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LEWSBERG
 
Hypnotische Entschleunigung und gedämpfte Farben
Lewsberg
Mit stoischer Gelassenheit, poetischen Texten und beeindruckend schlichten Stakkato-Rocksongs hefteten sich Lewsberg vor rund fünf Jahren an die Fersen von The Velvet Underground und erweckten auf zwei famosen Platten die einst von Lou Reed, John Cale, Sterling Morrison und Maureen Tucker heraufbeschworene Magie der Monotonie zu neuem Leben. Ihrem Faible für das bahnbrechende New Yorker Quartett sind Lewsberg auch im Pandemie-Lockdown treu geblieben, die Perspektive ist aber nun eine andere. Ohne Schlagzeug, dafür aber des Öfteren mit Violine tauscht die - zeitweise - zum Trio geschrumpfte Band aus Rotterdam auf ihrem nun mit etwas Verspätung auch auf Vinyl erscheinenden dritten Album, "In Your Hands", rasantes Tempo gegen hypnotische Entschleunigung und gedämpftere Farben ein, um textlich ein Licht auf Dinge zu werfen, die sonst verborgen oder dunkel geblieben wären. Doch so anders das neue Werk im ersten Moment auch klingt: Eine Abkehr von alten Tugenden ist es nur bedingt, denn inzwischen haben Gitarrist und Sänger Arie van Vliet, Bassistin und Sängerin Shalita Dietrich und Gitarrist Michiel Klein mit Marrit Meinema eine neue Schlagzeugerin gefunden, die bereits auf der ebenfalls diesen Monat erscheinenden 7"-Single "Six Hills" zu hören ist und beim Traumzeit-Festival in Duisburg im Juni zu sehen sein wird. Vorab hatte Gaesteliste.de die Gelegenheit, mit Arie und Michiel zu sprechen.
GL.de: Die neue Platte klingt spürbar anders, deshalb sei zuerst die Frage erlaubt: Was sind in euren Augen die größten Veränderungen seit der Veröffentlichung eures Debütalbums im Jahre 2018?

Arie: Ein wichtiger Unterschied ist sicherlich, dass die Leute nun über Lewsberg Bescheid wissen, wenn sie zu unseren Konzerten kommen. Sie haben bestimmte Erwartungen und sind auf eine andere At und Weise aufmerksam. Das ist, glaube ich, ein wichtiger Unterschied für mich. Ich weiß nicht, ob es die Dinge einfacher macht oder nicht - nicht unbedingt! - aber es ist auf jeden Fall anders.

GL.de: Fast möchte man glauben, dass die leiseren Songs und der gewissermaßen Wohnzimmer-freundlichere Sound von "In Your Hands" COVID-19 und den dadurch eingeschränkten Möglichkeiten, als laute Rockband zu agieren, geschuldet ist...

Arie: Ich denke, die Richtung, in die die neuen Songs gehen, stand schon vor dem Ausbruch der Pandemie fest. Ohne Schlagzeuger zu spielen, das ist irgendwann während der Pandemie passiert, aber ich denke, der Hauptgrund, warum wir uns dazu entschieden haben, war die klangliche Ausrichtung der Songs. Das war also eher Zufall.

Michiel: Ja, genauso war es Zufall, dass unsere zweite, im März 2020 erschienene Platte "In This House" hieß, was viele Leute sehr visionär fanden (lacht)! Das war natürlich auffällig, aber es war Zufall, und so war es auch bei der neuen musikalischen Ausrichtung. Wir hatten schon immer ruhigere Songs, schon auf der ersten Platte und auch bei Live-Shows, und es ist uns sehr wichtig, dass unser Sound verschiedene Facetten besitzt. Nachdem wir zwei Alben in einem bestimmten Stil gemacht hatten, wollten wir den ruhigeren Songs mehr Raum geben - auch wenn natürlich andere Sachen drumherum passieren können.

GL.de: Hat sich durch den Verzicht auf das Schlagzeug für euch die Balance zwischen der Musik und den Texten verschoben?

Arie: Ich habe den Eindruck, dass die Leute mehr auf die Texte der leiseren Lieder hören, aber ich glaube nicht, dass sich meine Herangehensweise deshalb verändert hat. Es gefällt mir allerdings, dass das Publikum den Texten mehr Aufmerksamkeit schenkt und weiß - oder glaubt zu wissen -, worum es in den Songs geht. In dieser Hinsicht fühlen sie sich wirklich wichtiger an, allerdings waren mir die Texte natürlich immer schon wichtig. Wenn ich die lauteren Songs spiele, dann ist der Text genauso wichtig wie bei leiseren Songs, aber für mich, weil ich sie singe, proklamiere oder was auch immer, für mich stehen sie immer über der Musik.

GL.de: Neuerungen anzustoßen und sie tatsächlich erfolgreich umzusetzen, sind bisweilen zwei Paar Schuhe. Ist euch das schwergefallen?

Michiel: Sich in die neue Denkweise hineinzuversetzen, war recht leicht, aber aus diesen neuen Songs ein Album zu machen, hat etwas länger gedauert, weil es eine neue Dynamik gab. Aber das war wirklich schön, weil es eine neue Art war, ein Album als Ganzes zu erarbeiten und eine Reihenfolge zu finden, anstatt nur an einer Sammlung von Songs zu arbeiten. Arie, vielleicht könntest du etwas über die Violine sagen, weil das für uns vielleicht der neuste Aspekt war?

Arie: Ich kann mich nicht mehr wirklich erinnern, wann ich vorgeschlagen habe, die Geige mal mitzubringen, oder warst es sogar du, Michiel, der den Vorschlag gemacht hat? Wir waren jedenfalls damit beschäftigt, diese neuen Songs zu schreiben, und irgendwann wurde uns klar, dass die Geige vielleicht passen würde. Noch bevor ich es überhaupt ausprobiert hatte, wusste ich bereits, dass mir die Ergebnisse gefallen würden. Vielleicht war es bei den Songs ähnlich - sobald wir sie geschrieben hatten, wusste ich, dass es funktionieren würde. Wir mussten noch herausfinden, wie, aber ich wusste, dass es am Ende klappen würde.

GL.de. Was macht in euren Augen den größten Unterschied zwischen der Trio- und der Quartettbesetzung aus?

Arie: Ich denke, dass jetzt vielleicht alles, auch die Art und Weise, wie wir spielen, ein bisschen zerbrechlicher ist, das ist für mich eine große Veränderung. Außerdem mag ich den Klang der Becken beim Schlagzeug nicht besonders, und natürlich ist es in der praktischen Umsetzung ein Unterschied, dass wir bei den neuen Liedern keine mehr verwenden (lacht).

Michiel: Der Prozess ist einfach etwas direkter, wenn wir zu dritt arbeiten, und auch wenn Arie und ich die meisten Ideen beisteuern - Arie bei den Texten, ich bei der Musik -, sind wir doch immer noch eine Band. Wir erarbeiten die Songs zu dritt oder zu viert. Zu dritt ist es schlichtweg leichter, Entscheidungen zu treffen. Wir konnten schneller arbeiten, und das war wirklich toll.

Arie: Wir sind zu dritt einfach viel flexibler gewesen.

Michiel: Eine andere wichtige Veränderung war, dass wir zuvor die Songs immer zuerst live gespielt haben. Natürlich lag es ein wenig an COVID, aber wie du vorhin gesagt hast, waren dies Songs, die wir in einem Wohnzimmer hätten entstehen lassen können (auch wenn es tatsächlich im Proberaum passierte). Es waren Songs, die in einem Raum entstanden, bei denen wir Entscheidungen an Ort und Stelle treffen konnten, anstatt die Ideen auf einer Tournee mitzuschleppen. Das war ein wichtiger Unterschied für mich: Die Möglichkeit, die Songs auf viel direkterem Wege fertigzustellen.
GL.de: Arie, Bei unserer letzten Begegnung hast du gesagt, dass du anstrebst, mit Lewsberg schlicht zu klingen. Ist der reduzierte Sound des neuen Albums ein weiterer Schritt in diese Richtung?

Arie: Ja, ich denke schon, dass das der Fall ist, wenngleich wir diesen Schritt nicht absichtlich gemacht haben. Ich erinnere mich, dass ich das damals gesagt habe, aber ich habe es nie im Hinterkopf, wenn ich Musik schreibe.

Michiel: Ja, wir sagen nie: "Lass uns noch minimalistischer werden", aber die neuen Songs stellen eine Variation dar, eine andere Art von "minimal". Wir haben das bei den Aufnahmen aber nicht bewusst angestrebt. Wir hören nun aber oft, dass die Leute unsere Musik für minimalistisch halten oder dass ihnen jetzt erst richtig bewusst ist, wie minimal sie ist. Vorher war das vielleicht nicht immer zu erkennen, aber jetzt kann man sich dem Eindruck nicht mehr entziehen.

GL.de: Sind die Veränderungen für euch ein Schritt nach vorn oder eher ein Schlenker, bevor ihr zur Quartettbesetzung zurückkehrt?

Michiel: Ans Vorwärtskommen denken wir beim Musikmachen nicht. Es geht uns lediglich darum, verschiedene Wege zu erkunden, nach verschiedenen Wegen zu suchen, uns auszudrücken und die Dinge frisch zu halten.
Weitere Infos:
www.lewsberg.net
lewsberg.bandcamp.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Els Kuijt-
Lewsberg
Aktueller Tonträger:
In Your Hands
(Lewsberg/Cargo)
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