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Interview-Archiv

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ANNIE HAMILTON
 
Batwoman
Annie Hamilton
Mag sein, dass "The Future Is Here But It Feels Kinda Like The Past" nun das Debüt-Album der australischen Musikerin und Designerin Annie Hamilton ist - das heißt aber nicht, dass sie eine Newcomerin ist. Von 2012 bis ca. 2016 spielte sie z. B. Gitarre in der inzwischen zum Duo geschrumpften Folk-Pop-Combo Little May (und entwarf auch das Merch). Danach engagierte sie sich erst mal als Mode-Designerin für nachhaltig produzierte, genderneutrale Outfits und Accessoires, die man über ihre Website bestellen kann. Als Musikerin war sie nebenher auch aktiv - etwa mit der Rhythmusgruppe von Little May, ihrer eigenen Band The Hamiltones, als Gitarristin für das Projekt Jack River ihrer Freundin, der Musikerin und Aktivistin Holly Rankin und das von Co-Aussie Hayley Mary oder zuletzt als Mitglied der "satirischen Supergroup" Thrillsong. Das Album "The Future Is Here But It Feels Kinda Like The Past"" ist aber nun ganz alleine Annies Baby, das sie während des Pandemie-Lockdowns fertigte.
Bei Little May ist Annie ja schon seit 2016 nicht mehr dabei. Wie ging es denn danach für sie weiter? "Ich habe Little May nach dem ersten Album und der anschließenden Tour verlassen", berichtet Annie, "ich hatte damals auch mein Fashion-Label gegründet und hatte einfach nicht mehr genug Zeit, alles gleichzeitig zu machen. Ich konnte mich also nicht mehr zu 100% bei Little May einbringen - zumal ich auch meine eigene Musik verfolgen wollte. Als wir nichts mehr im Kalender hatten und es eigentlich daran gegangen wäre, neue Songs zu schreiben, habe ich mich entschlossen, die Band zu verlassen - was sicherlich eine der schwierigsten Entscheidungen meines Lebens war. Ich habe dann in ein paar Bands als Session-Musikerin Gitarre gespielt und die Zeit genutzt, meine Fähigkeiten als Songwriterin und Produzentin auszubauen. Es hat eine Weile gedauert, den Ball zum Rollen zu bringen. Das Album entstand dann in der Pandemie." Hat das das Album dann inhaltlich beeinflusst? Im Lockdown fehlt ja die Stimulation der Außenwelt. In einem früheren Gespräch erwähnte Annie ein Mal, dass sie sich - was ihre Designarbeit betrifft - von ihren Träumen leiten ließe. Gilt das vielleicht auch für die musikalische Arbeit? "Das stimmt", lacht Annie, "ich liebe Träume. Ich mag vor allem die seltsamen Dinge, die da abgehen. Ich schaue mir das an, was in meinem Kopf vorgeht - und schreibe das dann auf. Dann frage ich mich manchmal schon, warum ich dieses und jenes träume und denke. Viele meiner Texte beziehen sich zwar auf spezifische Dinge, die ich erlebt habe. Aber dann gibt es auch die seltsame Metaphern und Bilder, zu denen ich mich hingezogen fühle, von denen ich aber selbst nicht weiß, wo sie herkommen. Dann schreibe ich eben darüber - und Monate später geht mir dann vielleicht ein Licht auf und ich weiß, warum ich dieses und jenes gedacht oder verarbeitet habe. Manchmal offenbaren sich mir meine Tracks eben erst Monate später." Was beeinflusst denn, wie Annie ihre Texte formuliert? "Ich bin für vier Monate in eine abgelegene Gegend in den Bergen Australiens gezogen - die allerdings nicht so beeindruckend sind, wie eure europäischen Berge. Aber ich war in einer schönen, gespenstischen Winterlandschaft. Das hat schon eine traumähnliche Qualität, weil es immer unheimlich, neblig und kalt ist. Die natürliche Welt beeinflusst meine Texte schon in dieser Weise. Ich bin aber auch immer sehr interessiert an Dingen wie (den Kunstrichtungen) Surrealismus und Magischem Realismus und wie man diese mit sprachlichen Mitteln über den Mix von Umgangssprache und poetischen Elementen einfangen könnte. Das gibt einen netten Spin. Ich versuche jedenfalls immer, mein Texte interessant zu machen. Ich mag es, mit meinen Texten auf ein raues Makro-Level hineinzuzoomen. Und dem stelle ich dann universelle Generalisierungen gegenüber. Es geht mir immer darum, Gegensätze zu finden und diese gegeneinanderzustellen." Der angenehme Nebeneffekt ist dann der, dass Annies Texte australische Spezifika beinhalten. Ist das bewusst so angelegt? "Ich würde nicht sagen, dass ich da bewusst drauf achte - aber ich würde auch nicht sagen, dass ich davor zurückschrecke", erklärt Annie, "ich schreibe über das, was mich halt umgibt - und die australische Landschaft ist schon sehr lebendig und abwechslungsreich. Ich setze mich aber nicht hin und sage mir, dass ich einen Song über die australische Landschaft schreiben müsste. Ich versuche aber auch nicht, es etwa für Amerikaner ansprechender zu formulieren. Ich lasse es einfach laufen."
Wie sieht es denn mit Eskapismus aus? Ist das etwas, was Annie am Herzen liegt? "Ja schon", erläutert Annie, "aber ich denke, das kam teilweise von dem Umstand her, zu Hause im Lockdown zu sitzen und nicht rauszukommen und niemanden treffen zu können. Ich denke, ich habe dann in meinem Kopf einfach dieses Universum erschaffen und mich von Tagträumen leiten lassen, mit denen ich der Realität entfliehen wollte, wenn ich schon nicht den winzigen Raum verlassen konnte, in dem ich saß. Also schrieb ich über dieses Parallel-Universum, in dem ich durch die offene Landschaft fuhr und diese Portal durchschritt." (Wie sie es im Opener "Providence Portal" beschreibt.) "Das hat mich wirklich befreit, weil ich so diese Elemente, Bilder und Schnappschüsse aus meinem Leben dazu verwenden konnte, diese Geschichten zu erfinden, die passiert oder nicht passiert sein könnten und so eine alternative Version der Realität zu erschaffen und mir so meine eigene Welt aufbauen konnte, während ich mein Haus nicht verlassen konnte." Annie erwähnte ja dass sie sich für die produktionstechnischen Aspekte ihres Tuns interessiert und dass sie gerne mit Gegensätze arbeitet. Gehört das vielleicht sogar zusammen? Den Gedanken könnte man nämlich bekommen, wenn man sich die teilweise total übersteuerten Rhythmustracks auf der einen Seite und die kristallklaren Gitarrenfiguren und den verhallten Gesang auf der anderen Seite anhört - wie es zum Beispiel mit dem Track "Labyrinth" in Reinkultur demonstriert wird. "Das ist schön, dass du das sagst, denn das ist einer der Songs, die ich ganz alleine produziert habe - und darauf bin ich stolz, weil ich mir das Produzieren selbst beigebracht habe", meint Annie, "ich liebe schmutzige Klänge und Texturen. Wenn sich etwas in meinen Ohren zu sauber anhört, dann finde ich immer Wege, etwas zu verzerren und es schmutziger klingen zu lassen. Und 'Labyrinth' ist ja der klaustrophobische Tiefpunkt des Albums. Es sollte sich ja anfühlen, als stecke man in einem Labyrinth aus dem man sich nicht befreien kann. Ich versuche auch immer über die Produktion eine Geschichte zu erzählen. Wenn ich im Text etwas aussage, versuche ich herauszufinden, wie mir die Produktion helfen könnte, das ganze Bild zu malen." Das ist ja mehr, als man gemeinhin von einer Produktion erwartet. "100%ig", pflichtet Annie bei, "die Texte erzählen einen Teil der Geschichte, die Musik und die Akkordfolgen erzählen einen anderen Teil und die Produktion hat das Potential die Geschichte dann nochmal zu verbessern. Die Produktion hilft, die Geschichte auf die nächste Ebene zu hieven." Was hat es denn mit den Fledermäusen auf sich, die in Annies Videos, Texten, dem Artwork, ihrer Mode und ihren Fotos herumschwirren? "Die Fledermäuse wurden für mich zu einer Art Symbol", führt Annie aus, "in dem Stadt-Haus, in dem ich die letzten Jahre gelebt habe konnte ich jeden Abend um sechs beobachten, wie sich tausende von Fledermäusen wohl aufmachten, um Essen zu finden. Das wurde zu einer Art Ritual für mich, mich beim Abendessen hinzusetzen und die Fledermäuse zu beobachten. Das wurde dann für mich zu einem Symbol für den Kreislauf des Lebens." Während Annie das noch ausführt, erheben sich einige Fledermäuse von einem Baum am Rande des Parkplatzes, auf den sie sich des schlechten Empfangs wegen für das Gespräch begeben hatte. "Das ist ja sehr passend", lacht sie, "es gibt einen Song namens 'Bad Trip' auf der Scheibe, in dem ich davon singe, dass ich in einem Raum bin, wo Fledermäuse herumschwirren und ich versuche, diese zu fangen. Das ist tatsächlich so passiert. Es gibt in Australien diese niedlichen Mikro-Fledermäuse, die ein Nest im Wohnzimmer gebaut hatten und jede Nacht im Zimmer herumflogen und ich stand auf einer Kiste und versuchte sie mit einem Handtuch einzufangen. Für gewöhnlich sind Fledermäuse in meinen Songs also Metaphern und Symbole für Rituale oder Kreisläufe - aber manchmal singe ich auch einfach davon, wie ich Fledermäuse in meinem Wohnzimmer einfangen will.
Um es mal so zu sagen: Ein besonders geradlinige Geschichtenerzählerin ist Annie dann ja wohl nicht. Funktionieren ihre Texte dann als eine Art Collage? "Ja", bestätigt sie, "ich schreibe dauernd. Ich trage ein Notizbuch mit mir und schreibe jeden Tag - Notizen, Gedanken, Gedichte, Assoziationen, Gespräche - alles, was mir passiert. Wenn ich dann an Songs arbeite und eine Akkordfolge habe, dann fällt mir für gewöhnlich ein Wort zu einer bestimmten Situation ein und dann blättere ich meine Notizbücher durch und schaue, was dazu passen könnte. Ich liebe es, lebendige Bilder zu zeichnen und versuche, den Hörer mitzunehmen. Die Songs, die ich schreibe, lösen spezifische Emotionen aus, auf die man nicht den Finger legen könnte - nicht traurig, nicht fröhlich, sondern irgendwie mehrdeutig - so wie das Leben auch mehrdeutig ist. Ich will den Hörer eben dahin mitnehmen und weil ich visuell arbeite, versuche ich mit meinen Wörtern Bilder zu zeichnen." Es wäre also sicher nicht zu weit gegriffen, Annie Hamilton eine visuell geprägte Person zu nennen. Oder eben Batwoman. Bisher gibt es noch keine konkreten Pläne, aber Annie verspricht, bei ihrer nächsten Europa-Tour auch in Deutschland aufzuspielen.
Weitere Infos:
annie-hamilton.com
anniehamilton.bandcamp.com
www.facebook.com/anniehamiltonmusic
www.instagram.com/anniehamiltn
twitter.com/anniehamilton_
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -XingerXanger-
Annie Hamilton
Aktueller Tonträger:
The Future Is Here But It Feels Kinda Like The Past
(Pias)
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