Filmen auch eine gewisse Rolle spielen). Von der physischen Gestalt der 'Nuru Onna' fühlte ich mich deswegen angezogen, weil sie diese Duplizität widerspiegelt. Auf der einen Seite ist sie diese unaufdringliche, wunderschöne weibliche Kreatur und hat zugleich eine verbrecherische, gewalttätige Seite. Das mochte ich sehr, weil ansonsten in der historischen, phantastischen und modernen, Geschichtserzählung und auch im Songwriting die Frauen ja nun doch oft das Opfer in der Geschichte sind. Und eine 'Nuru Onna' ist so weit von einem Opfer entfernt, dass sie selbst zur Verfechterin der Gewalt wird. Ich wollte einfach mal die normale Geschlechterrolle umdrehen."

Entstanden die Songs dann auch auf ein andere Art und Weise als beim letzten Mal, wo Sasami ja viel mit dem Computer arbeitete? "Ja, denn kurz vor der Pandemie habe ich mich zufällig mit neuen Sachen beschäftigt wie z.B. Metal und härteren Genres. Ich wollte dann unbedingt auch Elemente dieser Musik für mein Album verwenden, aber doch irgendwie meinem Songwriting-Stil treu bleiben und nicht irgendwie rumschreien. Aber ich wollte Double-Kick-Drums und Heavy-Gitarren verwenden und Sachen, mit denen man klanglich grundlegend Gefühle wie Wut, Missgeschick, Furcht oder Doom ausdrücken könnte. Es sollte mir halt eine andere emotionale Palette zur Verfügung stehen - und die bedingte auch eine andere klangliche Palette." Witzig dabei ist, dass Sasami sagt, dass sie nicht "rumschreien wollte", denn bei den Tracks, bei denen die angeführten Stilmittel eingesetzt wurden, hat sie ihre Vocals mit jeder Menge Effekten verfremdet, um das kompensieren zu können. Bewegte sich Sasami aber nicht bereits in diese Richtung, als sie begann, mit eigenen Songs aufzutreten? "Also mein Background ist ja in der klassischen Musik zu sehen", zögert Sasami, "mehr als alles andere betrachte ich mich also eher als Komponistin als etwas eine Rockmusikerin. Ich sehe das halt so, dass ich verschiedene Klänge verwende, um verschiedene Emotionen zu triggern und Szenarien zu entwerfen. Ich denke nie in Begriffen wie 'Genre' oder 'Stil'. Manche Regisseure machen ausschließlich Horror-Filme oder ausschließlich Komödien. Ich fühle mich hingegen wie eine Regisseurin, die alle möglichen Arten von Filmen machen möchte. Ich fühle mich jedenfalls nicht an ein bestimmtes Konzept oder Genre gebunden.
Das wird auch durch die illustre Reihe von Musikern deutlich, die Sasami zu den Sessions mit dem Produzenten Ty Segall in dessen Studio im Topanga-Valley einlud: Die Londoner Punk-Band No Hope etwa, Dirk Verbeuren, der Drummer von Megadeth, Session- und Studio-Drummer Jay Bellerose, Laetitia "Vagabon" Tamko, Schauspielerin Patti Harrison, Meg Duffy von Hand Habits, Songwriter Christian Lee Hutson (ein Nachbar von Ty Segall) und Kyle Thomas von King Tuff. Da die aus diesen Kollaborationen entstandenen Tracks eine gewaltige stilistische Bandbreite abdecken - etwa zwischen Klassischer Musik, akustischen Elementen, Indie-Pop, Noise und Heavy- bzw. Nu-Metal - entwickelte Sasami einen bestimmten dramatischen Flow. Die Scheibe beginnt sehr abrasiv mit dem Nu-Metal-Song "Skin A Rat" und nimmt den Hörer dann mit auf eine Achterbahnfahrt, an deren Ende der versöhnliche Ausklang "This Is Not A Love Song" steht, der mit einem kammermusikalischen Instrumental eingeleitet wird. Wäre es nicht effektiver gewesen, diese Combo an den Anfang der Scheibe zu stellen? "Das hat damit zu tun, dass dieses Konzept ähnlich wie bei meinem ersten Album zu einer Art Auflösung am Ende des Albums führt. Ich wollte das Album als ein cinematisches Stück betrachten. Es sollte aber keine meditative Stimmung im Mittelteil oder am Anfang des Albums sein. Es gibt da zwar versöhnlichere, ruhigere Stücke wie 'Call Me Home' oder 'Tried To Understand' - aber in 'This Is Not A Love Song' denke ich über den Platz von uns Menschen auf diesem Planeten nach und unsere Beziehungen zur Natur. Ich wollte auf keinen Fall die Zuhörer früher auf dem Album in diese existentialistische Richtung lenken. Das sollte das letzte Sentiment darstellen - weil es mir das Wichtigste ist." Wenn wir mal bei den Film-Assoziationen bliebe, wäre der letzte Song dann auch einer, über dem man sich auch gut Schusstitel vorstellen könnte. "Ganz genau", bestätigt Sasami, "das ist ein Song für den letzten Vorhang."

Die "versöhnlicheren" Songs des Albums kommen für gewöhnlich in einer balladesken Form daher, sind gerne auch mal mit organischen, akustischen Elementen ausgestattet und haben ein songorientierteres Format als die Rock- und Noise-Tracks. Müssen diese nicht mit einem ganz anderen Mindset angegangen werden? "Nicht wirklich", überlegt Sasami, "es ist nämlich so, dass ich ursprünglich ernsthaft vorhatte, eine richtige Hardrock-Scheibe aufzunehmen. Ich wollte also gar nichts Mildes machen. Aber für mich sind Songs wie Kinder. So gerne man auch möchte, dass die Kinder Ärzte oder Wissenschaftler werden sollen - am Ende entscheidet das Kind, welchen Weg es beschreiten möchte. Und im Falle meiner Songs wollten diese dann halt, dass ich zuweilen etwas weniger Verkrampftes und Gewalttätiges und dafür lieber etwas Entspannteres schreiben sollte. Ich muss da einfach ein wenig bescheiden sein und den Songs erlauben, ihre beste Form zu finden. 'Tried To Understand' habe ich zum Beispiel zunächst in einer rockigen Version mit Ty Segall aufgenommen, zu der J. Mascis dann Gitarre und Gesang beisteuerte. Diese Version werde ich vielleicht in der Zukunft noch veröffentlichen - aber aus irgendwelchen Gründen wollte der Song für diese Scheibe so etwas sein, wie ein Cheryl Crow Country-Pop-Song."
Heutzutage verbindet Sasami ihre Live-Auftritte mit einer gewissen Theatralik und Dramaturgie. Muss ihre Musik demzufolge also größer als das Leben sein, um bestehen zu können? "Ja", bestätigt sie, "auch hier kann man das mit einem Film oder Drehbuch vergleichen. Wenn man einen Song zur akustischen Gitarre singt, ist das, wie ein Theaterstück aufzuführen. Du hast weniger Mittel um Dynamik zu erzeugen oder eine Geschichte zu erzählen. Es ist aber definitiv machbar. Die besten Songs sind auch Theaterstücke. Manche Theaterstücke kommen ja auch ganz ohne Requisiten aus. Bei diesem Album war es aber so, dass ich dachte, dass ich die Ressourcen hätte, statt eines Theaterstücks einen Spielfilm zu machen. Also habe ich ein Bühnendekoration erschaffen, Kostüme angezogen und eine ausgefeiltere Welt erschaffen. Es ist einfach eine andere Ausdrucksmöglichkeit, eine andere Möglichkeit, zum selben Schluss zu kommen. Ich erzähle Geschichten und die Zuhörer fühlen irgend etwas dabei." Zehrt Sasami dabei auch von ihren Erfahrungen mit der Filmmusik? "Nun, ich führe etwa bei meinen Videos Regie - ein wenig Erfahrung habe ich in dieser Hinsicht also schon", meint Sasami, "aber auch was meine Live-Shows betrifft, so bin ich doch mit der Zeit immer theatralischer geworden - selbst schon bei der Tour zu meiner ersten Scheibe. Das ist für mich eine ganz natürliche Entwicklung. Wenn ich auf der Bühne stehe, dann ist das ein wenig so, als habe ich zuvor eine Sprache erlernt, und reise dann in das Land, wo man diese Sprache spricht." Es geht also darum, das erlernte dann in die Praxis umzusetzen? "Ja, wenn man als Kind eine Sprache lernt, dann formt man ja auch irgendwann Sätze, ohne großartig darüber nachzudenken. Das ist mit der Musik dasselbe. Man übt sich die Finger wund und wenn man dann auf der Bühne steht, braucht man nicht mehr großartig darüber nachzudenken, was man da eigentlich macht."

Was ist für Sasami selbst denn der wichtigste Aspekt des neuen Albums? "Also, wenn es darum geht, welches Ziel ich erreichen wollte oder worauf ich besonders stolz bin, würde ich sagen, dass ich etwas für mich Neues machen wollte. Ich wollte des Weiteren auch Sachen miteinander verbinden, die ansonsten gar nicht zusammen passen. Zum Beispiel Metal und Nu-Metal-Elemente mit Melodien zu kombinieren. Und natürlich wollte ich Geschlechterrollen und die übliche Narrative auf den Kopf stellen. Das war mein größter kreativer Triumph, das alles ganz natürlich zusammenzumischen, ohne das allzu sehr zu analysieren. Ich finde nämlich, dass das Album für jeden etwas bereit hält."
Weitere Infos:
www.sasamiashworth.com
sasami.bandcamp.com
www.instagram.com/sasamiashworth
www.youtube.com/watch?v=KwpZ8-vCABE
www.youtube.com/watch?v=EIFKSynPwFE
www.youtube.com/watch?v=2QB-V3VWJ7U
www.facebook.com/SASAMIASHWORTH
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Thomas Huang-
Sasami
Aktueller Tonträger:
Squeeze
(Domino Records/GoodToGo)
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