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AUTOMATIC
 
Kleidung für die Musik
Automatic
So richtig haben auch Izzy Glaudini, Lola Dompé und Halle Saxon a.k.a. Automatic die Pandemie nicht im Griff. Zwar schaffte es das Trio aus Los Angeles 2020 - mitten in der Pandemie, aber einer Lockdownpause - beim Synästhesie-Festival im November in Berlin aufzutreten; als jetzt allerdings wieder praktisch alles möglich wurde und die Band sich gerade auf ihrer großen Europa-Tour befand, infizierten sich die Damen dann noch noch mit dem Coronavirus und mussten nach Los Angeles zurückkehren, damit sie wenigstens für die im Herbst geplante US-Tour wieder fit werden könnten. Übrigens ist "Excess" - nach "Signal" das zweite Album des Trios - auch ein klassisches Pandemie-Album geworden -, worauf schon alleine der Titel des Werkes hindeutet, denn eine Pandemie ist ja auch so etwas wie ein Exzess.
In der Tat werden Automatic in Songs wie "Skyscraper", "New Beginning" oder "Close To The Edge" relativ deutlich, was diese Exzesse angeht. Es ist natürlich so, dass es in dem New Wave-, E-Pop- und Kraut-Setting, wie es Automatic musikalisch vertreten, so etwas wie "Polit-Rock" nicht geben kann, aber im Vergleich zu ihrem Debüt werden Automatic da in Bezug auf politische und soziale Kommentare schon ziemlich konkret. "Na ja - wir haben da vielleicht auch keine Lösungsansätze, aber wir verstehen unsere Texte auch eher als Denkanstöße", erklärt Lola, "wir möchten anregen, dass die Leute selber nachdenken und dann ein Gespräch über die Themen, die wir anreißen führen." "Wenn wir einen Song schreiben, ein Konzept aussuchen und überlegen, was gerade passiert - politisch oder kulturell -, dann fließt das auch in unsere Songs ein", versucht Izzy das Thema einzukreisen, "der Schreibprozess selbst ist dann hingegen irgendwie musikalisch. Ich weiß nicht - der ganze kreative Prozess ist ja irgendwie nicht besonders rational und logisch. Man kann das schwer in Worte fassen. Es ist auch irgendwie intuitiv." "Ja, unsere Botschaft ist intuitiv - aber beziehungsreich", fügt Lola hinzu. Und die Botschaft wäre dann welche? "Darüber nachzudenken, in welcher Richtung wir uns mit unserer Welt bewegen, uns unserer Verantwortung bewusst zu werden und sich um unseren Planeten zu kümmern", fasst Halle zusammen. Subjektiv betrachtet, macht sich das alles in einer gewissen Dringlichkeit die Musik betreffend, deutlich, oder? "Ja genau", bestätigt Halle, "dieses ganze dystopische Weltgefühl hat sich natürlich auch über den Sound bemerkbar gemacht." "Wir haben uns ja auch nur auf diese Scheibe konzentriert, weil es ansonsten ja auch gar nichts anderes zu tun gab", gibt Izzy noch zu bedenken, "das hat sich insofern natürlich auch intensiver bemerkbar gemacht, als bei unserem ersten Album, an dem wir jahrelang herumgewerkelt haben. Wie Halle schon sagte, haben wir uns auf das konzentriert, was wir gerade durchlebten und nicht nach beliebigen verschiedenen Dingen gesucht."

Das neue Album klingt ja produktionstechnisch wesentlich besser und runder als das erste - obwohl Automatic wieder mit dem Produzenten Joo-Joo Ashworth zusammenarbeiteten. Was hat sich denn gegenüber dem Debüt geändert? "Wir sind besser an unseren Instrumenten geworden", meint Izzy, "das ist schon mal das eine." "Ich denke auch, dass Joo-Joo als Produzent mit uns mitgewachsen ist", wirft Halle ein, "wir haben auch selbst mit produziert und unsere Fähigkeiten ausgebaut. Was wir versucht haben, ist den Raum klanglich mit einzubeziehen. Auf unserem ersten Album ging es uns darum, den Live-Sound einzufangen und auf diesem Album wollten wir das Ganze kreativ in eine Richtung lenken." "Ja - und wir hatten mehr Zeit uns auf die Produktion zu konzentrieren, wie Izzy schon angedeutet hat", fügt Lola hinzu. Woran richten Automatic eigentlich ihre musikalischen Bedürfnisse aus? An Vorbildern? An einem bestimmten Sound? Einer bestimmten Zeitspanne? "Wir hören alle drei ständig irgendwelche Musik", führt Halle aus, "für mich ist zum Beispiel eine Tour stets eine gute Zeit, Musik für mich zu entdecken. Wir können mit neuen Leuten sprechen, wir können uns Musik im Van vorspielen oder wenn wir irgendwo zu Hause eingeladen sind. Es gibt da auch so viel Zeit, dass man sich ständig das Hirn zermartert, was man noch hören könnte." "Wir lassen uns durchaus von anderen Künstlern inspirieren", ergänzt Lola und Izzy meint: "Wir haben sogar eine Playlist als Inspiration für dieses Album gemacht." Dabei scheinen sich Automatic eher von englischen/europäischen Sounds inspirieren lassen, oder? "Nein", meint Lola, "aber wir haben schon bemerkt, dass es in Europa eine größere Aufnahmebereitschaft für unsere Musik gibt."

Wonach suchen Automatic denn für ihre Songs? "Ich mag es, wenn ein Song einen guten Hook hat", überlegt Lola, "und ich mag es, wenn es viel Raum und eine starke Auflösung gibt." "Und mein Lieblingsding ist eine coole, interessante Basslinie", fügt Halle - nicht eben unerwartet - hinzu. "Und ich mag es, wenn Musik eine bestimmte Stimmung hat", klärt Izzy auf, "eine Stimmung ist natürlich schwer in Worte zu fassen, aber ich würde mal ganz vage sagen, dass es mir um eine Art von Verträumtheit geht." Kommt das von Izzys Vorliebe für Spielfilme? Immerhin hat sie ja mal bei dem legendären Kim's Video (einer Arthouse-Videothek in New York) gearbeitet? "Ja, Filme und Videos sind eine große Inspirationsquelle für uns als Band", gesteht Izzy. "Wenn ein Song dir visuelle Ideen vermittelt, wenn du ihn spielst oder hörst, dann ist das ein guter Song für mich", ergänzt Lola. "Ja, genau, das ist die Atmosphäre, in die man sich vertiefen kann, wenn ich von 'Verträumtheit' spreche", bringt es Izzy auf den Punkt. Legen es Automatic denn konkret darauf an, ihre Songs "Film-tauglich" zu konzipieren? "Na ja, wir sind alle visuell ausgerichtete Menschen", überlegt Halle, "diese Art von Ästhetik ist uns schon sehr wichtig. Also schreiben wir sicherlich auch mit diesem Gedanken im Hinterkopf - zumindest was die Vibes betrifft. Das ist dann ein Mix aus Bildern und Sounds, die in unseren Köpfen herumschwirren. Wir lieben Filme und würden sicherlich gerne auch mal einen vertonen." Das alles bedeutet übrigens nicht, dass sich bei Automatic alles gleich anhört. Gerade auf dem neuen Album hat eigentlich jeder Track sein eigenes, kleines musikalisches Mäntelchen - auch wenn viele Stücke auf einer gewissen rhythmischen Unerbittlichkeit basieren - was aber dem Basisformat geschuldet ist. "Das ist aber schön zu hören, dass sich die Stücke unterschiedlich anhören", meint Halle - wohl weil das Automatic nicht oft zu hören bekommen, "ich denke, es ist ein gutes Qualitätsmerkmal, wenn Bands vielseitig sind. Auf der anderen Seite mag ich aber auch Bands wie My Bloody Valentine, wo die Sachen nicht so unterschiedlich klingen. Ich weiß aber gar nicht, ob wir das absichtlich so anlegen." "Das hat wohl eher damit zu tun, dass wir alle unsere unterschiedlichen Referenzen unter einen Hut bringen wollten", räumt Izzy ein, "für uns war die persönliche Befriedigung ausschlaggebend und der Umstand, dass wir mehr experimentieren wollten. Es ging uns also nicht um ein starres Gerüst, sondern eine verspielte Offenheit." Dabei kommen dann auch mal Sachen wie der letzte Song "Turn Away" zustande, der eine ganz konventionelle Strophe/Refrain-Struktur, eine erkennbar durchgängige Melodie und einen geradezu poppigen Charakter hat. Wäre das nicht mal etwas, was es in der Zukunft stärker auszuloten lohnte? "Nö - denn wir mögen es nicht, uns solcher Arten von Zielen zu setzen", meint Halle, "also uns zum Beispiel vorzunehmen, ein bestimmtes Genre anzusteuern. Ich möchte einfach vom Herzen her spielen und schauen, was rauskommt. Das ist dann eben manchmal poppig - manchmal aber einfach nur Krach." "Dieser Song 'Turn Away' ist uns persönlich sehr wichtig", erklärt Lola, "und er ist schon vor einiger Zeit geschrieben worden und hat es nicht auf die erste Scheibe geschafft. Das könnte ein Grund sein, warum er sich anders anhört, als die anderen." Heißt das, dass Automatic auch bewusst persönliche Themen in ihr Repertoire einbauen? "Natürlich", meint Izzy, "der Song 'Lucy' erzählt zum Beispiel eine persönliche Geschichte - obwohl wir nicht darüber sprechen möchten." "Es ist aber auch ein bisschen so, wie sich morgens anzuziehen", überlegt Lola, "je nachdem in welcher Stimmung du dich befindest, wählst du deine Kleidung aus. So ist das auch mit der Musik.
Mal eine unübliche letzte Frage: Die Musik von Automatic wird aufgrund der elektronischen Elemente, dem distanzierten Gesang und den motorischen Elementen ja oft als unterkühlt beschrieben - jedenfalls im Vergleich zu Musik, die gemacht wird, um Emotionen zu transportieren. Wie sehen Automatic das denn? "Ich kenne gar keinen anderen Weg mich auszudrücken", überlegt Halle, "Musik ist für mich per se emotional - und demzufolge ist das auch die Basis für alles andere." "Ja, die Reaktion, die du auf Musik hast - sei es zum Beispiel Abscheu oder Sexyness oder Coolness; egal was es ist; ist doch auch eine Art von Emotion. Das ist doch die normale Reaktion auf Musik. Wenn wir also etwas fühlen, wenn wir spielen, dann vermitteln wir das auch. Das ist dann wie der Unterschied zwischen einem abstrakten Bild oder einem Porträt. Es gibt halt verschiedene Weisen, auf die man Gefühle vermitteln kann." Das lassen wir mal so stehen. Die abgebrochene Europa-Tour kann erst im nächsten Jahr fortgesetzt werden, da Automatic den Rest des Jahres in den USA unterwegs sein werden.
Weitere Infos:
automatic.band
www.instagram.com/automatic_band
automatic-band.bandcamp.com
www.facebook.com/automaticbandla
www.youtube.com/watch?v=rFTKDs-FtVE
www.youtube.com/watch?v=64wOepbwQkE
www.youtube.com/watch?v=muEyle9evDQ
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Dana Trippe-
Automatic
Aktueller Tonträger:
Excess
(Stones Throw/Pias/Rough Trade)
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