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Interview-Archiv

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THE DREAM SYNDICATE
 
Der zerbrochene Kompass
The Dream Syndicate
Lange hatte Steve Wynn gezögert, sich mit einer möglichen Reunion seiner ursprünglichen Band The Dream Syndicate überhaupt nur zu beschäftigen. Immerhin hatte er als Solo-Künstler, mit seiner damaligen Band The Miracle Three und diversen Kollaborationen wie z.B. mit der All-Star-Band The Baseball Project ja gut zu tun und außerdem betrachtete er das Thema The Dream Syndicate auch als abgeschlossen, nachdem sich die Band 1989 offiziell aufgelöst hatte - und mindestens drei der ursprünglichen Mitglieder, Karl Precoda, Kendra Smith und Paul B. Cutler sich von der aktiven Musik zurückgezogen hatten. Nachdem aber die Band ab 2012 über einige Charity-Events mit den verbleibenden Mitgliedern Dennis Duck und Mark Walton sowie dem Miracle Three-Gitarristen Jason Victor und dem alten Kumpel Chris Cacavas als Keyboarder zumindest auf der Bühne wieder auferstanden war, wurde Steve irgendwann klar, dass das Kapitel doch noch nicht so ganz abgeschlossen war, wie er selber gedacht hatte. Da zudem ein jüngere Generation von Musik-Fans plötzlich Interesse an den Live-Konzerten der Band fand, beschloss Steve, das Projekt offiziell wiederzubeleben.
Es gab da nur ein Problem: Steve Wynn ist ein unglaublich produktiver Songwriter und niemals damit zufrieden, sich auf irgendwelchen Lorbeeren aus der Vergangenheit auszuruhen. Also konnte es niemals darum gehen, nur die alten Songs wie eine Coverband wiederzukäuen und so beschloss die Band 2017 gemeinsam ins Studio zu gehen und neues Material für das Album "How Did I Find Myself Here" einzuspielen. Das nun vorliegende neue Werk "Ultraviolet Battle Hymns And True Confessions" ist nun bereits das vierte Album nach der Reunion - und in mehrerlei Hinsicht auch wieder der Beginn eines neuen Dream Syndicate-Kapitels. Es ging Steve Wynn & Co. bei der Dream Syndicate-Reunion ja von vorneherein darum, dem "neuen" Dream Syndicate ein eigenes Gesicht zu geben. Drummer Dennis Duck bringt dieses Bestreben auf den Punkt, wenn er sagt: "Ich würde sagen, dass wir seit der Rückkehr der Band im Jahr 2012 zwei Hauptziele hatten. Eines davon ist, das Vermächtnis der ursprünglichen Band und dessen Bedeutung für unsere Fans zu ehren. Das zweite besteht darin, mit neuen Ideen und neuen Sounds voranzukommen und unsere Musik lebendig, frisch und herausfordernd zu halten." Die Frage war nur, wie man das erreichen könnte. Nach einigen Versuchen - die unter anderem das letzte Album "The Universe Inside" einschlossen, dessen Tracks vollständig aus einer Jam Session herauskristallisiert wurden - scheint die Band mit dem neuen Werk nun ein veritables Konzept gefunden zu haben. Die Tracks wurden gemeinsam im Studio ausformuliert - und erst dann von Steve Wynn mit neuen Lyrics ins Format gebracht. Tatsächlich ist "Battle Hymns" nun das erste Dream Syndicate-Album nach der Reunion, dass tatsächlich nach der aktuellen, neuen Dream Syndicate-Version klingt - und eben nicht nach der alten Band, die neue Stücke spielt. "Ich mag diese Beschreibung, denn sie ist sehr wahr", meint Steve Wynn, "denn was wir für die letzten fünf Jahr versucht haben, ist ein neues Dream Syndicate zu erfinden. Wir sollten zwar unserer alten Band treu sein - nicht aber das Gleiche darstellen - und hauptsächlich dem treu sein, was uns heute ausmacht. Ich denke, dass die Musik, die wir jetzt machen, die Musik ist, die wir alle fünf mögen und die wir heute machen wollen. Es geht uns nicht um einen Nostalgie-Act oder die Vergangenheit wiederentdecken zu wollen."

Gab es denn ein spezifisches Ziel für die neue Scheibe? "Ja - nach anderthalb Jahren wieder zusammenzukommen und neue Musik für neue Leute zu spielen", schmunzelt Steve, "das ist irgendwie das Ausrufezeichen hinter den letzten vier Scheiben. Und eines der Band, die wir in den letzten fünf Jahren erfunden haben." Apropos Ausrufezeichen: Da scheinen so einige neue Inspirationsquellen aufgetaucht zu sein. Obwohl man da fast immer falsch liegt, lohnt es sich doch zumindest mal, darüber zu spekulieren. Kommen da also The Who, David Bowie, MC5 oder Gamelan-Musik als mögliche Ankerpunkte in Betracht? Nun - die Antwort lautet kollektiv nein. Jason Victor meint etwa zu der Vermutung, der lang anhaltende E-Bow-Sound in "Every Time You Come Around" könne von David Bowies "Heroes" beeinflusst worden sein: "Ich denke nicht, dass ich 'Heroes' im Sinn hatte - eher schon die Psychedelic Furs. Für mich klang das am Ende aber wie die poppigeren Sachen der Stranglers." Und Chris Cacavas lacht über die Vermutung, er sei mit dem perkussivem Intro des Songs "Beyond Control" zum Gamelan-Musiker geworden. "Haha - Gamelan! Ich denke, dass der Sound eher aus dem Keyboard gefallen ist. Ich habe viel mit Sequencing experimentiert. Da gab es einen Sound aus einem 80er Roland Synthie, den ich verzerrt habe und damit eine Sequenz auf einem Korg-Monolgue-Synth erzeugte." Steve Wynn meint schließlich, dass die Vermutung, der wilde Rocksound von "Trying To Get Over" könne etwas mit MC5 zu tun haben, sei nicht ganz von der Hand zu weisen: "Ich mag deine Ideen - aber ich frage mich, wie du darauf gekommen bist? Es gibt definitiv einige Rock-Manifestos auf der Scheibe. Vielleicht ist es das? Mit den Inspirationen ist das so eine Sache. Selbst auf der Scheibe 'The Days Of Wine & Roses' gab es Stücke, wo du nie erraten würdest, woher unsere Inspirationen kamen - auch nicht, wenn ich dich fünf Mal raten lasse oder dir 100 Euros biete, wenn du sie errätst. Beispielsweise 'Tell Me When It's Over'. Velvet Underground? Nein! Television? Nein! Und so weiter. Die richtige Antwort wäre The English Beat mit einem Song namens 'Save It For Later'. Damals war ich 21 und hörte zum ersten Mal, wie eine Band alles auf einer einzigen Akkordfolge aufbaute - was sich für mich radikal anfühlte. Da wärest du nie drauf gekommen. Genauso ist das mit der neuen Scheibe. Die Sache ist nämlich die, dass jede Art von Inspiration, sobald sie bei der Band angekommen ist, nicht mehr zu erkennen ist." Naja - auf diese Weise gerät man ja als Musiker gar nicht mehr in die Gefahr, irgendetwas zu kopieren.
In Songs wie "Where I'll Stand", "Beyond Control" oder "Lesson Number One" buchstabiert Steve die Hilflosigkeit seiner Charaktere angesichts der Unbilden des Schicksals geradezu aus. In "Lesson Number One" gelingt Steve das besonders anschaulich, denn dabei geht es darum, dass der Erzähler zwar ganz genau herausgefunden hat, wie die Lektionen des Lebens aussehen - ihm dieses am Ende aber dennoch nichts nützt. "Weißt du, woher das kommt?", fragt Steve, "ich habe jetzt endlich mal Zeit gehabt, '1984' von George Orwell zu lesen. Und ich denke, das Buch hat diesen Song beeinflusst: Folge den Regeln ohne Fragen zu stellen - auch wenn sie sich widersprechen." Vermutlich ist diese Einstellung ja auch der Grund dafür, dass "Battle Hymns" jetzt endlich ein Mal so düster geworden ist, wie Steve das eigentlich bei jeder seiner letzten zehn Scheiben vorher ankündigte. "Ja, denn wir schrieben ja die neuen Songs in einer Zeit, in der wir alle ein wenig isoliert und hilflos herumtrieben und keine Kontrolle über unser Schicksal hatten. Der Kompass für das, was uns ausmachte, war zerbrochen." Wer ist denn der besungene "Damien" aus dem gleichnamigen Song? Doch nicht der Teufelssohn aus der Omen-Trilogie, oder? "Doch", bestätigt Steve diese Vermutung, "ich erkläre dir das mal: Ich schreibe meine Songs in letzter Zeit öfter mit Garageband auf meinem iPad. Zwar schreibe ich auch noch auf der Gitarre - aber nicht mehr so viel, weil ich da doch immer wieder mit G- oder C-Akkorde verwende - und habe ich so lange gemacht, dass ich es schwer finde, mich davon noch Inspirieren zu lassen. 'Damien' habe ich auf dem iPad geschrieben und hatte einen Groove gefunden, der mich an das Thema von 'Das Omen' erinnerte. Bis ich die Texte schreibe, haben meine Songs immer einen Platzhalter-Titel - und da hatte ich dann 'Damien' genommen. Manchmal - auch in diesem Fall - passiert es dann, dass ich mit diesem Titel weiter mache. Also habe ich mich gefragt: Wer ist denn Damien? Und was macht er? Und was ist er? Es ging also von der Stimmung über die Musik zum Text. Die Sache ist dabei die, dass The Dream Syndicate 2.0 das einzige Projekt ist, für das ich die Texte erst schreibe, wenn wir aufnehmen. Bei meinen anderen Bands ist das so, das ich die Texte mitbringe und die Band bitte, darauf zu reagieren. Bei The Dream Syndicate habe ich bestenfalls Titel oder einzelne Zeilen, warte dann aber, bis wir die Musik aufnehmen und frage mich dann, was mir die Musik sagt und mich fühlen lässt. Die Texte entstehen dann also mit der Musik - und in dem Fall fragte ich mich, wer zum Teufel 'Damien' ist und was er in unserer Welt will. Es ist ein zwielichtiger Charakter, wie ich herausgefunden habe."
Was ist denn mit den Zukunftsplänen - von denen Steve Wynn ja immer mindestens so viele hat, wie Ideen für neue Songs. Wo bleibt denn eigentlich die Solo-LP, über die er schon seit Jahren nachdenkt? "Nun, erst mal spielen wir ein neues Baseball-Project-Album ein", erklärt er (und inzwischen ist das auch schon in vollem Gange), "und ja - ich will auf jeden Fall als nächstes eine Solo-Scheibe machen. Es ist jetzt zehn Jahre her seit meiner letzten 'Crossing Dragon Bridge' - und das ist eine lange Zeit. Es ist nur so, dass die Sache mit The Dream Syndicate so viel Spaß gemacht hat. Was ich mir in letzter Zeit aber am liebsten selber gerne anhöre, sind Singer/Songwriter mit einer singulären Stimme - und das möchte ich auch selber gerne mal wieder aufgreifen. Jetzt kann ich ja auch wieder ohne Agenda eine Solo-Scheibe angehen. Das war zwar 1988 auch so - aber der Unterschied ist jetzt, dass ich deswegen die Band nicht wieder auflösen werde. Sie kann jetzt machen was sie will."
Weitere Infos:
www.thedreamsyndicate.com
thedreamsyndicate.bandcamp.com
www.facebook.com/thedreamsyndicate
www.instagram.com/thedreamsyndicateband
twitter.com/_DreamSyndicate
www.youtube.com/watch?v=lhYw6zPKU44
www.youtube.com/watch?v=59ZvUcvkn_I
www.youtube.com/watch?v=05gFXpYQ5TI
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Chris Sikich-
The Dream Syndicate
Aktueller Tonträger:
Ultraviolet Battle Hymns And True Confessions
(Fire Records/Cargo)
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